Wir sagen dir, in welcher Welt wir leben wollen
Wenn eine Person, die als Schauspielerin in der Öffentlichkeit steht, sich bemüßigt fühlt, ihrer Social Media-Cummunity ihre Meinung mitzuteilen, soll sie das tun. Wenn sie mit ihrer Meinung aber sexuelle Übergriffe (die dann beginnen, wenn eine Handlung, eine sexuelle Anspielung oder auch nur ein einziges Wort ein unangenehmes Gefühl erzeugen) herabspielt, ist das schlicht inakzeptabel und bedarf Aufklärung. Wenn Nina Proll anderen Frauen rät, dass sie sich doch einfach über sexuelle Annäherungsversuche von Männern freuen sollen („...können wir uns noch darüber freuen, wenn ein Mann versucht uns ins Bett zu kriegen?„) und andere Frauen, die mit sexueller Diskriminierung, Machtspielen und Sexismus zu kämpfen hatten, als „erfolglos“ diffamiert, als Frauen, die selbst schuld wären, wenn sie sich für „ältere, mächtige Männer“ interessieren, ist das nicht nur unsolidarisch. Es ist feige, weltfremd und vor allem eines: gefährlich. Denn es spielt all jenen Männern in die Hand, die nach Argumenten für ihr Verhalten suchen und schwächt Frauen, die sich nachwievor sehr oft schämen, ihre Erfahrungen und Gefühle bezüglich sexueller Übergriffe in Worte zu fassen und offen darüber zu sprechen.
Feig ist das Verhalten von Nina Proll deshalb, weil ihr Statement heiße Luft ist, das nur einen Zweck zu haben scheint: Es soll provozieren. Denn hieb- und stichfeste Argumente sucht man vergebens. Stattdessen findet man eine Reihe von Fragen und Aussagen, die einen ziemlich bitteren Beigeschmack haben. Die gute Nachricht: Wenn man diesen bitteren Beigeschmack „schmeckt“, ist das ein ziemlich gutes Zeichen dafür, dass man selbst auf dem richtigen Weg ist – nämlich Frauen (und Männern), egal ob diese schon mal zum Opfer sexuellen Missbrauchs wurden oder nicht, prinzipiell solidarisch und empathisch zu begegnen.
In ihrem Posting fragt Nina Proll, in welcher Gesellschaft wir leben wollen…
Nun, diese Frage versuchen wir zu beantworten: Nein, wir möchten nicht in einer Hexenjagd-Gesellschaft leben, die sich gegenseitig „anzeigt“, wie Nina Proll schreibt. Auch Sex wollen wir nicht verbieten. Wir wollen natürlich auch in einer Gesellschaft leben, in der Männer uns Avancen machen dürfen – jeder Mensch freut sich über nette, angemessene (!!!) Komplimente. Eine Hand am Hintern zu spüren ist aber keine Avance – das ist sexuelle Belästigung.
Und keine Angst, auch die lieben Männer wollen wir nicht verbieten, denn es gibt so viele wunderbare Exemplare, die uns täglich zum Lachen bringen, die insprierend sind und respektvoll miteinander und mit Frauen umgehen. Verbieten wollen wir also keine Geschlechter, sondern eine Denkweise. Eine Einstellung, die Frauen nicht gleichwertig mit Männern einordnet. Respektloses Verhalten wollen wir verbieten und in einer Welt leben, in der man emotional Anteil nimmt, wenn Frauen sich öffnen, und sich endlich trauen, über traumatisierende Erlebnisse zu sprechen. Wir wollen in einer Gesellschaft leben, in der wir uns nicht schlecht oder schuldig fühlen und den Mund halten müssen, wenn ein Mann seine Grenze überschreitet. Wir wollen wie ein Mensch behandelt werden, und nicht wie ein Objekt. Eigentlich gar nicht so schwer, oder Nina?