Wieso vertraute Gerüche unsere Erinnerungen wecken
Mandarinen, Zimt und ein Glühwein – Bei diesen Gerüchen kommt einfach sofort Weihnachtsstimmung auf. Aber warum sorgen eigentlich vertraute Gerüche, dass wir uns sofort an eine gewisse Situation oder an einen geliebten Menschen erinnern?
Gerüche erwecken Erinnerung viel schneller und intensiver als andere Gefühle, wie schmecken oder sehen. Aber warum ist das so?
Das Proust-Phänomen
Meine Kindheit roch nach Kräutern und Pferden. Das kann ich mit 100 prozentiger Sicherheit sagen. Denn ich verbrachte viel Zeit bei meinen Großeltern, die auf mich aufpassten, wenn meine Eltern arbeiteten. Mit meiner Großmutter pflückte ich im Sommer immer Kräuter, die wir für einen Tee trockneten. In den Ferien verbrachte ich auch viel Zeit im Reitstall und half beim Ausmisten der Boxen und ritt durch den Wald. Diese Erinnerungen, die immer wieder durch gewisse Gerüche hervorkommen, sind ein klassischer Fall des Proust-Phänomens.
Den Begriff prägten vor einigen Jahren zwei Psychologen. Dabei orientierten sie sich an einer Szene aus dem Roman „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ von Marcel Proust. Darin tunkt der Protagonist ein Stück Madeleine in einen Tee. Als das nasse Gebäck seinen Gaumen berührt, tauchen verloren geglaubte Kindheitserinnerungen wieder auf.
Gerüche wecken Erinnerungen
Die Macht der Gerüche ist schon erstaunlich. Ein gewisses Parfum und schon erinnern wir uns an unsere erste Liebe, die das gleiche Parfum trug. Der Geruch von Schnee und schon sind wir wieder kleine Kinder, die einen Schneemann bauen. Dass Gerüche Erinnerungen hervorrufen, ist schon lange kein Geheimnis mehr. Und die Faszination darüber ist schon uralt, denn sogar in der Antike beschäftigten sie sich schon mit Gerüchen. „Der Mensch riecht Riechbares nicht, ohne ein Gefühl des Unangenehmen oder Lustvollen zu empfinden“, schrieb der griechische Philosoph Aristoteles.
Chemischer Prozess
Dabei ist Riechen eigentlich nur ein einfacher chemischer Prozess. Jeden Tag atmen wir etwa 25.000 Mal ein und aus. Wenn wir einatmen, strömen Millionen von Duftmoleküle in die Nase. Am oberen Ende der Nasenhöhlen sitzt die Riechschleimhaut, die aus bis zu zehn Millionen Riechsinneszellen besteht. Darauf befinden sich Geruchsempfänger, die bei Stimulierung elektrische Signale an unser Hirn senden. Das besondere dabei: Während beim Schmecken, Hören und Fühlen die Signale durch Umwege ins Hirn gelangen, wird beim Riechen alles ungefiltert ins Gehirn geliefert. Deshalb sind die Erinnerungen und Empfindungen dann umso intensiver.
Dass Gerüche stärker empfunden werden, als andere Sinneswahrnehmungen, hat aber einen einfachen evolutionären Grund. Denn bereits als Neandertaler musste der Mensch sein Überleben mithilfe seiner Sinne sichern. So roch er sofort, welche Fleisch schlecht war und welche Beeren giftig. Damals konnte unser Hirn noch viel intensiver als heute Gerüche einordnen und wahrnehmen. Im Laufe der Zeit hat sich diese „Funktion“ wieder zurückentwickelt. Denn wir brauchen sie nicht mehr so dringend, wie damals.