Wieso ich „13 Reasons Why“ nicht nochmal ansehen würde
Für all diejenigen, die mit der Serie noch nicht begonnen haben oder es vielleicht auch gar nicht vorhaben, hier ein kleiner Überblick: Der Protagonist, der 17-jährige Clay Jensen, findet, kurze Zeit nachdem seine Schulkollegin Hannah Baker sich das Leben nahm, einen Schuhkarton mit Kassetten darin vor seiner Haustüre. Auf den Kassetten erzählt Hannah ihre Geschichte, und nennt 13 Personen als Gründe für ihren Suizid. Jeder, den sie auf den Aufnahmen erwähnt, bekommt diese auch zu hören. Die Serie spricht wichtige Themen an, das muss man den Produzenten hoch anrechnen, doch ein bitterer Nachgeschmack bleibt.
13 Folgen lang höre ich nun Hannahs Stimme, die mich durch die Flashbacks leitet und wie sicher viele andere Mädchen trifft mich so mancher ihrer alltäglichen Konflikte mitten ins Herz. Sexismus, sexuelle Übergriffe und Mobbing gibt es leider nicht nur in ihrer, sondern auch in unserer Realität. Doch es gibt einen wichtigen Unterschied zwischen Hannah und mir, der in der Serie leider viel zu sehr in den Hintergrund rückt. Hannah ist krank.
Hatte Hannah eine Depression?
Ich habe nach dem verstörenden Ende lange darüber nachgedacht, ob man es hätte wissen können. Und ja, die Zeichen einer Depression sind auch im echten Leben nicht immer offensichtlich. Plötzlich die neue Frisur, die soziale Isolation… man hätte es sich denken können. Aber reicht das für ein junges Mädchen, das sich die Serie ansieht und dem es vielleicht genauso geht? Ich finde es mehr als problematisch, dass hier nicht eindeutiger thematisiert wurde, dass Hannah psychisch krank ist. Selbstmord darf nicht normalisiert werden und es wird für mich während dieser 13 Folgen nie eindeutig klar, dass Hannah professionelle Hilfe gebraucht hätte.
Schuldzuweisungen sind eine gefährliche Sache
Hannah beschreibt, wie das Verhalten und die Worte ihrer Freunde und Bekannten sie so sehr verletzt haben, dass sie sich schließlich das Leben nimmt. Doch jemandem die Schuld an seinem Tod zu geben, ist in meinen Augen das Schlimmste, das man einem Menschen antun kann. Und die Wahrheit ist, niemand weiß, ob man es hätte verhindern können. Dass kleine Sticheleien und Gemeinheiten große Wirkung auf eine labile Persönlichkeit haben können, ist eine wichtige Lektion, die wir uns alle hinter die Ohren schreiben sollten. Doch die Verantwortung für Hannahs Tod jemandem zuzuschieben, ist höchst problematisch. Einen geliebten Menschen durch Suizid zu verlieren, ist eine Erfahrung, die einen mit Sicherheit alles hinterfragen lässt. So suchen beispielsweise Eltern, deren Kinder sich das Leben genommen haben, oft die Schuld bei sich selbst. Die Serie hat das Potenzial, solche Gedankengänge zu unterstützen und es für Betroffenen noch schwerer zu machen. Doch es hat niemand Schuld. Und ich finde es extrem wichtig, das klarzustellen.
Aussichtslosigkeit = Nachahmungsgefahr
Die Realität, so bitter sie auch ist, wird in der Serie als absolut aussichtslos dargestellt. Im Internet kursieren schon einige Berichte über Mädchen und Frauen, die in der Vergangenheit bereits Suzidgedanken hatten und die Serie jetzt als Trigger, das heißt, als möglichen Auslöser für Gedanken dieser Art, bezeichnen. „13 reasons why“ lässt uns nicht viel Hoffnung auf bessere Zeiten. Speziell die Szene, in der Hannah sich ihrem Lehrer anvertraut und er ihr die Worte im Mund umdreht, wie es leider oft bei Opfern sexueller Gewalt der Fall ist, gibt mir zu denken. Ist es also sowieso sinnlos, den Mund aufzumachen? So fühlt es sich nämlich irgendwie an. Ich wünschte einfach, die Serie hätte einen Hoffnungsschimmer zugelassen. Vor allem eine Aussage, die in den Vordergrund der Serie gehört hätte, geht in dem ganzen Trubel komplett unter: Selbstmord ist keine Lösung und wer darüber nachdenkt, sollte sich unbedingt professionelle Hilfe suchen.