Wie fair ist die Corona-Krise? So unterschiedlich trifft sie die Länder
Die Corona-Krise trifft uns alle. Egal, ob wir nun in einem Industrie- oder Entwicklungsland leben. Es gibt kaum einen Teil unseres Planeten, der nicht von der Pandemie und ihren gesundheitlichen wie wirtschaftlichen Folgen betroffen ist. Aber trifft die Krise auch alle gleich?
Gerade Kleinbauern und Landarbeiter im globalen Süden sind aufgrund der aktuellen Situation wirtschaftlich bedroht.
Die Corona-Krise trifft die ärmsten Länder
Das Coronavirus ist nicht nur eine Bedrohung für unsere Gesundheit, sondern auch für unsere wirtschaftliche Stabilität. Um eine Ausbreitung durch SARS-CoV-2 zu verhindern, wurden Landesgrenzen geschlossen, der Flugverkehr lahmgelegt und Handel sowie Gastronomie großteils geschlossen. Globale Lieferketten wurden unterbrochen. Und gerade weil man sich auch aufgrund von Social Distancing in den letzten Wochen vermehrt in die eigenen vier Wände zurückzog, reichte der Blick oft nicht weiter als für die Probleme im eigenen Land.
Weniger Aufmerksamkeit bekamen Entwicklungsländer. Dabei bleiben auch sie nicht von den Folgen der Corona-Krise verschont. Die Welthungerhilfe etwa warnt vor gravierenden Folgen der Krise für arme Länder. So könne die Zahl der Hungernden weltweit von 820 Millionen auf eine Milliarde ansteigen.
Krise trifft auch den fairen Handel
Die Krise lässt auch den fairen Handel, also jenen Handel bei dem die Erzeuger für ihre Produkte einen Mindestpreis bekommen, nicht unberührt. „Wenn wir in den Süden blicken, gibt es ganz viele Probleme, die diese Krise mit sich bringt. Ganz massiv getroffen hat es die Blumenfarmen, die zum Teil 80 Prozent Umsatzrückgänge verzeichnen mussten“, erklärt Hartwig Kirner, Geschäftsführer von Fairtrade Österreich, gegenüber der miss. Einerseits sei natürlich die Nachfrage anfangs eingeknickt, auf der anderen Seite sei der Transport gestoppt worden, weil keine Passagierflugzeuge von Afrika nach Europa geflogen sind, in deren Frachtraum normalerweise die Rosen mitfliegen.
Fairtrade Österreich setzt sich in seit 1993 für die Minderung von Armut in Asien, Lateinamerika und Afrika durch fairen Handel ein. 2019 legte der Handel mit fair gehandelten Waren um 5,4 Prozent zu, wie die Mitte Mai bekannt gegebene Jahresbilanz des Vereins zeigt. „Einerseits hat das Thema Nachhaltigkeit sehr stark an Bedeutung gewonnen. Andererseits ist auch das Thema Globalisierung und der globale Handel zunehmend in das Bewusstsein der Menschen gerückt“, erklärt sich Hartwig Kirner den Anstieg. „Nicht immer geht es am globalen Markt gerecht zu. Aber der Wille der Menschen, dass es gerechter zugeht, ist mehrheitsfähig geworden“, zeigt sich der Fairtrade-Geschäftsführer sicher. Es scheint also zumindest noch vor dem Ausbruch der Coronavirus einen Trend hin zu fair gehandelten Waren gegeben zu haben, einen scheinbaren Trend der Solidarität.
Wie fair ist die Krise?
Doch mit der Corona-Krise hat wohl niemand gerechnet. Die Pandemie hat nahezu alle Länder der Welt getroffen. „Es interessiert sich nicht dafür, wie reich du bist, wie berühmt du bist, wie lustig oder klug du bist. Wo du wohnst, wie alt du bist, welch tolle Geschichten du erzählen kannst,“ lauteten etwa die Worte von Popstar Madonna, die sie zu Beginn der Krise von ihrer Badewanne aus auf Instagram verkündete. Die Pandemie und ihre gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen scheint alle gleich gemacht zu haben. Aber stimmt das wirklich? Wie fair ist die Krise tatsächlich? Gerade am Weltmarkt zeigt sich, dass die Pandemie nicht alle Länder gleich stark trifft.
Denn gerade Kleinbauern und Landarbeiter in den südlichen Ländern der Welt sind momentan besonders stark bedroht. „Grundsätzlich ist es so, dass die Wirtschaftssysteme in sogenannten Entwicklungsländern viel weniger resilient sind als unsere, weil zum Teil weniger Reserven da sind und es teils keine staatlichen Hilfen oder zumindest nicht in der Form wie bei uns. Hinzu kommt, dass viele Menschen in schwierigen Lebensverhältnissen leben. Sie können nicht zwei Monate zu Hause bleiben und sich vor einer Ansteckung schützen. Denn dann steht kein Essen mehr auf dem Tisch“, erklärt Hartwig Kirner. Auch die Gesundheitssysteme seien in diesen Ländern nicht für die Pandemie gewappnet.
Kampf gegen Armut um Jahrzehnte zurückgeworfen
Während wir uns hierzulande ganz langsam aber sicher wieder auf den Weg zurück in die viel-propagierte „alte Normalität“ begeben, ist die Pandemie noch lange nicht überwunden. Die nächste Phase könnte vor allem die Entwicklungsländer treffen. So warnt auch das Auswärtige Amt in Deutschland in einem Bericht für den Bundestag: „Weltweit befinden wir uns noch am Anfang der Pandemie, deren Schwerpunkt sich als Nächstes in die schwächsten Länder des globalen Südens verlagern wird. Die Gefahr politischer Instabilität, großer Hungersnöte sowie neuer Flucht- und Migrationsbewegungen steigt, ob im Sahel oder in Süd- und Mittelamerika.“ Schon jetzt sei absehbar, dass Covid-19 bestehende Ungleichheiten verschärfe, „innergesellschaftlich genauso wie international.“ Der Kampf gegen die Armut könnte um Jahrzehnte zurückgeworfen werden.
Solidarischer Wiederaufbau nach der Krise?
Um Entwicklungsländer zu unterstützen, hatte der Internationale Währungsfonds IWF Mitte April eine sofortige Schuldenerleichterung für 25 Entwicklungsländer angekündigt. Die betroffenen Staaten sollen dadurch mehr Geld für den Kampf gegen die Corona-Pandemie zur Verfügung haben. Eine Unterstützung für die ärmsten Länder während der Krise also. „Der Schuldenerlass ist grundsätzlich zu begrüßen. Leider ist der Betrag sehr gering. Die Maßnahme ist bei dieser Summe eher als symbolisch zu betrachten“, sagte damals Ökonom Johannes Jäger vom BFI Wien gegenüber der miss.
Bleibt die Frage, ob man den Wiederaufbau nach der Corona-Krise nicht als Chance sehen sollte, ein generell gerechteres System am Weltmarkt zu etablieren. Dass etwa faire Handelsbeziehungen wichtiger denn je seien, erklärt etwa auch die EZA Fairer Handel in einer Aussendung. Für die „neue Normalität“ hat Geschäftsführerin Daniela Kern einen Vorschlag: „Fairer Handel bleibt nicht die Ausnahme, sondern wird – egal wo auf der Welt – die Regel. Das klingt utopisch, wäre aber wirtschaftlich, sparsam und zweckmäßig. Denn unfairen Handel und seine sozialen und ökologischen Folgen können wir uns schon längst nicht mehr leisten.“