Wasserknappheit: Warum „Wasser sparen“ auf lange Sicht nichts nützen wird
Wasser ist ein begrenztes Gut, dass es frisch aus dem Hahn sprudelt, alles andere als eine Selbstverständlichkeit. Wasser wird überall auf der Welt knapper, es wird schwieriger, den vorhandenen Wasserbedarf zu decken. Obwohl man derzeit vermehrt von Wasserknappheit hört, verschleiert das Wort die Ursache für das wachsende globale Problem und verharmlost die Auswirkungen. Denn die Menge an Wasser verringert sich nicht einfach – die Qualität der Gewässer hingegen schon. Laut Gewässerbericht der Europäischen Umweltagentur (EEA) sind in der EU und in Österreich derzeit 60 Prozent aller Gewässer in keinem guten Zustand. Die größten Bedrohungen seien Verschmutzung, übermäßige Wassernutzung und Dammbauten. Der Eingriff in die Natur wiederum hat Auswirkungen auf den Klimawandel – und der wiederum verstärkt die bestehende Knappheit. Ein Teufelskreis also. Wasserknappheit ist somit kein Problem, das man mit etwas „Wasser-Sparen“ lösen könnte, vielmehr bedarf es laut dem Verein World Wide Fund For Nature (WWF) mehr Budget für Gewässerschutz und Renaturierungen von bereits zu stark verbauten Gewässern. Zugleich müssen die letzten intakten Gewässer vor weiteren Eingriffen bewahrt werden. Es brauche einen starken Rechtsrahmen. Die EU Wasserrahmenrichtlinie (WRRL), die besagt, dass Gewässer und Wasserreserven nicht mutwillig zerstört und ausgebeutet werden dürfen (Verschlechterungsverbot), sowie angerichtete Schäden durch Verschmutzung und Übernutzung von den Verursachern wieder saniert werden müssen (Verbesserungsgebot), gibt es zwar – die hohen Standards für den Gewässerschutz wackeln derzeit allerdings. Viele Mitgliedsstaaten der EU verfehlen die Ziele der WRRL deutlich. Anstatt ihre Anstrengungen zur Zielerreichung zu erhöhen, haben sich einige EU-Länder für einen anderen Weg entschieden und fordern, die hohen Standards herabzusetzen. Würde der Schutz geschwächt, hätte das fatale Auswirkungen auf wertvolle Ökosysteme und für zahllose Vogel-, Fisch- , Säugetier- und Insektenarten, die an und im Wasser leben. WWF-Wasserexperte Gerhard Egger erklärt, was es mit der Wasserknappheit auf sich hat – und was jede/r Einzelne tun kann.
„Wasser verschwindet nicht, die Beschaffenheit wird aber tiefgreifend verändert“
Die Welt ist zu zwei Drittel von Wasser bedeckt, wird es zu einer Knappheit kommen?
„Grundsätzlich gibt es auf der Erde sehr viele und ausreichende Wasserreserven, wir können aber nicht alle gleich gut nutzen. Das Problem liegt in der ungleichen Verteilung und der drastischen Übernutzung von Grundwasserreserven, aber auch von Flüssen. So hat sich der Wasserverbrauch im 20. Jahrhundert versechsfacht. Hauptverbraucher ist global gesehen die Landwirtschaft, die 70 Prozent des Wasserverbrauchs verursacht. Viele Wasserreserven werden aber auch durch Verschmutzungen praktisch unbrauchbar gemacht. Weltweit werden 80 Prozent des Abwassers immer noch ungeklärt in Flüsse und Seen eingeleitet.“
Hat Wasser nicht einen „natürlichen Kreislauf“ und kann gar nicht verschwinden?
„Global gesehen gibt es unvorstellbare 1,4 Milliarden Kubikkilometer Wasser. Aber nur weniger als ein Prozent davon ist als Süßwasser im Grundwasser und Flüssen und Seen für uns verfügbar, Gletscher nicht mitgezählt. Den Einfluss des Menschen auf die Wasserreserven kann man am besten anhand der Flüsse und Feuchtgebiete erahnen. Weltweit gibt es 50.000 große Staudämme, die den Abfluss von Flüssen und ihre Qualität tiefgreifend verändern. Von den großen Flusseinzugsgebieten (rund 230) sind zwei Drittel bereits stark fragmentiert und es gibt nur mehr wenige, die das Meer frei fließend erreichen. Das heißt, das Wasser verschwindet nicht, aber die Beschaffenheit wird tiefgreifend verändert. Dramatisch ist der Verlust an Lebensräumen wie Mooren und Auen. Global wurde die Hälfte dieser Lebensräume, die den Wasserhaushalt regulieren, bereits zerstört. Süßwasserlebensräume sind am stärksten von Artensterben betroffen.“
Was sind die Gründe für die Wasserkrise?
„Grundproblem hinter vielen Herausforderungen im Umweltschutz ist die Tatsache, dass Güter wie saubere Luft, gesunde Böden und eben Wasserreserven lange als Allgemeingüter praktisch uneingeschränkt nutzbar waren und somit verschmutzt oder übernutzt wurden. In vielen Bereichen und Regionen sind die Prinzipien der Nachhaltigkeit leider noch nicht verankert, was dem Raubbau an der Natur Tür und Tor öffnet. Auch dort wo es gute Schutzbestimmungen gibt, sehen wir, dass diese nicht immer umgesetzt werden. Immer wieder gibt es auch Rückschläge, wie gerade in Österreich und Europa, wo versucht wird, strenge Wasserschutzgesetze, wie die EU-Wasserrahmenrichtlinie, aufzuweichen.“
Warum baut man nicht einfach mehr Kläranlagen?
„Die Reduktion der Verschmutzung, gerade durch Kläranlagen ist eines der Ziele der UN Sustainable Development Goals. Konkret hat sich die Staatengemeinschft das Ziel gesetzt, dass bis 2030 die Wasserqualität weltweit verbessert und der Anteil an unbehandeltem Abwasser halbiert wird. Allerdings ist die Verschmutzung von Wasser bei Weitem nicht das einzige Problem. In Österreich haben wir etwa trotz sauberer Seen und Flüsse schlechte Werte, was den Zustand von Gewässern als Lebensraum betrifft. 60 Prozent der heimischen Gewässer sind laut einer Studie der EU-Umweltagentur sanierungsbedürftig.“
Welche Länder sind besonders gefährdet und warum?
„Die Unterversorgung mit Wasser korreliert stark mit der wirtschaftlichen Entwicklung. Besonders betroffen von Wasserstress sind Regionen in Afrika, Asien und Ozeanien.“
Wie sieht die Situation für Österreich aus?
„Österreich ist grundsätzlich ein sehr wasserreiches Land. Die Versorgung mit sauberem Trinkwasser und die Abwasserentsorgung weisen einen sehr hohen Standard auf. Auch unsere Seen und Flüsse sind heute – dank enormer Anstrengungen im 20. Jahrhundert – wieder viel sauberer. Weniger gut schaut es mit der Belastung unserer Grundwasserreserven aus. Mit mehr als 5.200 Wasserkraftwerken ist die Verbauungsrate der Flüsse heute enorm hoch, was fatale Folgen vor allem für die Vielfalt und ökologische Qualität unserer Fließgewässer hat. Während unser direkter Wasserverbrauch mit 130 Litern pro Person und Tag durchaus moderat ist, ist unser indirekter Verbrauch mit mehr als 5.000 Litern pro Tag enorm. Bei diesem Wert sind auch die erforderlichen Wasserressourcen für die Produktion unserer Nahrungsmittel, Gebrauchs- und vielleicht Luxusgüter eingerechnet. Oft unbemerkt verbrauchen wir aufgrund unseres Konsumverhaltens enorme Wassermengen, beispielsweise für die Beschneiung von Schigebieten und die Produktion von Baumwolle, Fleisch oder elektronischen Geräten.“
Was sind mögliche Lösungsansätze?
„Der Schutz unserer Wasserreserven und unserer Wasserumwelt braucht klare und effektive Regeln. Wasserentnahmen dürfen die Belastungsgrenzen von Flüssen, Seen und Grundwasserkörpern nicht übersteigen, Verschmutzungen müssen bestmöglich vermieden werden und dürfen jedenfalls die gute Qualität von Gewässern nicht gefährden. Mit der EU-Wasserrahmenrichtlinie gibt es ein europaweit modernes und verbindliches Regelwerk genau dafür. Leider sehen wir, dass einige EU-Länder diese Bestimmungen aktuell abschwächen wollen. Der WWF Österreich will das verhindern und ruft gemeinsam mit 100 anderen NGOs in ganz Europa zur Beteiligung an der Aktion „Rette unser Wasser“ mit dem Hashtag #ProtectWater auf.“
Was kann jeder/jede Einzelne tun?
„Es braucht ganz allgemein einen verantwortungsvollen Umgang mit Wasser und der Umwelt, sowie ein geschärftes Bewusstsein für die wichtigste Ressource, die wir haben. Ohne gesunde Gewässer und sauberes Wasser geht leider gar nichts. Wir brauchen auf politischer Ebene klare Lösungen, um einen gerechten Zugang zu Wasser zu ermöglichen sowie einen effektiven Schutz unserer Flüsse, Seen und Grundwasser.“
Übrigens: Jeder kann aktuell die WWF-Aktion „Rette unser Wasser“ unterschreiben und sich damit direkt bei der EU-Kommission für den Schutz der Wasserressourcen einsetzen.