Was passiert mit den Frauen in Afghanistan und wie können wir helfen?
Die Bilder aus Afghanistan belasten zurzeit viele Menschen. Vor allem die Situation der Frauen im Land ist unter der Kontrolle der Taliban sehr gefährdet. Wir haben nachgefragt, wie man jetzt wirklich helfen kann.
Einige Organisationen arbeiten immer noch mit den Menschen vor Ort.
„Situation der Unruhe“ in Afghanistan
In ihrer ersten Pressekonferenz nach der Machtübernahme verkündeten die Taliban, dass die Rechte der Frauen künftig „im Rahmen der Scharia“ – also dem strengen islamischen Recht – ausgelegt werden sollen. Frauen in Afghanistan sollten auch weiterhin das Recht haben, zur Schule zu gehen und einen Beruf auszuüben. Aussagen, denen Politikexperten nicht ganz vertrauen.
Denn obwohl die Taliban auch in anderen Gesprächen mit westlichen Regierungen versicherten, dass Frauen weiterhin die gleichen Rechte haben sollten, lässt die aktuelle Situation anderes befürchten. „Es gibt jetzt bereits erste, konkrete Vorschläge: Es wird ein Verbot von Abtreibungen geben, Frauen werden aus ihren Jobs gedrängt, es werden auch Impfungen verboten – eine Katastrophe in Afghanistan mit sehr hohen Covid-Zahlen. Es wird ein Land sein, das sich quasi an Gesetzen orientiert, die aus dem 7. Jahrhundert stammen“, so Politikwissenschaftlerin und Afghanistan-Expertin Petra Ramsauer in einem Interview in der ZIB 2.
Es gäbe diverse unterschiedliche Szenarien, die demnächst eintreffen könnten, weiß auch Christina Ihle, Geschäftsführerin des Afghanischen Frauenvereins in Hamburg. Gegenüber miss.at erzählt sie von den aktuellen Entwicklungen und den Auswirkungen für ihre Organisation. Der Verein arbeitet seit 1992 aktiv in Afghanistan, baut Mädchenschulen auf und hilft aktiv bei der Trinkwasser- und medizinischen Versorgung. In den vergangenen Tagen sei der Bedarf an Hilfe und Unterstützung enorm. „Wir kümmern uns unter anderem gerade um die Menschen, die aus den nördlichen Provinzen nach Kabul geflohen sind und jetzt ohne Schutz und ohne Bleibe in der Stadt sind“, erzählt sie.
Es sei eine „Situation der Unruhe und Sorge“ für die Mitarbeiter vor Ort und die Menschen, die sie betreuen. Wie genau die Zukunft für Frauen und Mädchen in dem Land aussehen wird, könne man derzeit noch nicht sagen. „Es gibt eine Palette an Szenarien. Man muss abwarten, wie radikal oder moderat die Taliban agieren. Viele Menschen haben eine große Sorge, dass sich eher die extreme Linie durchsetzen wird.“
Schulbesuch trotz „Kugelhagel“
Was die Bildung der Mädchen und jungen Frauen angeht, zeigt sie sich jedoch hoffnungsvoll. Denn eine ihrer Mädchenschulen in Kunduz habe seit drei Tagen wieder geöffnet – ein Zeichen dass sich die Mädchen nicht einschüchtern lassen.
„Bildung hat einen immens hohen Stellenwert für die jungen Mädchen. Familien tun alles, um ihre Töchter in die Schule zu bekommen“, sagt sie. „Auch im Kugelhagel in Kunduz kamen Mädchen zu uns in die Schule weil die Sorge, die Schule zu verpassen und nicht versetzt zu werden so groß ist.“ Derzeit seien Zwischenprüfungen in den Schulen und die Mädchen würden trotz allem alle Prüfungen schreiben.
„Wir sind seit 1992 aktiv in Afghanistan tätig. Und auch in diesen dunklen Tagen der afghanischen Geschichte haben wir damals Mädchenschulen gebaut und eine Schneiderei für Frauen errichtet. Man muss einfach immer schauen, wie man unter den gegebenen Bedingungen helfen kann“, sagt sie.
Wie kann man jetzt helfen?
Dass sich derzeit viele Menschen machtlos fühlen und nicht wissen, wie sie in dieser Situation helfen können versteht Ihle. „Aber man kann jede Menge machen, um zu helfen“, sagt sie.
Wichtig sei es jetzt, dass die Menschen, die unterstützen möchten auch an jene Organisationen spenden, die noch vor Ort sind und in den einzelnen Städten und Gebieten Menschen unterstützen.
„Bei den ganzen Aktionen mit Evakuierungen und dem internationalen Ausfliegen darf man bitte nicht auf die Menschen vergessen, die noch im Land sind“, betont sie. „Es sind knapp 38 Millionen Menschen in Afghanistan und die sollten wir nicht im Stich lassen. Denn der Gros der Bevölkerung wird nicht flüchten können.“