Sonntagnachmittag, die Sonne scheint und sechs Arbeitskollegen verlegen ihre Arbeit ins Freie. Was nach einem schönen und produktiven Herbsttag klingt, endete am 14. Oktober in Wien Neubau aber mit gleich vier Anzeigen. T-ser, Meydo, Sidney, Law, Jerry Divmond und Ce$ar, die gemeinsam am Plattenlabel „Akashic Recordz“ arbeiten und nur mit ihren Künstlernamen genannt werden wollen, werden von zwei Streifenpolizisten dazu aufgefordert, sich auszuweisen. Die Männer fragen nach einer Begründung, die Polizei rief Verstärkung, die Situation eskaliert. So sieht das Ganze zumindest auf den ersten Blick aus. Im Netz verbreiten sich seitdem die Handyvideos der Szene – und lösen eine Welle der Empörung aus. Ein klarer Fall von Racial Profiling – sind sich viele einig. Doch wie sieht die Rechtslage aus – muss jeder zu jeder Zeit im Park einen Ausweis dabei haben?

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Nur wegen ihres Aussehens als potenziell kriminell verdächtigt zu werden, ist Rassismus. Handeln Autoritätspersonen, wie etwa Polizisten, nur aufgrund solcher Stereotype, nennt man das „Racial Profiling“. Ein Paradebeispiel hierfür scheint sich gestern Nachmittag im 7. Wiener Gemeindebezirk zugetragen zu haben. Körperliche Merkmale, wie die Hautfarbe, sollten niemals Grund dafür sein, strafbaren Handelns beschuldigt zu werden. Ein solches Verhalten der Exekutive kann nicht gerechtfertigt werden und die Veröffentlichung ist ein wichtiger Schritt, um einen Dialog zu starten. Denn nur durch das reine Betrachten der Videos ist es unmöglich, den Vorfall objektiv zu bewerten.Warum die Männer im Video so lässig mit der Situation umgehen? Weil ihnen so etwas mit Sicherheit nicht zum ersten Mal passiert. Im eigenen Land mit Rassismus und Diskriminierung konfrontiert zu sein, gehört zu ihrem Alltag. „Wieso muss ich mich fremdfühlen in meinem Heimatland?“, schreibt Sidney gestern noch in seiner Instagram-Story. Dennoch verlangt es hier einen tiefergehenden Diskurs: Polizisten, die aufgrund ihrer Vorgaben Ausweiskontrollen durchführen, als Nazis zu betiteln, lenkt den Fokus vom eigentlichen Problem weg. Hier ist also auf beiden „Seiten“ etwas falsch gelaufen. Hass lässt sich nicht mit Hass bekämpfen.

Warum wurden die Männer überhaupt kontrolliert?

Laut Polizei-Pressesprecherin Irina Steirer ist der Park, in dem sich der Vorfall ereignet hat, eine Örtlichkeit, an der vermehrt „Schwerpunktkontrollen“ durchgeführt werden. Wegen vermehrter Beschwerden von Besuchern und Anrainern über weggeworfene Spritzen und Drogendeals sowie Raubüberfällen, wären „jetzt regelmäßig zwei Kollegen vor Ort und durchstreifen dort für eine gewisse Zeit den Park“. Das war gestern auch so. Die beiden Polizisten hätten die Gruppe junger Männer gesehen und wollten eine ’normale‘ Identitätsfeststellung durchführen. Warum genau bei diesen sechs Personen? „Wir wissen, dass diese gerichtlich strafbaren Handlungen meist von Gruppen von Jugendlichen verübt werden. Also werde ich in dem Park wahrscheinlich nicht die Mami mit ihrem zweijährigen Kind kontrollieren. Aber wenn dort eine Anhäufung von mehreren Personen ist, dann werde ich die einer Kontrolle unterziehen“, meint Steirer. Die sechs Männer dürften nicht die einzigen gewesen sein, die an diesem Tag dazu angehalten wurden, ihre Identität bekannt zu geben. Die Kontrolle sei keineswegs willkürlich gewesen und habe auch nicht stattgefunden, weil „sie schwarz sind“. Ein Teil der Gruppe war aus Sicht der Polizei kooperativ gewesen, habe Namen oder Ausweise ausgehändigt. Der andere Teil eher weniger kooperativ. „Ich bin im Park und ich brauch keinen Ausweis“, hört man Rapper T-Ser in einer Instagram-Story zu den Beamten sagen. (Das stimmt auch, mehr dazu weiter unten.) Laut Steirer wurden ihre beiden Kollegen als Nazis beschimpft, das sehe man in den auf Social Media veröffentlichten Videos nicht. Auch die Hasen-Snapchat Filter auf Polizisten-Gesichtern sollen ein Zeichen von Respektlosigkeit sein.

@sidneyvision Instagram
Sidney mit Polizisten

Was darf die Polizei?

Steirer schildert den weiteren Verlauf wie folgt: „Dann war die Kontrolle grundsätzlich beendet, die Jugendlichen haben den Park verlassen, die Kollegen sind aber noch dort geblieben, weil sie dort ihren Auftrag hatten, die Schwerpunktkontrollen zu machen.“ Später wären die Polizisten allerdings erneut auf die Gruppe gestoßen, die die Beamten wiederum verbal attackiert haben soll. Auf das abschließende „Fickt’s euch“ hin, hätten die beiden Streifenpolizisten dann Verstärkung gerufen. In den Instagram-Stories von Sidney sieht man, wie fünf Polizeiwägen den Park erreichen. Knapp ein Dutzend Polizisten kommt daraufhin auf die Gruppe zu, die sich scheinbar gerade mit einer Frau mit Kleinkindern unterhält. Sie sollten erneut ihre Identität feststellen lassen und wurden vom Park weggewiesen. Nachdem sie der Wegweisung nicht nachkommen wollten, wurden sie von der Polizei hinaus eskortiert. „Bin ich jetzt verhaftet?“ und „Lassen Sie mich los“ hört man den österreichischen Rapper T-Ser sagen. Wann darf ein Polizist körperliche Gewalt anwenden? Falls eine Wegweisung nicht befolgt wird, kann man aus dem entsprechenden Bereich mit verhältnismäßiger Gewalt (zum Beispiel durch Abdrängen) von der Polizei entfernt werden, heißt es im Sicherheitspolizeigesetz. Als Betrachter der Videos fragt man sich da schnell, wieso es so weit kommen konnte. Da mischen sich Gedanken wie „Hat die Polizei nichts Besseres zu tun?“ mit „Wieso habt ihr nicht einfach eure Ausweise hergezeigt?“ – und lassen einen ratlos zurück. So erschütternd die Szenen sind, haben sie einen guten Punkt. Rassismus im öffentlichen Dienst wird thematisiert. Rechtliche Konsequenzen hat die Konfrontation für zwei Personen aus der Gruppe. Eine Person ist wegen Anstandsverletzung und aggressiven Verhaltens angezeigt worden und eine zweite Person wegen Missachtung einer Wegweisung und Lärmerregung. Für die Polizisten werden Konsequenzen vermutlich ausbleiben. Auch wenn es aus der Polizeidirektion heißt, dass der Fall auf „fehlerhaftes Verhalten“ der Beamten geprüft werde.

Was muss man im Falle einer Personenkontrolle?

Die Frage aller Fragen: Muss ich mich als österreichischer Staatsbürger jederzeit ausweisen können? Die Antwort ist: Nein. In Österreich gibt es für Österreicher keine allgemeine Ausweispflicht. Das heißt, man ist als österreichischer Staatsbürger in seinem Heimatland nicht dazu verpflichtet, ein Dokument, wie Reisepass, Personalausweis oder Führerschein, bei sich zu tragen, um seine Identität bestätigen zu können. Als Nicht-Österreicher hingegen muss man zu jeder Zeit einen Ausweis vorzeigen können. Für eine Identitätsfeststellung durch die Polizei muss laut Gesetzestext allerdings ein gewisser Grund vorliegen. „Jeder Betroffene ist verpflichtet, an der Feststellung seiner Identität mitzuwirken und die unmittelbare Durchsetzung der Identitätsfeststellung zu dulden“, heißt es darin außerdem. Bei einer Identitätsfeststellung ist man verpflichtet, den vollen Namen, das Geburtsdatum und die Wohnanschrift (Meldeadresse) verlässlich anzugeben. Wenn man keinen amtlichen Ausweis dabei hat, werden die angegebenen Daten per Funk oder auf der Polizeiinspektion mit dem Melderegister verglichen. In dem Fall von Rapper T-Ser und seinen fünf Kollegen rechtfertigt die Polizei die Kontrolle mit der hohen Zahl an Straftaten in dem Park, die – wie sie aus Erfahrung zu wissen glaubt – meist von Gruppen von Jugendlichen begangen werden. Daher werden in dem Gebiet eben speziell solche Personengruppen kontrolliert. Aussehen, Alter, Anzahl – dass oberflächliche Kriterien entscheiden, wer kontrolliert wird und wer nicht, bestätigt die Polizei. Ob die Hautfarbe dabei eine Rolle spielt, sei dahingestellt. 

Polizisten müssen Dienstnummer bekannt geben

In den Videos hört man T-Ser und seinen Kollegen Sidney mehrmals nach der Dienstnummer der Polizisten fragen. In Österreich sind Beamte der Exekutive laut dem Sicherheitspolizeigesetz (SPG) auf Nachfrage dazu verpflichtet, ihre Dienstnummern bekannt zu geben, damit die Betroffenen wissen, mit wem sie bei einer Personenkontrolle gesprochen haben.

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Der Polizei Zwischenfall von Heute. Markiert jeden. #nichtmituns

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Videos unter #nichtmituns veröffentlicht

Gepostet wurden die Videos von Rapper T-Ser und seinen Kollegen mit dem Hashtag #nichtmituns. Ein Zeichen der Demonstration gegen die Regierung, ein Zeichen, dass sich etwas verändern muss und ein Warnsignal. „Racial Profiling“ ist real. Millionen Menschen auf der ganzen Welt haben alltäglich mir Diskriminierung zu kämpfen. „Wir sind anständige junge Leute, wir haben was im Kopf. Was die scheinbar nicht gedacht haben“, sagt Meydo – auch einer der sechs Männer – in seinen Instagram-Stories. Es ist für viele unvorstellbar, wie es sich anfühlen muss, jeden Tag grundlos als potenzieller Straftäter, als Gefahrenquelle wahrgenommen zu werden. Aber wo kommen wir hin, wenn wir jetzt alle wutentbrannt diese Videos teilen und nicht hinterfragen, was wohl in den Polizisten vorgeht. Wenn wir keinen Dialog führen, sondern komplett abblocken, dann ist die Zukunft noch sehr viel dunkler als die Realität.