Warum ist Endometriose auch heute noch so ein Tabuthema? Wir haben eine Expertin gefragt
Was ist Endometriose, wie kann man sie behandeln und welche medizinischen Fortschritte gibt es in der Erforschung der Krankheit? Wir haben bei einer Expertin nachgefragt!
Denn die Krankheit wird bis heute noch stark tabuisiert!
Endometriose: die Krankheit, über die kaum jemand spricht
Der März ist jährlich Endometriose Awareness Monat. Ein symbolischer Schritt, um auf ein Thema aufmerksam zu machen, über das viel zu viele Menschen nicht Bescheid wissen. Denn Schätzungen zufolge haben zwischen acht und 15 Prozent der Frauen zwischen der Pubertät und den Wechseljahren Endometriose; es ist damit die zweithäufigste gynäkologische Erkrankung, die bis heute noch viel zu oft als Tabuthema gilt. 2019 sprach die Medizinische Universität Wien davon, dass in Österreich bis zu 300.000 Frauen davon betroffen sind; in Deutschland gehen Expert:innen von rund zwei Millionen Betroffenen aus.
Bei der Endometriose handelt es sich übrigens um eine chronische Krankheit, bei der Frauen extreme Regelschmerzen haben. Sie entsteht durch Gebärmutterschleimhaut-ähnliches Gewebe, das außerhalb der Gebärmutterhöhle wächst und sich ausbreitet. Während der Periode kann es nicht abfließen und verursacht dadurch Entzündungen und Verwachsungen.
Doch obwohl diese Krankheit den Alltag vieler Frauen prägt und für enorme Schmerzen bei der Periode und Geschlechtsverkehr sowie in manchen Fällen sogar zur Unfruchtbarkeit führen kann, wird Endometriose bis heute oft noch übersehen. Warum das so ist und was sich in der Forschung von Endometriose so tut, haben wir bei der Gynäkologin Dr. Denise Tiringer vom Santé Femme Insitut nachgefragt.
Man liest immer wieder, dass Endometriose eine der unterdiagnostiziertesten Krankheiten weltweit ist – warum ist das so?
Dr. Denise Tiringer: „Die Endometriose ist zwar eine häufige, aber dennoch nach wie vor leider eine unterdiagnostizierte Erkrankung. Vom Auftreten erster Beschwerden bis zur konkreten Diagnosestellung vergehen oft bis zu sieben Jahre. Das liegt oft daran, dass weder die Patientinnen selbst, noch deren Ärzt:innen die Symptome ernst nehmen und entsprechend zuordnen. So werden extreme Regel- und Unterleibsschmerzen oft als falsch interpretiert und behandelt und Patientinnen begeben sich in ihrer Not auf eine wahre Ärzte-Odyssee.“
Was sind erste Anzeichen für Endometriose, wann sollte ich zum Arzt gehen?
Dr. Denise Tiringer: „Das Hauptsymptom der Endometriose sind Unterleibsschmerzen. Sie treten oft zusammen mit der Regelblutung, aber auch während oder nach dem Geschlechtsverkehr auf. Die Schmerzen können mal stärker, mal schwächer sein und in den Unterbauch, den Rücken und die Beine ausstrahlen.
Sie werden oft als krampfartig erlebt und können von Übelkeit, Erbrechen und Durchfall begleitet sein.
Wie sich die Schmerzen äußern, hängt auch davon ab, wo sich Endometriose-Herde festgesetzt haben. Manchmal bilden sich Endometriose-Herde auch in Organen wie der Blase oder dem Darm, was zu Problemen beim Wasserlassen und beim Stuhlgang führen kann.“
Warum ist die Krankheit auch heute noch so ein Tabuthema?
Dr. Denise Tiringer: „Die Endometriose bringt für eine große Anzahl an Frauen oft unerträgliche Schmerzen mit sich. Auch wenn die Krankheit seit Langem bekannt ist, wurde sie häufig tabuisiert. Regelschmerzen gelten seit Jahrhunderten als etwas Selbstverständliches. Ein Klagen darüber wurde und wird oft mit einem kurzen „Stell dich nicht so an!“ abgetan. Das kann für Betroffene sehr belastend sein. Zudem bleibt eine Endometriose eben genau deshalb oftmals unentdeckt.
Eine Tendenz, die sich zum Glück seit einiger Zeit umkehrt: Betroffene Frauen fühlen sich ermutigt, sich mit anderen Betroffenen auszutauschen und ärztliche Hilfe zu suchen und es wird versucht diese Erkrankung durch die Medien, Social Media etc. vermehrt in die Öffentlichkeit zu bringen.
Es wird zwar in den vergangenen Jahren mehr darüber geredet, Endometriose ist und bleibt aber immer noch sehr unbekannt.“
Mittlerweile gibt es ja einen Speicheltest zur Diagnose? Wie funktioniert dieser?
Dr. Denise Tiringer: „Mit dem neuen Endotest Diagnostic kann schnell, risikofrei und mit einer Zuverlässigkeit von nahezu 100% bestimmt werden, ob eine Endometriose vorliegt. Wie jeder medizinische Test bietet auch dieser Test keine absolute Sicherheit und kann in seltenen Fällen ein falsch-negatives und in noch selteneren Fällen ein falsch-positives Testergebnis liefern.
Eine einfache Speichelprobe genügt. Eine schnelle einfache nicht invasive Diagnostik mit einfacher Handhabung. Der Test kombiniert die Hochdurchsatz-Nukleinsäure-Sequenzierung mit künstlicher Intelligenz und liefert in ca zwei Wochen ein Ergebnis.„
Was passiert nach einer Diagnose; gibt es Fortschritte bei der Behandlung?
Dr. Denise Tiringer: „Die Endometriose ist eine kaum verstandene, oft übersehene und manchmal schwer zu behandelnde Erkrankung. Die Endometriose ist das Stiefkind unter den Frauenleiden. In 100 Jahren Forschung ist wenig passiert. Ein Grund ist sicherlich das fehlende Wissen um den Pathomechanismus dieser Erkrankung. Es gibt viele Theorien wie die Endometriose entsteht. Warum das aber so passiert ist weitgehend unklar. Weiters sind die therapeutischen Möglichkeiten begrenzt.“
Es gab Anfang des Jahres aber einen Meilenstein in der Forschung zu Endometriose. Wie sieht da die Prognose aus? Rückt das Thema jetzt mehr in den Fokus der Forschung?
Dr. Denise Tiringer: „Einem US-Forschungsteam gelang es, einen umfangreichen Zellatlas zu erstellen, der Diagnose und Behandlung der Endometriose drastisch verbessern soll, mit einer neuen Technologie: der sogenannten Einzelzellgenomik. Diese habe es ermöglicht, ein Profil der vielen verschiedenen Zelltypen zu erstellen, die zu der Krankheit beitragen.
Diese weltweite Datenbank könne nun weltweit von Forscherinnen und Forschern genutzt werden, um spezifische Zelltypen zu untersuchen. Dies soll zu einer effektiveren Diagnose und Behandlung führen.
Ein Schritt der uns sicherlich wieder ein bisschen näher gebracht hat im Verständnis dieser Erkrankung, jedoch muss noch viel über diese Erkrankung ge- und erforscht werden, damit Betroffenen künftig schneller und besser geholfen werden kann.“