Warum Homosexualität kein Label sein sollte
Das Thema Homosexualität begleitet mich nun schon mein ganzes Leben. Egal ob in der Schule, in meiner Familie, im Beruf oder bei Freunden. Immer hatte ich das Gefühl, ich müsste mich erklären und rechtfertigen, warum ich denn homosexuell sei. Dabei muss man nicht immer ein Schild mit seiner sexuellen Orientierung mit sich herumschleppen.
Fragst du etwa deinen heterosexuellen Freund, warum er denn auf Frauen steht?
„Ein Freund von mir ist auch schwul, kennst du ihn?“
Viele kennen das Gefühl, wenn man nur auf eine bestimmte Sache reduziert wird. Und keiner würde sagen: „Hey, das fühlt sich gut an.“ Weil es einfach nicht der Fall ist. Man will für den geschätzt werden, der man ist, sprich die Person dahinter. Deshalb ist es dann echt hart, wenn man ständig hört: „Du bist schwul, oder?“ oder „Ein Freund von mir ist auch schwul, kennst du ihn?“ NEIN, ich kenne nicht jeden homosexuellen Typen dieser Welt. Dasselbe gilt für Bedingungen, die ja jeder Schwule automatisch erfüllen muss. Er sollte ein modischer Berater sein, auf Ariana Grande stehen und mit hoher Stimme sprechen. Dieser Bullshit sollte aus den Köpfen der Menschen verschwinden. Doch das ist gar nicht so einfach, wenn die Medien laufend Bilder schaffen, wie denn der perfekte schwule Freund aussehen oder sich verhalten sollte.
Zwischen Klischees und Stereotypen
Da wären wir auch schon beim größten Problem. Klischees wie homosexuelle Männer tragen Kleider, Make-Up und können es nicht erwarten, sich alle drei Sekunden auf den nächsten Typen zu stürzen, machen es Männern, die solche Dinge nicht mögen, oft echt schwer. Menschen werden nicht beim Namen genannt, sondern bei der sexuellen Orientierung. Es ist völlig normal sich vorzustellen und zu sagen: „Hey, freut mich dich kennenzulernen. Mein Name ist soundso, ich bin soundso alt und ich bin schwul.“ Aber dabei könnte man die letzte Information auch weglassen. Denn in meinen Augen hat sie keinerlei Relevanz, um eine Person kennenzulernen. Wenn du gerne Kaffee trinkst oder ein Lieblingsbuch hast, würdest du es auch nicht jedem sofort auf die Nase binden. Es ist ja auch nur eine Randinformation, die man erzählen kann, wenn man schön öfters mit einer Person geredet hat und es ändert im Endeffekt auch nicht die Wahrnehmung, die man von der Person hatte. Doch sobald der Satz fällt: „Ich bin schwul“ oder „Hey, ich steh übrigens nur auf Frauen“ ist alles gleich anders und du wirst von deinem Gegenüber ganz anders behandelt.
We all want Love
Auch in Sachen Dating und Liebe, spielen Labels immer noch eine große Rolle. Die Stigmata rund um Homosexualität geben einem oft das Gefühl sich auf einem Date oder in einer Beziehung den allgemeinen Vorstellungen anzupassen. Man beschäftigt sich mit Fragen wie „Bin ich aktiv oder passiv?“ „Bin ich die Frau oder der Mann in der Beziehung?“, die schon vor dem ersten Kennenlernen festgelegt werden müssen. Diese Schubladen geben mir dann das Gefühl, nicht als Mensch, sondern als Auswahlstück im Großangebot angesehen zu werden. Die Gesellschaft möchte es sich die Auswahl der Partner mithilfe von Labels einfach leichter machen. Doch wie viel lerne ich den anderen schließlich wirklich kennen, wenn ich mir im Vorfeld schon meine Vorlieben aussuche und einfach nur warte, bis meine Erwartungen von der anderen Person erfüllt werden?
Labels über Bord
Am Ende des Tages sollte jeder so leben, wie er möchte, doch dafür ist es auch wichtig andere zu akzeptieren und sie nicht mit Schildern zwanghaft in eine Ecke zu drängen. Denn wir können uns doch auch auf die Gemeinsamkeiten konzentrieren, anstatt ständig nach den Fehlern beim Anderen zu suchen und diese ändern zu wollen. Wir wollen alle nur jemanden finden, bei dem man Halt, Schutz und Geborgenheit findet. Und ob diese Person homosexuell oder heterosexuell ist, spielt keine Rolle. Ja, ich bin schwul, aber ich bin auch ehrlich, witzig und spontan – und das hat rein gar nichts mit meiner sexuellen Orientierung zu tun, sondern mit Charaktereigenschaften. Ich werde mich nicht von gesellschaftlichen Vorstellungen zu einer „perfekten“ Form pressen lassen, die einfacher zu akzeptieren ist oder leichter ins Gesamtkonzept passt. Gay ist mehr als nur ein Wort – es ist ein Label, um das ich nicht gebeten habe.