Warum die „Loch ist Loch“-Debatte viel mehr ist, als nur ein schlechter Witz
„Loch ist Loch“ – mit diesem frauenverachtenden Werbeslogan sorgte Lidl Deutschland Anfang der Woche für Aufregung. Für alle, die es nicht mitbekommen haben, die Supermarkt-Kette postete ein Foto eines Donuts und eines Bagels, darüber der Spruch „Loch ist Loch – schmecken beide“. Eine ziemlich sexistische Aussage, denn hinter diesen drei Wörtern steckt mehr, als einfach nur eine Anspielung auf die Löcher der Backwaren. Es geht um Frauen. Und um Sex. Und darum, dass es doch eigentlich völlig egal sei, mit welcher Frau man schläft, Hauptsache man hat Sex. Was uns jedoch noch viel trauriger macht, ist die Tatsache, dass viele das große Problem hinter dieser Aussage nicht sehen wollen oder scheinbar erst gar nicht verstehen…
Warum sieht denn keiner die Problematik hinter „Loch ist Loch“?!
Wir haben Anfang der Woche ebenfalls einen Artikel zu diesem Thema geschrieben und ihn auch auf Facebook gepostet. Die Reaktionen, die wir darauf bekommen haben, können wir allerdings immer noch kaum glauben. Erschreckend, wie viele die Problematik hinter diesem „scheinbar harmlosen“ Witz einfach nicht sehen (wollen). „Nehmt doch mal den Stock aus eurem Hintern“ oder „wo ist das frauenverachtend“ sind nur wenige der Kommentare unter dem Posting. Und für uns noch überraschender: Fast 90 Prozent der Kommentare, die die sexistische Werbung von Lidl auch noch unterstützen, kommen von Frauen.
Wir wollen euch die Reaktionen nicht vorenthalten, die bei uns heftige Kopfschmerzen ausgelöst haben:
- „Ich fühl mich nicht angegriffen, aber bitte ‚frauenverachtend’… Nehmt doch mal alle den Stock hinten raus, wirkt oft Wunder.“
- „Muss ich mich als Frau jetzt schlecht fühlen, wenn ich die Werbung super lustig finde? Hab anscheinend als Feministin versagt.“
- „Es regen sich nur die Weiber darüber auf, die scheinbar ein ausgeleiertes Loch haben. Sorry, aber wer sich darüber aufregt…weiter brauche ich da nichts zu sagen.“
- „Ich finds ja generell lustig, wie kreativ die Leute sein müssen, die sich da angegriffen fühlen, dass man aus dem Kontext schließt, dass damit unterschwellig der Verkehr mit einer Frau gemeint ist.“
- „Sorry, aber du bist wahrscheinlich auch eine, die gleich ‚me too‘ schreit, wenn sie ein nicht schön formuliertes Kompliment bekommt.“
- „Also wer da nicht an Essen denkt, der läuft nicht mehr ganz rund.“
- „Ich habe den Artikel jetzt mehrmals gelesen – wo zur Hölle ist bei dieser Werbung auch nur der kleinste Hauch von Sexismus?!“
- „Manche können aber auch überall etwas Sexistisches reininterpretieren. Warum hat sich eigentlich noch niemand über die Form der Banane aufgeregt?“
- „Warum? Ist die Bezeichnung ‚Loch‘ wirklich sexsistisch? Ich meine, ein Loch ist nun mal ein Loch. Und wer da in die ‚falsche‘ Richtung denkt, ist selber schuld und sollte sich gegebenfalls mal Gedanken über seine eigene Denkweise machen.“
- „Also das Einzige, woran ich bei der Werbung denke, ist was ich für nen Aufstrich rein machen könnt. Man kann echt alles falsch verstehen, wenn man will.“
- „Ein paar Damen, die sich über diesen Werbeslogan aufgeregt haben, machen selbst Werbung für Unterwäsche und stellen sich sehr exotisch dar (auf anderen Plattformen). Verstehe die Logik dahinter nicht?! Ist Dessous-Werbung dann nicht auch frauenfeindlich/sexistisch? Mal drüber nachdenken.“Sex sells“ist schon über einige Jahrzehnte Teil der Werbung. Sich darüber aufzuregen, kommt etwas spät. Wie einige schon meinten, einfach mal drüber lachen, oder die Produkte nicht kaufen! Es ist keine Frau zu sehen. Da gibt es ganz andere, wirklich frauenverachtende Werbungen!“
- „Es ist eher sexistisch und traurig, dass es so viele Leute gibt, die da gleich an Sex denken. Man kann sich da auch in etwas reinsteigern. Wenn man nix zu tun hat und einem langweilig ist, kann man bestimmt an jedem Spruch etwas Sexistisches finden.“
„Loch ist Loch“ – Warum diese Aussage tatsächlich ein Witz ist
Das Traurige: unter knapp 600 Kommentaren auf Facebook fanden wir lediglich drei Postings, die zumindest versucht haben, den Usern unter dem Artikel die Augen zu öffnen und sich gegen Lidl ausgesprochen haben. „Lacht alle darüber, so viel ihr mögt, aber tut nicht so, als sei der Mist nicht sexistisch!“ – Danke! Genau DAS haben wir uns auch gedacht. Menschen, die meinen, die Aussage „Loch ist Loch“ habe nichts mit Sexismus zu tun, und wer dabei an Sex denken würde, der habe eine ziemlich blühende Fantasie, haben wohl nicht gecheckt, dass dieser vermeintliche „Witz“ eigentlich nur durch seine sexistische Anspielung funktioniert. Wenn „Loch ist Loch“ auch einfach nur bedeuten würde, egal ob Donut-Loch oder Bagel-Loch, würde sich ja auch niemand darüber beschweren. Aber so ist es eben nicht. Dieser Witz war schon vor dem Donut und dem Bagel da, und das in einem völlig anderen Kontext. Und wir können garantieren, das wusste auch Lidl, als dieser Spruch über ihre Backwaren geschrieben wurde.
Hier geht es nicht darum, dass Menschen, die diese Aussage nicht lustig finden, keinen Humor hätten. Ganz im Gegenteil, denn die, die nicht lachen, haben das große Problem dahinter sehr wohl verstanden, und das ist alles andere als zum Lachen. Hier geht es darum, dass Menschen, die eben diese Aussage lustig finden und sie auch noch unterstützen, scheinbar Zeit ihres Lebens mit Scheuklappen durch die Welt gelaufen sind und ihre Augen vor der immer noch ziemlich präsenten Ungleichheit zwischen Männern und Frauen und der Tatsache, dass Frauen weiterhin als Sexobjekt dargestellt und auf Äußerlichkeiten reduziert werden, verschließen. Frauen kämpfen dafür, nicht mehr als Objekt dargestellt zu werden, als die eigenständigen Individuen, die sie sind, angesehen zu werden, die dieselben Rechte, gleiche Gehälter und Gleichberechtigung in allen Lebensbereichen verdient haben. Ja klar, in einem privaten Rahmen kann man durchaus mal über einen sexistischen Witz lachen, vor allem dann, wenn man weiß, dass das Gegenüber aufgeklärt und ebenso realistisch mit dem Thema umgeht, wie es nun mal ist. Aber Lidl ist ein großes Unternehmen, das eine Reichweite hat, mit der es verantwortungsvoll umgehen muss. Und dazu gehört eben auch ein aufgeklärter Umgang mit Marketing-Botschaften und sozialen Netzwerken. Es mag für viele kleinlich erscheinen. „Sind ja nur drei Wörter, ist ja nur ein Witz, seid doch nicht alle so spießig“. Aber es sind drei kleine Worte, die ein ziemliches Gewicht haben. Worte, die in Menschen Fantasien auslösen. Worte, die degradieren, verletzen und einfach nur herabwürdigend sind. Und das, das ist tatsächlich ein Witz.