Vorsätzlicher Mord von Richterin ausgeschlossen
Die Anklage hatte Pistorius vorgeworfen, seine Freundin Reeva Steenkamp vorsätzlich ermordet zu haben, als er im Februar 2013 durch eine geschlossene Badezimmertür schoss. Der einstige Paralympics-Star hat die Schüsse zwar nie bestritten. Er argumentiert aber, im Badezimmer einen Fremden vermutet und aus Panik vor dem vermeintlichen Einbrecher gehandelt zu haben.
Nach Auffassung der Richterin gibt es keinen Grund, an der Aussage des Angeklagten Oscar Pistorius zu zweifeln. Gleichwohl stehe fest, dass er gegen das Gesetz verstoßen habe, als er auf die Badezimmertür geschossen habe, hinter der sich in der Tatnacht seine Freundin aufhielt. Pistorius habe nicht wissen können, dass er jemanden tötet, sagte Masipa.
In Südafrika ist es üblich, dass ein Richter das Urteil erst am Ende seiner Ausführungen bekannt gibt. Masipa hatte am Donnerstagmorgen das Wort ergriffen. Im Prozess hatte sie sich nie anmerken lassen, zu welcher Entscheidung sie tendiert. Das Strafmaß dürfte die Richterin erst mehrere Wochen nach ihrem Urteil bekanntgeben.
Masipa hatte zudem die Aussagen einiger Zeugen als „unglaubwürdig“ bezeichnet. Diese könnten sich aus vielerlei Gründen getäuscht haben, sagte die Richterin am Donnerstag und bezog sich dabei auf Schüsse und Schreie, die einige Nachbarn in der Tatnacht gehört haben wollen.
Gleichwohl gebe es objektive technische Beweise für die zeitlichen Abläufe in der Tatnacht. So listete Masipa unter anderem die verzeichneten Anrufe bei Not- und Sicherheitsdiensten auf. Zudem listete die Richterin noch einmal die vier Anklagepunkte zusammengefasst. Neben dem vorsätzlichen Mord an seiner Freundin Reeva Steenkamp soll der Angeklagte mutmaßlich zweimal in der Öffentlichkeit eine Waffe abgefeuert haben.
So soll sich während eines Restaurant-Besuchs in Johannesburg im Jänner 2013 ein Schuss aus seiner Waffe gelöst haben, ein anderes Mal soll er im November 2012 aus einem Auto heraus geschossen haben. Zudem muss sich der 27-Jährige wegen des illegalen Besitzes von Munition vor dem Gericht in Pretoria verantworten. Dort hatte am Vormittag die Urteilsverkündung begonnen.
Des weiteren urteilt Richterin Masipa darüber, ob Pistorius seine Freundin Reeva Steenkamp absichtlich oder irrtümlich erschossen hat. Pistorius erschien im schwarzen Anzug im Gericht. Er wirkte ruhig, sah aber blass aus. Der Sprinter zeigte sich zunächst äußerlich unbewegt während der Urteilsverkündung. Steenkamps Eltern Barry and June blickten zu ihm hinüber. Mutter June Steenkamp hatte einen Strauß roter Rosen vor sich. Auch die Familie von Pistorius kam: Vater Henke, Schwester Aimee, Bruder Carl und Onkel Arnold. Carl sitzt wegen Verletzungen, die er sich kürzlich bei einem Autounfall zugezogen hat, derzeit im Rollstuhl. Zahlreiche Journalisten versammelten sich vor und im Gericht.
Der Prozess hat vor rund sechs Monaten begonnen. Die Staatsanwaltschaft wirft Pistorius Vorsatz vor. Die Verteidigung verlangte einen Freispruch und erklärte die tödlichen Schüsse seines Mandanten mit dessen Angststörung. Pistorius‘ überzogene Angst sei mit der hohen Kriminalitätsrate in Südafrika und der Behinderung des unterschenkelamputierten Angeklagten zu erklären.