Coronavirus Türkei: Riskante Strategie ohne Ausgangsbeschränkungen
Auch in der Türkei verbreitet sich die Coronavirus-Pandemie rasant. Doch während es in den meisten Ländern derzeit strenge Ausgangsbeschränkungen gibt, ist der türkische Präsident Erdogan gegen eine solche Maßnahme.
Weitreichende Ausgangssperren gibt es in der Türkei derzeit nicht.
Türkei: Erdogan verzichtet auf Ausgangsbeschränkungen
Laut offiziellen Angaben gibt es in der Türkei derzeit nur wenige tausend Coronavirus-Infektionen. Dennoch bereiten sich die Krankenhäuser bereits auf eine Flut an Patienten vor. Denn die Kurve der Neuinfektionen stieg in den vergangenen Tagen steil an. Offenbar gibt es in kaum einem Land derzeit so eine steile Wachstumskurve der Neuinfektionen. Doch dort gibt es bislang keine strengen Ausgangsbeschränkungen. Und das könnte große Folgen haben.
Wenige Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus
Das öffentliche Leben wurde zwar auch in der Türkei größtenteils stillgelegt. Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan setzt mit seiner Regierung vor allem auf Einschränkungen von internationalen und überregionalen Reisen. Außerdem sind Schulen, Universitäten und Parks geschlossen. Und auch Großveranstaltungen hat man abgesagt. Richtige Ausgangsbeschränkungen gibt es derzeit aber nicht. Lediglich die Risikogruppe der Bevölkerung ab 65 Jahren muss zu Hause bleiben. Alles andere basiert auf freiwilliger Basis zur Selbstisolation, wenn möglich.
Viele Türken befinden sich derzeit immer noch im Ausland. Man habe laut Angaben des türkischen Außenministers zwar bereits etwa 20.000 Bürger aus über 50 Staaten zurückgeholt. Doch wegen bereits geschlossener Grenzen sei es derzeit für viele nicht möglich, zurückzukehren.
Türkische Regierung diskutiert über weitere Maßnahmen
Zwar betont Erdogan, dass eine „freiwillige Quarantäne“ wichtig sei, strenge Regelungen dazu gibt es derzeit aber nicht. Unterdessen fordert etwa Ekrem Imamoglu, der Bürgermeister von Istanbul, eine Ausgangssperre. Er warnt davor, dass sich das Virus in der dicht besiedelten 15 Millionen Einwohner-Stadt viel zu rasch ausbreiten könnte, wenn es keine strengen Maßnahmen gibt. Offenbar diskutiert die türkische Regierung aber bereits über gesetzliche Quarantäne-Bestimmungen. Präsident Erdogan spricht sich allerdings dagegen aus. Vermutlich will er die bereits kriselnde Wirtschaft des Landes nicht weiter schwächen. Und sogar die politischen Gegner sind dieses Mal auf seiner Seite.
Wird die Türkei der neue Krisenherd?
Viele Experten sind sich angesichts der aktuellen Situation in der Türkei nun einig, das Land könnte der nächste Krisenherd der weltweiten Coronavirus-Pandemie werden. Zudem wird die mangelnde Transparenz der Regierung kritisiert. Denn es gäbe keine detaillierten Daten und fundierte Zahlen zu den aktuellen Coronavirus-Infektionen im Land.
Und auch im Land selbst wird die Krise offenbar heruntergespielt. Denn in der Türkei berichtet man von Hilfslieferungen nach Spanien und Italien. Medizinische Schutzkleidung sie in die beiden am stärksten in Europa betroffenen Länder geschickt worden. Man müsse sich in der Türkei keine Sorgen machen, so Erdogan. Denn man habe eine gute medizinische Infrastruktur. Laut der Regierung gibt es genügend Intensivbetten und Beatmungsgeräte.
Dennoch warnen internationale und auch nationale Experten vor der Coronavirus-Krise in der Türkei. Man habe bereits in Ländern wie den USA oder Italien gesehen, dass die dortige Situation zum größten Teil auch darauf zurückzuführen ist, dass nicht von Beginn an strenge Quarantäne-Maßnahmen durchgeführt wurden. Mediziner fürchten sich angesichts der wachsenden Kurve bereits vor einer Flut an Patienten. Und dann könnte auch das Gesundheitssystem in der Türkei an seine Grenzen gebracht werden.
Coronavirus-Infektionen in der Türkei
Die Zahl der Toten in der Türkei ist nach Angaben von Gesundheitsminister Fahrettin Koca um 63 auf 277 gestiegen, die bislang stärkste Zunahme. Es gebe 2148 neue bestätigte Fälle, insgesamt damit 15.679. Alle 81 Provinzen des Landes seien inzwischen betroffen, 60 Prozent der Fälle seien dabei in Istanbul nachgewiesen worden.
(Quelle: red/reuters)