Tschernobyl: So sieht es 35 Jahre nach der Katastrophe aus
35 Jahre ist es her, dass es im ukrainischen Atomkraftwerk Tschernobyl zur Nuklearkatastrophe kam. Das Reaktorunglück forderte tausende Tote und Verletzte. Zehntausende Menschen wurden umgesiedelt. Die Langzeitfolgen sind auch heute noch zu spüren.
Während die Natur die verlassene Stadt rund um das Kraftwerk zurückerobert hat, ist die Strahlung tief im Boden verankert, und das sogar in Österreich.
Sarkophag um das AKW Tschernobyl
Lange weckte die Ruine des AKWs Tschernobyl als graue Betonhülle Erinnerungen an Tausende Tote und Verletzte. Mittlerweile verdeckt eine glänzende Stahl-Schützhülle die Ruine des am 26. April 1986 explodierten Reaktorblocks. Das Konstrukt wurde 2016 als „New Safe Confinement“ über den alten Sarkophag eingeweiht. Es ist eines von mehreren Projekten, die zum Ziel haben, unter sicheren Bedingungen radioaktive Brennstoffe zu entfernen, radioaktiven Abfall zu verarbeiten und die gesamte Anlage in ein für die Ökologie ungefährliches technisches System umzuwandeln. Der erste, als „Sarkophag“ bezeichnete Schutzbau wurde kurz nach der Nuklearkatastrophe hektisch erbaut. Sogenannte Liquidatoren waren damals mit der Errichtung über dem zerstörten Reaktor beschäftigt. Wie viele Menschen dabei an den Folgen der Strahlung starben, ist nach wie vor umstritten.
700 Bewohner der Sperrzone
Nachdem die ersten der 44.000 Einwohner Prypjats 37 Stunden nach dem Unfall aus der Stadt geschafft worden waren, entschied die damalige Unionsregierung am 2. Mai 1986, das Gebiet mit einem Radius von circa 30 km um den Reaktor zu evakuieren. Dieses Gebiet gilt heute als Sperrzone. Doch während einige Dörfer in diesem Gebiet heute völlig verlassen sind, sind an einigen Orten Menschen illegalerweise zurück in ihre Häuser gekehrt. Etwa 700 Menschen leben heute in der Sperrzone. Sie werden mittlerweile vom Staat geduldet.
Sperrzone: Geisterstadt als Touristenattraktion und Heimat von Wildpferden
Laut ukrainischen Behörden wird das Gebiet rund um den Reaktor für etwa 24.000 Jahre nicht bewohnbar sein. Rund 50.000 Menschen wohnten zum Zeitpunkt der Katastrophe in der vier Kilometer vom Reaktor entfernten Stadt Prypjat. Heute gilt der 1970 im Zusammenhang mit dem Bau des Kraftwerks errichtete Ort als Geisterstadt. Sie liegt in der unbewohnbaren 30-Kilometer-Zone rund um das AKW. Unbelebt ist die Siedlung allerdings nicht. Immer wieder zieht es Touristen an den Ort der Katastrophe zurück. Mittlerweile schlängeln sich Pflanzen um die grauen Wohngebäude, den nie eröffneten Rummelplatz und die Schule der früheren Arbeiterstadt. In den letzten Jahren führte das zu romantischen Fotostrecken und Berichten darüber, dass die Natur die von Menschen verlassene Stadt erobere.
So gibt es etwa auch einen Anstieg an der Wildpferd-Population rund um Tschernobyl, da man in den 90ern rund 30 Przewalski-Pferde dort ausgesetzt hatte. Sie vermehren sich weiterhin. Das sei aber kein Beweis für die Gesundheit der Umwelt, wie Biologen wissen. Denn Langzeitbeobachtungen zeigen, dass es einen signifikanten Anstieg der Mortalität, vermehrtes Auftreten von Tumoren, eine verringerte Lebenserwartung, frühes Altern, Veränderungen im Blut und im Kreislaufsystem sowie Missbildungen unter den in der Sperrzone lebenden Tieren gibt.
Langzeitfolgen auch in Österreich spürbar
Die Folgen von Tschernobyl waren und sind aber nicht nur in dem Gebiet rund um das Atomkraftwerk zu spüren. Die Katastrophe von Tschernobyl setzte in den ersten zehn Tagen 200-mal so viel Radioaktivität frei, wie die Atombomben von Hiroshima und Nagasaki zusammen. „Die radioaktive Wolke verbreitete sich in der Folge über ganz Europa und speziell in Gegenden, in denen es in den Tagen nach dem Supergau geregnet hat, war die Belastung besonders hoch. Darunter auch weite Teile Österreichs“, schreib das Anti Atom Komitee anlässlich des 35. Jahrestags des Super-GAUs. „Auch nach 35 Jahren ist noch immer fast die Hälfte des Cäsium 137 in unseren Böden und belastet die Umwelt. Besonders Wildtiere und Pilze sind davon betroffen. Aber offensichtlich denkt heute fast niemand mehr daran, weil man es nicht sehen oder riechen kann, aber es ist da“, so Manfred Doppler von Anti Atom Komitee.
Schwarzer Pilz ernährt sich von Radioaktivität
Während Pilze auch hierzulande noch verstrahlt sein können, gedeiht ein Schimmelpilz der etwas anderen Art mitten im Reaktorblock 4, der 1986 explodierte. Forscher fanden dort einen schwarzen Pilz, der der Strahlung nicht nur trotzt, sondern sogar von ihr lebt. Durch seinen erhöhten Anteil des Pigments Melanin kann der Pilz Strahlung absorbieren und sie in chemische Energie umwandeln. Somit zersetzt der schwarze Pilz die radioaktive Strahlung.
Diese Erkenntnis machten sich übrigens auch die Astronauten der ISS letzten Sommer zunutze. Der Pilz „Cladosporium Sphaerospermum“ wurde für 30 Tage auf die Internationale Raumstation ISS geschickt, um zu testen, wie er Strahlung absorbieren kann. Die Forscher konnten nachweisen, dass er sich an die Schwerelosigkeit anpassen und von Strahlung „leben“ konnten. Er war auch in der Lage, einen Teil der einfallenden Strahlung zu blockieren und die Belastung um 2 Prozent zu senken.