Trauer kann man nicht überwinden: So gehst du am besten damit um
Tod, Trauer und Verlust sind Dinge, über viele Menschen nur ungern nachdenken. Vielen fällt es schwer, über den Tod zu sprechen oder damit umzugehen, wenn jemand, der einem nahe steht, stirbt. Für diese Fälle gibt es Beratungsstellen, die nicht nur Erwachsene, sondern auch Kinder bei ihrer Trauer unterstützen und an die man sich wenden kann, wenn man einfach nur mit jemanden sprechen möchte, um den Schmerz besser zu verarbeiten.
So bietet etwa die Kontaktstelle Trauer der Caritas Beratungsdienste Einzelgespräche oder auch den Austausch mit anderen betroffenen Menschen in der Gruppe an. Geleitet wird die Trauerbegleitungsstelle von Kathrin Unterhofer. Wir haben mit ihr über Trauer und ihre Arbeit mit trauernden Menschen gesprochen.
„Trauer ist ein natürlicher Prozess und eigentlich die Lösung für den Verlust“
Trauerbegleitung bedeutet Menschen dabei zu unterstützen bei einem Verlust einer nahestehenden Person besser damit fertig zu werden. Trauer ist ein natürlicher Prozess und wir sind alle damit ausgestattet, selbst mit dem Verlust eines Menschen umzugehen. Tod und Trauer gehört zum Leben dazu. Wer trauert, leidet nicht an einer psychischen Erkrankungen und benötigt grundsätzlich keine Therapie, sondern durchläuft eine natürliche Phase der Verarbeitung. Wenn aber noch andere Faktoren dazu kommen und jemand zum Beispiel bereits eine psychische Grunderkrankung hat, es vorher bereits depressive Phasen gab oder der Verlust besonders schwerwiegend war, kann es natürlich auch sein, dass Trauernde eine Therapie brauchen. „Dann muss man schauen, ob es mehr als eine Trauerbegleitung braucht und eventuell eine Weitervermittlung zu einem Therapeuten notwendig ist. Prinzipiell ist es gut, wenn man darüber Bescheid weiß, dass es Angebote gibt und nicht selber damit fertig werden muss, wenn man das nicht möchte. Es gibt Unterstützung und es kommt auch immer häufiger vor, dass Menschen sich diese Unterstützung holen“, so Kathrin Unterhofer.
Kathrin Unterhofer hat beobachtet, dass der offene Umgang mit Trauer und auch die Bereitschaft, sich von Außenstehenden in Form von professioneller Beratung Unterstützung zu holen, in den den vergangenen Jahren gestiegen ist. Das Thema Trauer bekommt in der Gesellschaft einen wichtigeren Stellenwert und auch der Tod oder das Thema Hospiz wird immer häufiger offen thematisiert. Ein guter und wichtiger Prozess, so Unterhofer, die es auch als ihren Auftrag sieht, mit dem Thema mehr an die Öffentlichkeit zu gehen.
Welche Arten von Trauer gibt es?
In der Literatur wird Trauer oft in verschiedene Phasen eingeteilt. Die Psychologin Verena Kast unterteilt diese Phasen in die Phase des Nicht-Wahrhaben-Wollens, aufbrechende Emotionen, die Phase des Suchen und sich Trennen und in die Phase des neuen Selbst-und Weltbezugs. Diese Phasen kann man allerdings nicht chronologisch einteilen und jeder durchlebt Trauer anders, so Unterhofer. „Menschen, die zu mir kommen, kennen diese Literatur oft und fragen dann nach, in welcher Phase sie sind. Dann sind sie manchmal enttäuscht, wenn es ihnen wieder ganz schlecht geht, obwohl es ihnen schon einmal besser gegangen ist. Jeder Mensch trauert sehr individuell, jedem hilft etwas anderes, darum ist es auch so wichtig, dass man keine Ratschläge gibt, weil das für manche überhaupt nicht passend sein kann.“ Die Arbeit von Kathrin Unterhofer bestehe eher darin, den trauernden Menschen zuzuhören sie dabei zu unterstützen ihren individuellen Trauerweg zu gehen. „Der Verlust und das Trauern an sich zehren sehr am Körper und an der Psyche. Oft hat man überhaupt keine Energie mehr. Wir ermutigen die Trauernden, wirklich gut auf sich zu schauen und das zu tun, was ihnen gut tut“, sagt sie.
Prinzipiell gibt es keinen klaren Verlauf von Trauer, denn jeder trauert unterschiedlich. „Es gibt zum Beispiel auch die Theorie des sogenannten „Trauerjahres“, das man durchleben ’soll oder muss‘, in dem man jeden Feiertag einmal ohne diesen Menschen verbracht hat. Das heißt aber nicht, dass die Trauer dann bei jedem nach diesem Jahr zu Ende oder besser ist. Natürlich beschreiben viele, dass es dann nicht mehr ganz so schwer ist, aber man kann nicht davon ausgehen, dass es nach einem Jahr „wieder gut“ ist. Das ist eben bei jedem anders.“
Auch die Art und Weise mit Trauer umzugehen, ist unterschiedlich
Trauer braucht viel Zeit. Während die einen offen darüber sprechen können und ihre Trauer zum Beispiel auch mit Weinen vor anderen zum Ausdruck bringen, gibt es auch Menschen, die lieber für sich alleine trauern und ihre Gefühle nur vor bestimmten Menschen zeigen können. Viele suchen oftmals zuerst den Rückzug und brauchen etwas Zeit für sich alleine, bevor sie dann darüber sprechen wollen.
Kathrin Unterhofer erzählt beispielsweise von einer Mutter, deren Mann und Vater ihres Sohnes kürzlich gestorben war. Sie holte sich Unterstützung in einer Trauergruppe der Beratungsstelle der Caritas Wien, die ihr viel geholfen habe und wollte deshalb, dass auch ihr Sohn dorthin kommt. Im Einzelgespräch mit dem Sohn stellte die Trauerbegleiterin aber schnell fest, dass er nur seiner Mutter zuliebe zur Beratung gekommen war. Er öffnete sich im Gespräch zwar, erzählte allerdings, dass er den Verlust seines Vaters lieber in dessen Werkstatt verarbeitet. So fühlt er sich seinem verstorbenen Papa nahe. Reden war für ihn, anders als bei seiner Mutter, einfach nicht wichtig.
Trauer braucht Raum und Zeit
Egal, welchen Weg Trauernde wählen, um den Verlust eines Menschen zu verarbeiten, es ist wichtig, ihnen genug Zeit und Raum zu geben, mit ihrer Trauer umzugehen. Wer sich für Trauerbegleitung entscheidet, kann entweder im Einzelgespräch über den Verlust sprechen (das nehmen Menschen häufig dann in Anspruch, wenn der Tod noch nicht lange zurück liegt) oder es in Trauergruppen versuchen, in denen man mit anderen Betroffenen sprechen kann. Bei der Kontaktstelle Trauer der Caritas Wien wird besonders darauf geachtet, dass diese Gruppen einen gemeinsamen Nenner haben, so Kathrin Unterhofer. „Das sind entweder junge Erwachsene, die einen Elternteil, Geschwister oder Freunde verloren haben, dann haben wir junge Menschen mit Partnerverlust, wo oft auch noch kleine Kinder da sind, eine Gruppe für Angehörige nach Suizid oder zum Beispiel eine Gruppe Eltern, die ein erwachsenes Kind verloren haben.“ Trauern geht nicht schnell und man muss den Menschen ihren eigenen Trauerweg gehen lassen. In der Trauerbegleitung geht es darum, diesen Weg mit den Trauernden mitzugehen, da zu sein und auch auszuhalten, dass die Menschen oft viel weinen, und starke Gefühle wie Wut oder auch Schuldgefühle da sein können. „Die Herausforderung – und ich glaube auch das Schwierigste an der Trauerbegleitung an sich ist – dass man eigentlich nichts tun kann. Man kann keine konkreten Schritte vorgeben, wie man am besten trauert, damit es schneller besser wird und man kann den Menschen auch nicht mehr zurückholen, aber man kann für diese Menschen da sein“, erzählt Kathrin Unterhofer.
Wie kann ich Freunden oder Verwandten helfen, die trauern?
Hat man trauernde Menschen in seinem Umfeld ist es wichtig, ihnen das Gefühl zu geben, für sie da zu sein und ihnen den Raum zum Trauern zu lassen. Sätze wie „Ich bin für dich da, ob du darüber sprechen willst oder nicht“, können gut tun und unterstützen. Es ist auch gut zu sagen, „ich halte das jetzt aus, wenn du eine Stunde weinst“, rät Unterhofer. Sie habe bereits die Erfahrung gemacht, dass das Umfeld oft nicht weiß, wie es mit den Trauernden umgehen soll. Anstatt auf sie zuzugehen, wird ihnen deshalb oft aus dem Weg gegangen. Doch das ist genau die falsche Richtung. Auch Ratschläge wie „Du musst loslassen und weiterleben“ bringen den Trauernden nichts. Stattdessen ist es wichtig, ihnen Freiraum zu geben, sie trauern zu lassen aber auch aktiv auf sie zuzugehen und Hilfe und Unterstützung anzubieten. Statt „ruf mich an wenn du willst“ zu sagen, ist es besser, konkrete Zeitpunkte festzulegen: „Okay, ich merke du willst deine Ruhe, kein Problem, ich ruf dich in zwei Tagen wieder an, ist das okay für dich?“, hilft oft mehr. Und auch die Trauernden sollten keine Scheu davor haben, ihrem Umfeld mitzuteilen, wie es ihnen tatsächlich geht. „Wir ermutigen die Trauernden, auf die Freunde oder Angehörigen zuzugehen und ihnen konkret zu sagen ‚momentan geht’s mir noch so schlecht, dass ich nicht mitgehen kann, aber bitte frag mich in zwei bis drei Wochen wieder. Es kann sein, dass ich dann möchte, aber von selbst nicht die Kraft nicht aufbringen kann.'“
„Trauer kann man nicht überwinden“
Wie „schnell“, „gut“ oder „schlecht“ man mit Trauer umgeht, kommt natürlich auch immer darauf an, in welcher Lebensphase man einen Menschen verliert, so die Trauerbegleiterin. Verlust und Trauer sind individuell und werden von jedem anders wahrgenommen und verarbeitet. Was dabei helfen kann, ist die Möglichkeit, sich von dem verstorbenen Menschen verabschieden zu können, wenn man den Leichnam zum Beispiel nochmal sehen oder sogar berühren kann. Das kann dabei helfen, den Tod eines Menschen zu akzeptieren. Menschen, die jemanden verloren haben, der verschollen ist, können beispielsweise schlechter mit dem Verlust umgehen, weil es für unser für unser Gehirn viel schwieriger ist, nachzuvollziehen, dass dieser Mensch wirklich nicht mehr kommt. „Überwinden kann man Trauer aber nie“, so Unterhofer, „es bleibt immer ein Rest“.