Toxischer Arbeitsplatz? Nickelodeon-Serienmacher nimmt in erstem Interview Stellung zu Vorwürfen
In der neuen Dokuserie „Quiet on Set“ wurden einige schwere Vorwürfe und Anschuldigungen gegen den Kinder-TV-Sender Nickelodeon erhoben. Auch gegen Serienmacher Dan Schneider gibt es Vorwürfe.
In einem ersten Interview bezieht er zu diesen jetzt Stellung.
Nickelodeon steht in der Kritik
Die Situationen, die die Dokureihe „Quiet on Set“ schildert, haben mit dem glamourösen Leben im Kids-TV, das wir uns wohl alle früher ausgemalt haben, wirklich nichts zu tun. Denn die Anschuldigungen, die die Reihe gegen den Sender und einige Mitarbeiter:innen erhebt, sind schwerwiegend. Im Fokus der Anschuldigungen steht dabei wieder und wieder Serienmacher Dan Schneider. Er war für Erfolge wie „iCarly“, „Drake & Josh“ oder „Die Amanda Show“ verantwortlich; seine Arbeitsweise war für viele jedoch offenbar alles andere als angemessen.
So berichten Ex-Mitarbeiter:innen etwa von Wutausbrüchen, die der Showrunner gehabt haben soll, unangenehmen Mutproben, die sie machen sollten und Witzen, die in die Serien aufgenommen wurden, obwohl sie alles andere als kinderfreundlich waren. Stattdessen, so behauptet es die Dokureihe, spielten die Autor:innen ganz bewusst mit der ein oder anderen Doppeldeutung; auch, wenn das sogar die Stars der Shows in Verlegenheit gebracht hat. In der Dokureihe geht es etwa um eine Szene in „Zoey 101“. In dieser wird Hauptdarstellerin Jamie Lee Spears essbarer Glibber ins Gesicht gespritzt. Für Alexa Nikolas – die damals ebenfalls am Set arbeitete – war das schon als Kind eine unnagenehme Situation. Sie erinnert sich nämlich, dass die Jungs am Set schon damals wussten „Das ist ein Cum-Shot“.
Dan Schneider spricht über Vorwürfe
Durch Aussagen von Cast und Crew zeichnet sich ein Bild von Dan Schneider, der sich auch nicht davor sträubte, minderjährige Darsteller:innen fertig zu machen, sie klein zu halten oder ihren Alltag am Set mit einem toxischen Arbeitsklima zu gestalten. Vorwürfe, zu denen Schneider jetzt Stellung bezieht. In einem Interview, das exklusiv von „The Hollywood Reporter“ geteilt wurde und unter anderem auf dem Youtube-Kanal von Schneider gepostet wurde, äußert er sich jetzt zu den Anschuldigungen. Das Gespräch ist dabei nicht mit einem Journalisten, sondern mit dem „iCarly“-Darsteller BooG!e. Darin entschuldigt Schneider sich unter anderem für einige der Witze in den Shows, betont jedoch: „Jeder dieser Witze wurde für ein Kinderpublikum geschrieben, weil Kinder dachten, sie seien lustig und nur lustig,“ Heute sehe er ein, dass einige von ihnen unpassend seien und erklärt: „Lasst uns diese Witze aus der Show herausschneiden.“
„Es war falsch, das zu tun.“
Auch für die Tatsache, dass er Mitarbeiter:innen am Set gebeten hatte, sie zu massieren, entschuldigt sich der Showrunner rückblickend. „Es war falsch, es war falsch, dass ich jemals jemanden in diese Lage gebracht habe. Es war falsch, das zu tun. Ich würde es heute nie wieder tun. Es ist mir peinlich, dass ich es damals getan habe. Ich entschuldige mich bei jedem, den ich jemals in diese Situation gebracht habe“, so Schneider.
Ein Großteil des Interviews wird jedoch einer der wohl einschneidendsten Enthüllungen der Dokureihe gewidmet. Denn Drake Bell – den viele wohl aus der Nickelodeon-Serie „Drake & Josh“ kennen, erzählte in der Dokureihe, dass er als Jugendlicher von einem Dialog-Coach am Set – Brian Peck – sexuell misshandelt wurde. Bell klagte sogar gegen den Coach, der zu 16 Monaten Haft verurteilt wurde. „Als Drake und ich uns unterhielten und er mir erzählte, was passiert war, war ich mehr am Boden zerstört als alles andere, was mir in meiner bisherigen Karriere widerfahren ist. Und ich sagte ihm: ‚Ich bin für dich da'“, so Schneider in dem Interview.
Nickelodeon-Serienmacher entschuldigt sich
Er selbst steht zwar nicht mit dem Missbrauch in Verbindung, in der Dokumentation kam jedoch die Kritik auf, dass Peck überhaupt einen Job bei Nickelodeon bekam. Doch Schneider betont: mit der Anstellung hatte er nichts zu tun! Schneider habe allerdings versucht, Peck und seine Mutter bei dem Prozess zu unterstützen und erklärte in dem Interview, dass er der Mutter sogar bei ihrer Rede für den Richter half. Eine Phase, die er als „wahrscheinlich dunkelste Zeit meiner Karriere“ bezeichnet.
Abschließend erklärt der Showrunner auch: „Es gibt definitiv Dinge, die ich anders machen würde. Das Wichtigste, was ich ändern würde, ist, wie ich mit den Leuten umgehe. Ich habe den Leuten definitiv manchmal nicht das Beste von mir gegeben, ich habe nicht genug Geduld gezeigt. Ich konnte übermütig sein und definitiv zu ehrgeizig, und manchmal einfach nur unhöflich und unausstehlich, und es tut mir leid, dass ich das jemals war.“
Kritik an Dan Schneider hält an
Schneider will also die Anschuldigungen entkräftigen und sich für einige Situationen entschuldigen. Online wird diese Entschuldigung jedoch nur teilweise angenommen. Denn viele betonen: dafür ist es zu spät. „Warum geben wir ihm eine Plattform?“, fragt etwa eine Userin. Viele betonen: Das Interview ist für den Nickelodeon- Showrunner ein PR-Move, bei dem er seine Seite zeigen kann, ohne dafür Konsequenzen zu tragen oder direkt Nachfragen beantworten zu müssen. Vor allem deshalb, weil das Gespräch mit einem seiner ehemaligen Mitarbeiter ist. Und im Gegensatz zu den zahlreichen Menschen, die in der Dokureihe offen gesprochen haben, dürfte dieser kein Problem mit Schneider haben. Denn wieder und wieder zeigt sich in dem Gespräch: Schneider bekommt eine Plattform; Nachfragen oder kritische Anmerkungen gibt es keine.
„Das ist erbärmlich […] Er wird von einem Mann interviewt, den er zuvor angestellt hat“, kritisiert ein User online. Dieser „Bias“ des Interviews wird von vielen weiteren hervorgehoben. Sie wünschten sich stattdessen, Schneider hätte sich einem „richtigen“ Interview gestellt und die Fragen von kritischen Journalist:innen beantwortet. So, sind sich viele sicher, hätte das Gespräch nämlich einen ganz anderen Lauf genommen. Stattdessen bekam er jedoch die Chance, sich selbst zu inszenieren, behaupten einige.
Das zeigt sich auch mit Blick auf das Interview. Denn die Kommentare bei dem Youtube-Video sind deaktiviert. Kritik findet sich also ausschließlich in den Sozialen Medien und unter Reposts.