Tabuthema Frauengesundheit: Was Endometriose wirklich bedeutet
Das weibliche Geschlecht übernimmt nicht nur den Großteil unbezahlter Arbeit in unserem Wirtschaftssystem, ohne Frauen würde die Menschheit einfach Aussterben. Dennoch wird dem Thema Frauengesundheit viel zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt.
Endometriose betrifft etwa vier bis 12 Prozent der Frauen zwischen Pubertät und Wechseljahren. Genaue Angaben zur Häufigkeit gibt es nicht. Gynäkologische Erkrankungen sind nämlich noch immer ein Tabuthema. Vielleicht ist das auch der Grund, warum Patientinnen nach der Diagnose oftmals mit einem großen Fragezeichen alleine gelassen werden. Rita Hofmeister möchte mit ihrem Buch „Endometriose: Ein Selbsthilfebuch“ Antworten und Anregungen geben.
Ein Leben mit Endometriose
Mit 25 Jahren geht Rita Hofmeister wegen starker Regelschmerzen zum Arzt. Dieser diagnostiziert sofort „Endometriose“. Sie hat Glück, denn normalerweise dauert es Jahre, wenn nicht Jahrzehnte, bis Frauen, die an dieser chronischen Erkrankung leiden, eine Diagnose erhalten. Wie bei so vielen typische „Frauenkrankheiten“ weiß die Schulmedizin nur wenig über die Ursachen und den Verlauf von Endometriose. Tatsache ist, dass dabei der Gebärmutterschleimhaut ähnliches Gewebe außerhalb der Gebärmutter wächst. Das geschieht etwa im kleinen Becken, den Eierstöcken, den Eileitern, der Blase den Harnleitern, dem Darm oder am Bauchfell. Und das kann bei Patientinnen (in sehr seltenen Fällen auch Patienten) Schmerzen auslösen.
Doch Rita hatte auch Pech. Denn mit der Diagnose kam die Überforderung. Sie konnte nichts mit dem Begriff anfangen, wusste nicht, was die Diagnose überhaupt bedeutet und was man dagegen tun kann. „Ich habe gefragt, wie es weitergeht und der Arzt hat mir erklärt, dass ich mich operieren lassen kann, aber damit rechnen muss, dass ich ohne Gebärmutter oder mit einem künstlichen Darmausgang aufwache. Das war für mich wie ein Schlag ins Gesicht“, erklärt Rita. Die Vorstellung eines künstlichen Darmausgangs war für sie so abschreckend, dass sie weitere zwei Jahre lang mit ihren Schmerzen lebte und so tat, als würde ihr nichts fehlen. Sie nahm Schmerzmittel, denn sie musste einmal im Monat zwei Tage lang mit schlimmen Schmerzen rechnen. Doch an eine OP und an einen künstlichen Darmausgang wollte sie nicht denken. „Ich wollte mich nicht damit beschäftigen, weil dieser Gedanke war so schlimm für mich.“ Doch irgendwann wurden die Schmerzen schlimmer und schließlich begrenzten sie sich auch nicht mehr auf zwei Tage. „Ich hatte dann schon fünf Tage vor der Regel Krämpfe, hatte Probleme mit der Verdauung, hatte permanent Verstopfung und schließlich hatte ich auch zehn Tage nach der Regel Kreuzschmerzen, die ich nicht richtig zuordnen konnte“, erklärt Rita.
„Die OP war der Startschuss dafür, dass ich langsam angefangen habe, mein Leben zu verändern“
Schließlich entscheidet sich Rita für eine OP. In Absprache mit einem anderen Arzt lässt sie eine Bauchspiegelung machen. Er muss ihr aber versprechen, dass Rita keinen künstlichen Darmausgang bekommt. Dies hält er auch ein. Nach der OP wacht die Patientin mit einem Bauchschnitt auf und einem fehlenden Stück Darm ohne künstlichen Ausgang. „Die OP war der Startschuss dafür, dass ich langsam angefangen habe, mein Leben zu verändern.“
Nach ihrer OP 2006 fängt Rita an, sich bei der Endometriose Vereinigung Austria (EVA) zu engagieren. Fast zehn Jahre wird sie dort sogar Obfrau sein. Fast ein Jahr nach ihrer Operation geht sie nach Indien, um dort für drei Monate eine Yoga-Lehrer-Ausbildung zu machen. 2012 bekommt sie wieder Beschwerden. Es sind keine typischen Endometriose-Beschwerden. Durch eine Kollegin kommt sie zum Impulsströmen. „Durch dieses ‚Hände irgendwohin legen, habe ich gemerkt wie sich das positiv auf meinen Körper auswirkte“, erklärt Rita.
Beschwerden durch OP
Doch vor ein paar Jahren kommt es wieder zu Bauchschmerzen und Kreuzweh. Durch die OP 2006 hat sich an der Naht im Darm ein Abszess gebildet. 2019 unterzieht sich Rita einer weiteren Operation. Auch nach dieser kommt es zu Beschwerden. Sie findet für sich selbst heraus, was sie braucht, damit es ihr besser geht. „Das hat viel mit meinem Selbstverständnis als Frau zu tun“, erklärt sie. Sie arbeitet also an ihrer mentalen Gesundheit, lässt sich aber erneut operieren. Nun hat sie das, was sie mit Mitte 20 unbedingt verhindern wollte: Einen künstlichen Darmausgang, noch ist nicht klar für wie lange. Ein Problem hat sie damit aber nicht mehr. Jetzt, nach jahrelanger Auseinandersetzung mit ihrem seelischen und körperlichen Wohlbefinden, wirkt sie glücklich.
Ihren Lebensweg mit Endometriose hat Rita Hofmeister in einem Selbsthilfebuch niedergeschrieben. „Ich sage immer ‚Ich hatte Endometriose‘, obwohl sie ja nicht heilbar ist.“ Denn Endometriose-Beschwerden hat sie nicht mehr. Mit ihrem Buch gibt sie anderen Patientinnen genau das, was sie selbst nicht hatte: Eine Aufklärung über die Krankheit und einen Ansatz, um Endometriose-Beschwerden zu lindern. Auch wenn sie der Schulmedizin dankbar ist, hat sie in den letzten Jahren gespürt, dass diese gerade bei Endometriose an ihre Grenzen stößt. „Ich würde mir wünschen, dass man auch in der Schulmedizin nicht nur im Körper die Ursachen von Krankheiten gesucht werden. Denn oft führen auch äußere Belastungen dazu, dass wir auf eine Art leben, die nicht gesund ist.“