„Es gibt wirklich genug heimische Superfoods, die aber nicht ganz so cool klingen“
Wirklich gesund oder doch nur Marketing? Superfoods sind in aller Munde: Diese exotischen Lebensmittel, die sich angeblich gut auf die Gesundheit auswirken, sind der Renner im Supermarkt und werden von Bloggerinnen oft überschwänglich gefeiert. Kein Wunder, dass der Handel längst auf Chiasamen, Kokosöl, Quinoa & Co. setzt – teils zu aberwitzigen Preisen. Doch nun gibt es mehr und mehr kritische Stimmen. Kokosöl beispielsweise kann sich wegen des hohen Anteils an gesättigten Fettsäuren ungünstig auf die Blutfettwerte auswirken. Außerdem ist die Klimabilanz der Superfoods ungünstig: Um die rasant steigende Nachfrage in westlichen Ländern zu befriedigen, werden mit enormem Energie- und Arbeitsaufwand neue Plantagen hochgezogen.
miss hat mit Ernährungsexpertin Alexandra Hofer, Ernährungswissenschafterin bei der Österreichischen Gesellschaft für Ernährung, über Superfoods und gesunde Alternativen aus der Heimat gesprochen.
miss: Sagt der Begriff Superfoods überhaupt etwas über die Vorteile für die Gesundheit aus?
Alexandra Hofer: Es gibt keine rechtlich bindende Definition für Superfoods, es ist also ein reiner Marketingbegriff. Im Prinzip könnte jedes besonders nährstoffreiche Lebensmittel so bezeichnet und dann teuer verkauft werden. Konsumenten dürfen jedoch nicht in die Irre geführt werden und das Produkt muss sicher und richtig gekennzeichnet sein.
Es kursieren Studien, laut denen Superfoods tolle Eigenschaften wie Gewichtsreduktion oder sogar Heilung bei schweren Erkrankungen haben. Was ist da dran?
Hofer: Es gibt zwar je nach Produkt einige kleine Studien, die gesundheitsfördernde Effekte zeigen. Doch die Resultate sind als wissenschaftlicher Beleg für die angebliche ernährungsphysiologische Bedeutung vieler als Superfoods propagierte Lebensmittel häufig nicht ausreichend.
Nehmen wir zum Beispiel die populären Gojibeeren, die ja besonders toll wirken sollen.
Hofer: Es gibt keine zuverlässige Evidenz für gesundheitsfördernde Effekte der Gojibeeren wie stärkere Immunabwehr oder sogar Schutz vor Krebs.
Über die ökologischen Auswirkungen von Superfoods wurde ja schon diskutiert. Worauf sollten wir beim Kauf achten?
Hofer: Wir müssen uns im Klaren darüber sein, dass Superfoods zum Teil für ökologische Probleme in den Herkunftsländern verantwortlich sind und die Arbeitsbedingungen der Bauern oft ausgesprochen schlecht sind. Heimische Superfoods, vorzugsweise aus biologischer Produktion, sind zudem meist weniger mit unerwünschten Rückständen wie Mineralölen und Pestiziden belastet.
Ständig kommen ja neue Superfoods heraus, worauf sollten Käuferinnen achten?
Hofer: Auf die Nährstoffzusammensetzung und den Bedarf. Also zum Beispiel auf den Gehalt an Zuckern, Fett und Salz. Es sollte darauf geachtet werden, ob es überhaupt realistisch ist, mit verzehrsüblichen Portionsgrößen auf einen relevanten Nährstoffgehalt zu kommen.
Gibt es nicht auch heimische Lebensmittel, die der Gesundheit zuträglich sind, zum Beispiel Leinöl?
Hofer: Ja, das ist ein gutes Beispiel. Um den täglichen Bedarf an Omega-3-Fettsäuren zu decken, genügt bereit ein Esslöffel Leinöl. Die Alpha-Linolensäure darin wirkt entzündungshemmend und verbessert die Fließeigenschaften des Blutes.
Also bräuchten wir eigentlich gar keine Superfoods, um uns gesund zu ernähren?
Hofer: Es gibt lokale Alternativen zu globalen Superfoods – zum Beispiel eben das erwähnte Leinöl und Leinsamen als Ersatz von Chiasamen und Chiaöl. Oder Hagebutten, Sanddorn und Grünkohl als Alternative zu Gojibeeren. Statt Quinoa könnten wir zu Hirse greifen, statt Hanfsamen könnten wir Haferflocken nehmen. Sekundäre Pflanzenstoffe finden sich ja auch in den heimischen Alternativen, zum Beispiel Phenolsäuren in frisch geerntetem Obst und Gemüse oder Flavonoide in Gemüsesorten wie Rotkraut, roten Kirschen und Brokkoli. Es gibt also wirklich genug heimische Superfoods, die halt jetzt nicht ganz so cool und modern klingen.
Sollten wir auf Superfoods also ganz verzichten?
Hofer: Nein, natürlich nicht. Sie können Abwechslung auf den Speiseplan bringen und uns zu einer bewussteren Ernährung motivieren. Aber wissenschaftliche Studien zeigen, dass auch heimisches Gemüse, Obst, Samen, Nüsse und Vollkornprodukte zu einer solchen nachhaltigen Ernährung gehören. Wir sollten vollwertig und vielfältig essen, statt nur auf eine Handvoll angeblicher Superfoods zu vertrauen. Die Versprechen, mit denen dafür teilweise geworben wird, sind wirklich sehr kritisch zu betrachten.
Alexandra Hofer, Ernährungswissenschafterin bei der Österreichischen Gesellschaft für Ernährung
Zusatz-Info
Was sind Superfoods?
Es handelt sich um einen Marketingbegriff für (meist pflanzliche) Lebensmittel, die angeblich einen besonderen gesundheitlichen Nutzen haben. Populär sind unter anderem Chiasamen, Gojibeeren, Quinoa, Kokosnuss und Noni.