Spuk in Bly Manor: Wieso Horror so viel mehr als nur gruselig ist
Der Herbst mit seinen kühlen Temperaturen und seinem grauen Schleier aus Nebelschwarten ist einfach die ideale Zeit, um sich auf die Couch zu kuscheln und Horrorfilme zu schauen. Auswahl gibt es genug, beispielsweise die Anthologie-Serie „The Haunting“ von Mike Flanagan. Seit wenigen Tagen kann man hiervon die zweite Staffel „The Haunting of Bly Manor“, zu Deutsch „Spuk in Bly Manor“, streamen.
Und diese ist zwar nicht so „gruselig“ wie ihre Vorgänger-Staffel, aber auf jeden Fall sehenswert. Vor allem, weil sie uns beibringt, dass Horror nicht unbedingt immer gruselig sein muss.
Die Faszination mit Angst und Schrecken
Gibt es einen angsteinflößenderen Ort als unser Unterbewusstsein? Als Kind starrten wir stundenlang wie gelähmt auf das Monster vor unserem Bett. Tagsüber war es vielleicht einfach nur eine Jacke über einem Stuhl, aber in der Nacht verwandelte es die giftige Mischung aus Dunkelheit und Fantasie in ein atmendes Wesen aus der Unterwelt. Diese pure Angst, die wir als Kinder verspüren, tritt mit dem Alter nicht mehr so häufig auf. Und auch, wenn wir froh darüber sind, nicht mehr beim bloßen Anblick eines Schattens in eine schweißgebadete Starre zu verfallen, sehnen sich viele von uns hin und wieder nach diesem puren, lähmenden Horror.
Und von dieser dunklen Sehnsucht lebt das Horror-Genre. Filme wie „Psycho“ oder „Conjuring“ haben ganze Generationen geprägt. Die Faszination mit Angst und Schrecken scheint weit verbreitet zu sein. Doch viel zu oft enttäuschen Horror-Filme. Es fehlt der Horror. Viele versuchen mit unzähligen Schreckmomenten und angsteinflößenden, oftmals billigen Klischees wie Monstern und Geistern zu punkten. Eine Mischung, die meist aber vor allem langweilt. Andere wiederum versuchen uns auf der psychologischen Ebene zu erschrecken und setzen auf die Dämonen der Realität, wie psychische Erkrankungen. Mike Flanagan aber hat 2018 mit der Netflix-Serie „Spuk in Hill House“ auf etwas ganz anderes gesetzt: Er hat Geister im eigentlichen Sinn mit Geistern als Metapher für die Dämonen unserer Vergangenheit und Gegenwart verbunden und daraus ein schweres, gruseliges und trauriges Spinnennetz gesponnen, das sich noch Wochen nach dem Streamen über die Zuseher legte.
„Spuk in Bly Manor“: Der Horror von toxischen Beziehungen
Nach dem langen Horror-Hangover von „Spuk in Hill House“ war es für viele Fans eine Freude, dass Mike Flanagan eine zweite Staffel plante. Und nun ist sie endlich veröffentlicht. Inhaltlich hat „Spuk in Bly Manor“ nichts mit der ersten Staffel zu tun. Lediglich ein paar bekannte Schauspieler aus Hill House sind wieder zurück. Und auch die Art und Weise, wie Flanagan Geister ganz unbemerkt in die Szenen einbaut, lässt die Serie auch in der zweiten Staffel hier und da zu einem unterhaltsam-gruseligen Suchbild werden.
Genauso gruselig wie in Hill House, geht es in Bly Manor aber nicht zu. Die zweite Runde von Flanagan hat weniger Geister-Momente, die einem den kalten Schauer über den Rücken laufen lassen. Auf Schreckmomente wartet man meist vergeblich. Dennoch ist die zweite Staffel der „The Haunting“-Anthologie ein Meisterwerk des Horror-Genres. Ähnlich wie auch bei Hill House verbindet man die Tragik des Lebens mit dem Horror des Todes. Die Geister, die Bly Manor heimsuchen sind noch subtiler als jene in Hill House. Gruselig ist ihr Spuk während weiten Teilen der Serie eigentlich überhaupt nicht, auch wenn viele von ihnen ihre Gesichter verloren haben. Der Horror in dem britischen Herrenhaus ist dennoch ebenso stark wie in Hill House. Die Geister sind gefangen, nicht nur im Haus, sondern in ihrem eigenen, unterbewussten Gefängnis. Sie befinden sich im Tod wie im Leben in toxischen Beziehungen, können weder die Liebe noch das Leben wirklich loslassen und sind gezwungen in Erinnerungen zu leben, die sich Tag für Tag wiederholen. Eine markerschütternde Metapher für ein Leben, das von Angst und Abhängigkeit bestimmt wird. Wirklich gruselig ist „Spuk in Bly Manor“ also nicht. Viel schlimmer: Die Horror-Serie ist realistisch.