So fühlt es sich an die Geliebte zu sein
Theresa ist verliebt, dementsprechend glücklich. Zumindest meistens, so erklärt sie es mir. Denn ihre Beziehung ist keine, die einfach ist – ganz im Gegenteil. Sie hat Gefühle für einen Mann, der verlobt ist. Aber er empfindet das selbe für sie, zumindest sagt er das. Und Theresa glaubt ihm, weil sie sich nicht vorstellen kann, dass die Momente, die sie vertraut miteinander verbringen, gespielt sind.
Aber die Abende, an denen sie alleine ist und er bei ihr, da kommen viele Zweifel auf. Vielleicht fehlt ihm nur der Sex in seiner Beziehung, den er durch die Affäre mit ihr kompensiert. Vielleicht ist auch die Aufmerksamkeit, die er durch Theresa bekommt. Die Bestätigung, die er schon seit langer Zeit nicht mehr erlebt hat. Aber, so erzählt sie mir, sind all diese Gedanken sofort verschwunden, wenn er sie in dem Arm nimmt und ihr ein weiteres, mittlerweile unzähliges Mal erklärt: Irgendwann, da werde ich sie verlassen und dann bist du die Frau an meiner Seite. Lass mir nur Zeit – ein bisschen noch.
Sie wollte nie die Geliebte sein, bis sie keine andere Wahl hatte
Als sie sich kennenlernten, erzählte er ihr nicht, dass er bereits vergeben ist. Er erwähnte die andere Frau erst dann, als sie sich bereits öfters getroffen hatten. Theresa erinnert sich, dass die Anfangsphase eine der schönsten Wochen waren, die sie je erlebt hatte. Sie hatte das Gefühl, dass sie richtig verliebt ist und, dass er es auch war. Als sie jedoch bei ihm übernachten wollte, weil sie ständig nur bei ihr waren, meinte er, dass das nicht ginge. Sie wunderte sich und fragte nach. Darauf hin meinte er, er lebe mit einer anderen Frau zusammen – seiner Verlobten.
„Das hat mich damals ziemlich hart getroffen. Da hab ich erst gemerkt, wie gern ich ihn wirklich hatte. Auch wenn ich enttäuscht von ihm war, trauerte ich viel mehr um die Zeit, die wir nicht mehr miteinander haben könnten, wenn ich ihn verlasse. Dass ich ihn nie wieder sehen werde, das Gefühl, das ich bei ihm bekomme, nicht mehr habe. “
In dieser Nacht haben sie stundenlang nur darüber geredet. Beziehungsweise, so meint Theresa, hat hauptsächlich er gesprochen und versucht zu erklären, wie er sich in diese Situation begeben konnte. Also hörte sie zu, versuchte ihn zu verstehen und ihm wenigstens eine Chance zu geben. Theresa weiß, so sagt sie mir, wie das klingt. Und sie weiß auch, wenn sie nicht so verliebt wäre, dann hätte sie ihm niemals so viel durchgehen lassen. Aber die Liebe ändert Dinge, sagt sie. Sie macht abhängig und sie verzeiht viel mehr, als man eigentlich möchte. Wenn ihr früher jemand gesagt hätte, dass sie sich jemals in solch einer Situation befinden wird, hätte sie gelacht. Sie doch nicht, dachte sie. Jeder, aber nicht sie. Doch dann traf sie ihn und hörte seinen Standpunkt an. Und je länger sie ihm zuhörte, desto mehr Sinn ergab es, was er sagte. Sie begann ihn zu verstehen und dachte sogar, dass sie wahrscheinlich ähnlich gehandelt hätte. Und schon lagen sie sich wieder im Arm, küssten sich und das Gefühl der Geborgenheit, das sie nur durch ihn kannte, war wieder da.
Warum verlässt er sie nicht einfach?
Einer der ersten Fragen, die sich Theresa stellte, war, warum er sie nicht einfach verlässt. Wenn er sie wirklich lieben würde, dann würde er das tun. Also fragte sie auch ihn, aber er meinte nur, dass das alles nicht so einfach sei. Dass er seine Verlobte nicht mehr lieben würde, aber sie dennoch schätzt. Und, dass sie ihm wichtig ist. Er möchte nicht, dass sie verletzt wird und dass Theresa das doch irgendwo verstehen muss. Und ja, tut sie, aber auf der anderen Seite meinte sie, dass dadurch jemand anderes verletzt wird: Sie selbst.
Wenn sie darüber reden, was häufig vorkommt, dann sagt er ihr, dass er sie verlassen wird. Dass es nicht mehr so lange dauert, bis er es machen wird. Aber auch, dass andere Umstände sich damit auch verändern werden und dass das eben ein großer Schritt ist. Immerhin wohnen sie zusammen, seine Eltern rechnen mit einer Hochzeit und was ist dann eigentlich mit dem Hund, den sie gemeinsam haben.
Theresa versteht das, irgendwie. Aber eigentlich fragt sie sich auch, was sie glauben soll. „Ich kann einfach nicht einsehen, warum ich mit dem Menschen, den ich liebe, solche Gespräche führen muss. Und ich weiß auch nicht immer, ob ich ihm glauben kann. Wenn wir zusammen sind, dann vertraue ich ihm und glaube jedes Wort. Einzig und allein, weil es sich so vertraut anfühlt. Wenn ich aber nicht bei ihm bin, kommen Zweifel. Mich interessiert mittlerweile nicht mehr, warum er sie nicht verlässt. Ich will nur, dass er es tut. Und ich frage mich, worauf er wartet, bis er es macht.
Wer ist denn eigentlich die dritte Person – Theresa oder sie?
Am meisten nervt es sie, dass es immer nur darum geht, wie schlimm die Situation für ihn ist. Was Theresa empfindet, das wird selten besprochen. Theresa glaubt, das lege daran, weil er genau weiß, wie sehr sie leidet. Dass er es nicht aushalten würde, wenn sie es ihm oftmals erzählen würde, wie sie sich fühlt. Die Male, in denen sie weinend zu Hause sitzt während er auf einem Wochenendtrip mit der anderen Frau ist.
Aber stimmt das überhaupt, ist sie die andere Frau? Ich habe Theresa gefragt, aber sie hat nur den Kopf geschüttelt. Diese Frage würde sie sich schon lange nicht mehr stellen, meinte sie, aber wenn sie es tun würde, dann wäre die Antwort klar: „Für mich fühlt es sich so an, als wären er und ich in einer normalen Beziehung. Wir sehen uns regelmäßig, er sagt, dass er mich liebt, tut Dinge für mich und hebt ab, wenn ich ihn anrufe. Das einzige, was anders ist, ist, dass es eine andere Frau auch gibt. Aber ich kenne sie nicht. Und für mich ist sie die dritte Person, die stört. Der Mensch, der meiner Beziehung ein Dorn im Auge ist – ein Eindringling.“
Wo ist das Vertrauen, wenn es eigentlich keines mehr gibt?
Ich wage Theresa zu fragen, ob sie ihm überhaupt noch vertrauen kann, wenn er sie doch lange Zeit angelogen hat. Eine richtige Antwort darauf habe sie nicht. Sie meint nur, dass sie sich selbst vertraut. Dass sie auf ihr eigenes Gefühl hört, das ihr sagt, er wird sich von der anderen Frau trennen. Denn mehr habe sie nicht. Nur den Glauben, dass es passieren wird. Und die Hoffnung, dass sie sich nicht in die lange Liste der Frauen einreihen muss, die zu blind vor Liebe waren um zu sehen, dass ihr Gegenüber ihr etwas vorgespielt hat. Theresa weiß nur, dass sie ihn liebt und, dass sie alles machen würde, um daran fest zu halten. Auch wenn das bedeutet, dass sie warten muss – immer noch.