Sind Nagelstudios unsere neue Therapy Sessions?
Ist euch auch aufgefallen, dass in eurem Umfeld immer mehr Menschen regelmäßig Nagelstudios besuchen? Oder gehört ihr vielleicht selbst dazu? Dann stellt euch mal folgende Frage: macht ihr das, weil ihr eure Nägel pflegen wollt? Weil ihr die neusten Insta-Trends ausprobieren wollt? Oder steckt da vielleicht doch etwas Tiefgründigeres dahinter?
Dem sind wir auf die Spur gegangen.
Eine trendige Teufelsspirale
Professionell gemachte Nägel gehören für viele mittlerweile schon zum Leben dazu, genauso wie der Besuch im Friseursalon. Nur, dass der Rhythmus des Nägelmachens weitaus enger getaktet ist. Aber woher kommt dieser Trend, der uns zwar dazu bringt, auf die Erscheinung unserer Nägel zu achten, uns aber auch massig Geld aus der Tasche zieht? Die Antwort dürfte wohl niemanden überraschen, denn natürlich können da nur Social Media dahinterstecken.
Ein gehypter Nageltrend hier, ein Celebrity dort (wir sehen dich an, Hailey Bieber) und schon sind unsere Insta- und Tiktok-Feeds voller Nail-Inspos, die wir natürlich asap umsetzen wollen. So schnell kann man gar nicht schauen, befindet man sich inmitten einer – zugegeben ziemlich cuten – Teufelsspirale. Denn wir alle wissen: fängt man erst damit an, ist es super schwer, auch wieder zu cleanen Nägeln zurückzukehren.
Steckt mehr hinter unseren Besuchen in Nagelstudios?
Das bringt uns auch schon zu unserem Punkt: wir, die miss-Redaktion, haben beobachtet, dass immer mehr unserer Freundinnen und Kolleginnen obsessed mit Nageldesigns sind. Da wir aber glauben, dass mehr hinter der kreativen Nailart und gepflegten Nägeln steckt, haben wir mal nachgeforscht und wollten ganz genau wissen, wieso, weshalb, warum. miss-Mitarbeiterin Marjana hat sich Rede und Antwort gestellt und verraten, was ein Besuch im Nagelstudio für sie bedeutet.
„Für mich ist es so, als würde ich mir einen To-go-Kaffee gönnen. Ein kleiner Luxus den ich mir alle drei bis vier Wochen genehmigen kann. Es gehört zu Selfcare dazu, genauso wie Sport machen, zum Friseur gehen, eine Gesichtsmaske auftragen. Man möchte einfach das Beste aus sich herausholen.“ Absolut verständlich. Aber geht das nicht ganz schön aufs Geldbörserl? Laut Marjana: ja! Denn sie gibt monatlich eine ordentliche Summe für die perfekten Nägel aus. „Mein Budget ist eigentlich um die 60 Euro. Ich möchte aber jedes Mal etwas Neues probieren und experimentieren. Deshalb kommt es schon mal vor, dass ich es ein kleines bisschen sprengen muss und schlussendlich sind es dann 80 bis 90 Euro.“
Aufs Jahr aufgerechnet wären das dann tatsächlich um die 900 und bis 1.000 Euro, die alleine nur in die Nägel fließen. Für Marjana sehr wohl eine schockierende Tatsache. Ans Aufhören denkt sie aber keineswegs: „Ich sehe es als eine Investition in mich.“ Und mal ehrlich: Personen, die Rauchen, hält man auch immer wieder vor, dass sie Unsummen (ca. 3.000 Euro im Jahr) für Glimmstängel ausgeben – und dabei sprechen wir von ganz anderen (möglicherweise sogar tödlichen) Auswirkungen.
Trauma-Dumping und Gossip-Time
Neben dem Selfcare-Aspekt sind Besuche in Nagelstudios für viele auch Seelen-Wellness. Immerhin hat man etwa eine Stunde Zeit – je nach Nageldesign vielleicht sogar mehr -, um über sämtliche Themen, die einen im Alltag so beschäftigen, so richtig abzulästern. Oder anders ausgedrückt: der perfekte Zeitpunkt für Trauma-Dumping! „Meistens reicht es dabei schon, wenn ich einfach von meinen Problemen erzähle und wir gemeinsam gossipen“, verrät uns Nail-Addict Marjana. Dabei betont sie: „Ich brauche keinen Rat. Wenn ich mich in solchen Situationen öffne, will ich einfach nur meinen angestauten Ballast loswerden. Ich will Sätze hören, wie ‚Ich verstehe, dass dich das aufregt‘ und dann weiter ranten.“
Einer Studie zufolge, die im Fachmagazin Frontiers in Psychology veröffentlicht wurde, ist es mittlerweile sogar bewiesen, dass eine Maniküre einen entspannenden Effekt auf die Psyche haben kann. Eigentlich logisch, immerhin sind wir der Person, die unsere Nägel trimmt, schleift und lackiert, SEHR nahe. Verspürt man dann auch noch einen vertrauenswürdigen Vibe, dann sprudeln unsere dunkelsten Geheimnisse und intimsten Gedanken nur so aus uns heraus. Nicht selten passiert es also, dass Nailartist gleichzeitig Therapeuten, Gynäkologen und beste Freunde in einem sind. Schließlich kommen wir gerne mal vom Hundertsten ins Tausenste und plaudern über zerrüttete Familienverhältnisse, die Tatsache, dass sich unsere Periode verdächtig lange Zeit lässt und Outfit-Ideen, die wir beim nächsten Polterabend tragen könnten.
Und genau das, diese Kombination aus Selfcare und mentalem Wellbeing, macht den Hype rund um Nagelstudios vielleicht auch zu dem, was er ist. Der Trend supportet uns dabei, uns hübsch zu fühlen, unsere wildesten Nailart-Fantasien auszuleben und wirkt ganz nebenbei auch noch befreiend auf die Seele. Wir fühlen uns empowered und gleichzeitig leichter. Was kann daran verkehrt sein? Eben, rein gar nichts. Und jetzt entschuldigt uns bitte, wir brauchen noch Inspo für unseren nächsten Termin …