Russland: Werbung mit lesbischem Paar erntet homophoben Shitstorm
Erstmals hat sich ein Unternehmen aus Russland öffentlich LGBTQ-freundlich präsentiert und ein lesbisches Paar in einem Werbespot gezeigt. Doch kurz darauf folgte ein homophober Shitstorm vom russischen Volk und ein Boykott, der vom Kreml unterstützt wurde.
Inzwischen ruderte das Unternehmen zurück und entschuldigte sich für die öffentliche Darstellung von Homosexualität.
Russische Werbung mit lesbischem Paar
Dass wir im 21. Jahrhundert leben, könnte man bei dieser Meldung glatt vergessen. Gerade erst feierten wir den „Pride Month“ und konnten weltweit miterleben, wie die LGBTQ-Community auf die Straßen zog und bei den „Pride“-Paraden für Gleichberechtigung und Akzeptanz kämpfte. Doch in Russland ist diese Botschaft noch nicht angekommen. Nur ein Beispiel dafür ist ein neuer Skandal, nachdem ein russisches Unternehmen sich öffentlich als LGBTQ-freundlich gezeigt hatte.
Die russische Supermarktkette Vkusville wollte bei einer Werbekampagne mit dem Titel „Geheimnisse des Familienglücks“ zeigen, wie unterschiedlich die Personen sind, die bei ihnen einkaufen. Dafür porträtierten sie einige Familien und fragten sie nach deren Lebensgewohnheiten. Neben „klassischen“ Familienbildern, wurde auch eine Mutter, die mit ihrer Lebenspartnerin zusammenwohnt, interviewt. „Familie ist nur Blutsbande oder ein Stempel im Pass? Lassen Sie uns dies überdenken. Im 21. Jahrhundert sind es vor allem Menschen, die uns lieben, die uns immer beschützen werden, Menschen, mit denen wir gemeinsam durchs Leben gehen“, heißt es in dem Videoclip. Eine der Frauen meldet sich auch auf Instagram zu Wort. „Heute hat Vkusville Material mit unserer Teilnahme gepostet, und ich bin erstaunt, wie viel Unterstützung ich dort gesehen habe“, schreibt sie. „‚Andere sind gar nicht so anders“, fügt sie noch hinzu. Doch die Freude währte nicht lange. Denn was wie ein erster Schritt in Richtung Diversität und Akzeptanz wirkt, wurde allerdings sofort wieder im Keim erstickt.
Homophobie in Russland: Shitstorm gegen Werbespot
Innerhalb kürzester Zeit kam ein enormer Shitstorm auf die lesbischen Frauen zu. In hasserfüllten Kommentaren in den sozialen Medien, verglichen User Homosexualität mit Pädophilie und Sodomie. Unter anderem soll ihnen angedroht worden sein, die „Familie abzuschlachten“. Aber auch das Unternehmen hatte mit diesen homophoben Aussagen von der russischen Bevölkerung zu kämpfen. Viele riefen auch zum Boykott gegen das Unternehmen auf.
Nur kurze Zeit, nachdem der Werbeclip veröffentlicht wurde, meldete sich auch der Kreml zu Wort. Obwohl das Video nicht gegen die russische Gesetzgebung, die seit 2013 „Homosexuellenpropaganda“ gegenüber Minderjährigen verbietet, verstößt, übte er heftige Kritik. Laut Kreml ist der Kampf für Gleichberechtigung ein Versuch des Westens, die „traditionellen russischen Werte“ von Familie, Vaterlandsliebe und Gehorsam zu untergraben. So ist es wenig verwunderlich, dass auch die Chefredakteurin des Kreml-Senders RT, Margarita Simonjan, sich für den Boykott aufspricht. Sie habe nichts gegen Vkusville und interessiere sich auch nicht für das Privatleben von Homosexuellen, „aber einkaufen werde ich bei Vkusville nicht mehr“. Homosexualität sei zwar nicht verboten, aber sie gehöre nicht in die Öffentlichkeit.
Unternehmen rudert zurück und entschuldigt sich
Nach vier Tagen heftiger Kritik, Drohungen und Boykott, knickte das Unternehmen ein. Die Supermarktkette löschte unter dem Druck die Werbeanzeige mit dem lesbischen Paar und ersetzte sie durch eine Entschuldigung. Auf der Website von Vkusville ist jetzt folgendes Statement zu lesen: „Der Beitrag hat die Gefühle einer großen Zahl unserer Käufer, Mitarbeiter, Partner und Zulieferer verletzt. Wir bedauern, dass es so gekommen ist und halten die Veröffentlichung für einen Fehler, der infolge der Unprofessionalität einzelner Mitarbeiter zustande gekommen ist“.
All jene, die die Supermarktkette für ihren Mut feierten, sind enttäuscht über das Statement. So kritisierte Publizist Wiktor Schenderowitsch das Unternehmen. Den Managern habe weder die Todesstrafe noch der totale Geschäftsverlust gedroht. Doch die mangelnde Bereitschaft, für seine Werte einzustehen, führe zum Faschismus, warnt er in seinem Blog.