Der neue Disney-Pixar-Film „Rot“ zeigt eine Teenagerin und ihren holprigen Weg zum Erwachsenwerden. Dass dabei auch die erste Periode thematisiert wird, geht einigen besorgten Eltern für einen Animationsfilm aber zu weit.

Dabei braucht es gerade diese Themen in Kinderfilmen.

Die Periode ist tabu!

Wie wurdet ihr über die Periode aufgeklärt? War es ein ehrliches Gespräch mit eurer Mutter, die euch darauf vorbereiten wollte? Ein Teil des Aufklärungsunterrichts, bei dem euch Binden und Tampons präsentiert wurden? Oder kam die erste Monatsblutung doch überraschend und ihr dachtet für einen Augenblick, dass ihr todkrank seid?

Zur ersten Periode hat wohl jeder seine eigene kleine (Horror-) Geschichte. In Filmen wird darüber aber nur extrem selten aufgeklärt – und schon gar nicht in Animationsfilmen. Keine Disneyprinzessin macht kurz einen Zwischenstopp in der Drogerie, um sich noch Tampons zu kaufen und als Cinderella ihr wunderschönes Ballkleid anzieht, sorgt sie sich keine Sekunde lang um mögliche Blutungen. Kurz gesagt: Die Periode ist tabu!

Tja, zumindest bis jetzt. Denn der Animationsfilm „Rot“ thematisiert erstmals die Monatsblutung; und das auf eine wirklich zuckersüße Art und Weise. Denn in dem Film geht es um die 13-jährige Mei, die unter dauerhaftem Druck steht. Sie will ihrer strengen chinesischen Mutter alles Recht machen, immer gute Noten schreiben und gleichzeitig ein Sozialleben mit ihren besten Freundinnen haben.

„Rot“ zeigt so die Schwierigkeiten einer chinesisch-kanadischen Familie und den Stolpersteinen, die gerade die jüngere Generation erleben kann, wenn sie versucht, alte Traditionen mit dem modernen Leben zu vereinen. Als der Druck für Mei dann zu viel wird, wacht sie als gigantischer roter Panda auf – eine Art Fluch, der über ihrer Familie lastet und seit Generationen weitergetragen wird.

Rot Mei Film
Bild: 2022 Disney/Pixar. All Rights Reserved.

„Rot“: Animationsfilm zeigt Binden und bespricht erste Monatsblutung

Doch als Mei einen Nervenzusammenbruch erleidet und ins Bad verschwindet, glaubt ihre Mutter nicht sofort, dass der Panda-Fluch ihre Tochter getroffen hat, sondern ein viel natürlicherer „Fluch“. Sie klopft an die Badezimmertüre und fragt ihre Tochter zaghaft „Hat die rote Pfingstrose geblüht?“. Eine Formulierung, die wir – ganz nebenbei – deutlich besser finden als „Madame Blut“, die „Erdbeerwoche“ oder jede andere Bezeichnung, die wir in unseren Teenagerjahren hören mussten.

Was folgt ist ein rührender kleiner Aufklärungsunterricht über die erste Periode – inklusive Starterpaket mit Ibuprofen, Wärmeflasche, Vitamin B und jede Menge Binden für wirklich jede Situation. Schließlich beruhigt die Mutter ihre Tochter und betont, wie normal ihre Situation ist, bevor ans Licht kommt, dass es um eine ganz andere rote Entwicklung in ihrem Leben geht.

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„Rot“: Eltern nennen Kinderfilm „verstörend“

Doch was in dem Animationsfilm nur wenige Szenen lang behandelt wird, ist für einige Eltern ein regelrechter Skandal. Online führt das Thema nämlich zu einem Shitstorm. Eltern beschweren sich, dass das Thema Periode in einem Kinderfilm („Rot“ ist ab sechs Jahren freigegeben) unpassend ist.

So schreibt eine Twitter-Userin etwa „Warum schreiben wir einen Film über den Menstruationszyklus von Frauen und bewerben ihn als Panda-Film? Einen Film über die vorpubertäre Entdeckung der Sexualität durch Kinder zu drehen, ist sehr verstörend.“ Andere ärgern sich, dass der Film dadurch nur Mädchen anspreche und Jungs ihn dennoch versehentlich schauen, weil sie einen Panda-Film erwarten. In den Sozialen Medien kommen einige Eltern zu dem Schluss: Der Film ist viel zu sexualisiert und erwachsen für Kinder.

Disney und Pixar haben deutlich Schlimmeres gezeigt

Bei all der Aufregung stellen wir uns ja schon die Frage: Haben diese Eltern die früheren Disney- und Pixar-Filme verpasst. Denn die Studios sind bekannt dafür, auch die extremsten Szenen des Lebens in animierter Form zu zeigen. Hier opfern Frauen ihre Stimmen für einen Mann, den sie nicht kennen, verlieben sich in ihren Kidnapper (der ganz nebenbei bemerkt ein Biest ist) und verlieren ständig ihre Eltern auf brutalste Weise. Wir erinnern an Mufasas schockierenden Tod in „Der König der Löwen“!

Ganz ehrlich: Claude Frollo aus „Der Glöckner von Notre Dame“ und seine Besessenheit von Esmeralda sind deutlich schockierender als eine Packung Binden; und wenn wir uns entscheiden müssen, ob Sid aus „Toy Story“ oder die erste Periode uns mehr Angst machen, ist die Antwort klar (und nein, wir haben Sids unheimliche Folter-Aktionen bis heute nicht verkraftet – auch wenn es mittlerweile 27 Jahre her ist!).

Im Vergleich dazu ist das Thema Menstruation doch absolut harmlos; und macht den Film ganz nebenbei auch zu etwas ganz besonderem! Denn eben diese Unterhaltung über die erste Menstruation zeigt, dass Pixar und Disney nach jahrzehntelangen Prinzessinnen-Klischees sich endlich trauen zu zeigen, wie Teenager und Kinder sich wirklich benehmen und was alles zum Erwachsenwerden dazugehört.

Die Periode ist total normal – und sollte endlich auch so gezeigt werden

Denn Mei ist eine 13-Jährige, wie sie fast jeder kennt (oder selber einmal war). Sie ist verrückt nach einer Boyband, schwärmt für den jungen Kassierer ihres Supermarktes und feiert kleine Rebellionen gegen ihre Mutter. Im Gegensatz zu den alten Animationsklassikern, in denen das Ziel einer jungen Frau immer war, einen Mann zu bekommen, geht es hier um Freundschaften, erste harmlose Crushes und Selbstfindung. Teenagerhormone und die erste Periode gehören da einfach dazu!

„Rot“ betont in jeder Sekunde Spielzeit, wie wichtig es als Teenager ist, gute Freundinnen um sich zu haben und ein Support System, auf das man vertrauen kann. Der Film zeigt unverblümt, wie schwierig das Erwachsenwerden manchmal ist und wie Streitigkeiten mit der Familie manchmal unvermeidbar sind.

Rot Disney Pixar Film
Bild: 2022 Disney/Pixar. All Rights Reserved.

Dabei wird die erste Monatsblutung als einer von vielen Schritten thematisiert, die vollkommen normal sind und zum Leben dazugehören. Etwas, wofür man sich absolut nicht schämen muss. Und genau diese Botschaft ist unglaublich wichtig; auch für Jungs! Denn diese sollten genauso wissen, was die Menstruation ist. Das könnte ihnen im Erwachsenenalter einige Bildungslücken ersparen!

Es braucht Charaktere, mit denen wir uns identifizieren

Auch, wenn man heutzutage so gut wie jede Information online finden kann und es YouTube-Tutorials für wirklich alles gibt, braucht es auch in Filmen dieses Zeichen der Bestätigung. Denn besonders bei Animationsfilmen sollte doch das Ziel sein, dass man sich in den Geschichten wiederentdeckt. Wir sollten uns mit den Charakteren identifizieren, ihre Geschichten verstehen und vielleicht auch etwas daraus lernen. Und genau das schafft „Rot“!

Der Film gibt einem 100 Minuten lang das Gefühl, dass auch die peinlichsten Teenie-Eskapaden vollkommen in Ordnung sind und einfach dazugehören. Immer wieder erwischt man sich dabei, zu sagen „Oh Gott, das hab ich auch gemacht!“ oder „Jap, so gings mir auch“. Und so schön und lustig das als Erwachsener ist, so wichtig ist das für Teenager. Denn wenn wir ganz ehrlich sind: Diese Bestätigung hätten wir früher deutlich öfters gebraucht. Und die Zahlen verdeutlichen das; denn „Rot“ feiert auf Disney+ derzeit enorme Streaming-Erfolge!