Nach Kritik von Schauspielerin: Sind wir wirklich zu alt für „Harry Potter“?
Die „Harry Potter“-Fans sind in Aufruhr. Denn nachdem einer der Stars des Films betont hat, dass die erwachsenen Fans über das Franchise hinwegkommen sollten, fragen sich viele: Sind wir denn wirklich schon zu alt, um die magische Welt zu genießen?
Gibt es denn eine Altersgrenze, um ein Fan zu sein?
„Harry Potter“-Star erklärt: Fans sollten über das Franchise hinwegkommen
Eigentlich gehört Miriam Margolyes zu den beliebtesten Schauspieler:innen des „Harry Potter“-Casts. Denn die 82-jährige Britin ist bekannt dafür, kein Blatt vor den Mund zu nehmen und auch vor laufender Kamera über alles von altersbedingter Inkontinenz bis hin zu Masturbation zu sprechen. Miriam bricht gerne Tabus. Doch eben diese offene Art der Schauspielerin wird für Fans jetzt zu einer Herausforderung. Denn im Gespräch mit dem Sender „1 News“ nimmt sie jetzt auch kein Blatt vor den Mund, wenn es um die „Harry Potter“-Fans geht. Sie betont, dass sie sich Sorgen um „Harry Potter“-Fans mache. Der Grund: „Sie sollten mittlerweile darüber hinweg sein“, meint Miriam. „Ich meine, es ist 25 Jahre her, und es ist für Kinder.“
Die Schauspielerin scheint also eine ganz klare Meinung zu haben. Erwachsenen, die sich immer noch als Fans von „Harry Potter“ bezeichnen, kann sie nichts abgewinnen. Menschen, die die eigene Hochzeit etwa unter ein „Harry Potter“-Motto stellen, findet sie einfach nur bizarr. Wenn sie von solchen Aktionen hört, ist ihre Reaktion dementsprechend irritiert. „Meine Güte, wie wird wohl der erste Abend aussehen, an dem sie sich amüsieren werden? Das kann ich mir wirklich nicht ausmalen“, so Miriam.
Sind wir zu alt für „Harry Potter“?
Es sind Worte, die in der „Harry Potter“-Fancommunity für Aufregung sorgen. Denn wer sich durch die entsprechenden Hashtags in den Sozialen Medien scrollt, merkt schnell: Viele, die Content über „Harry Potter“ machen, sind schon lange keine Kinder mehr. Ganz im Gegenteil. Für viele Millennials ist die magische Welt einer der wichtigsten nostalgischen Zufluchtsorte, den sie online teilen wollen. Die Potterheads teilen dieses Fangefühl dann mit Merchandise, Cosplay oder dem Schreiben von Fan Fiction; Aktivitäten, die Miriam mit ihrem Interview jetzt ja eigentlich alle kritisch betrachtet.
Und das gefällt den Potterheads natürlich ganz und gar nicht. Online beschweren sich deshalb viele und kritisieren die Aussagen der 82-Jährigen. Schließlich seien die Bücher und Filme ein Teil ihrer Kindheit, den sie auch heute noch aufleben lassen möchten – und der eine wichtige Funktion in ihrem Leben hat. „Wir finden tatsächlich neue Freunde und Gemeinschaften durch Fandoms, warum sollte das jemals etwas Schlechtes sein?“, schreibt etwa ein User auf Tiktok. Und auch andere betonen: das Fansein hilft ihnen, Kontakte zu knüpfen und Smalltalk zu führen; ganz besonders mit Blick auf „Harry Potter“.
„Ich bin noch nicht darüber hinweg, also halte ich meine Zauberstäbe bereit!“
Doch es kommt noch ein anderer Aspekt hinzu. Denn viele betonen: sie wollen sich das Fansein von so etwas Banalem wie dem Alter nicht wegnehmen lassen. „Der einzige Sinn des Lebens besteht darin, es zu genießen. ‚Harry Potter‘ ist für so viele Menschen eine Freude. Ich verstehe den Hass nicht“, schreibt etwa eine Userin. Andere betonen, dass sie die Bücher und Filme als Erwachsene noch einmal mit ganz anderen Augen gesehen und verstanden haben – und auch deshalb davon überzeugt sind, dass sie sie ein Leben lang begleiten werden. Dazu kommt natürlich noch, dass sich das Fansein im Alter in einem großen Aspekt verändert: Man hat im Idealfall ein deutlich größeres Budget, um sich Merchandise zu kaufen. „Wir haben jetzt das Geld! Ich bin noch nicht darüber hinweg, also halte ich meine Zauberstäbe bereit“, schreibt ein Fan online. Und die Rückkehr zu dem altbekannten Fandom ist schließlich auch nicht von irgendwo hergeholt. Schließlich betonte schon J.K. Rowling – die Autorin der „Harry Potter“-Bücher: „Hogwarts wird immer da sein, um dich willkommen zu heißen.“ Eben dieses Angebot nehmen viele Millennials eben besonders ernst.
Dieser Wunsch, die Highlights der Kindheit nicht hinter sich zu lassen, sondern auch als Erwachsene:r weiterzuverfolgen, beschränkt sich dabei längst nicht nur auf „Harry Potter“. Seien es die „Disney Adults“, die erwachsenen „Swifties“ oder die Harry Styles Fans, die insgeheim immer noch auf die große One Direction Reunion hoffen: die Dinge aus der Jugend zu feiern, ist online nichts Peinliches, sondern wird gerade auf Social Media in den unterschiedlichsten Facetten zelebriert. Vor allem Frauen betonen online unter Schlagwörtern wie „Girlhood“, wie schön sie es finden, dass es derzeit „in“ ist, das Erwachsenwerden ein bisschen hinten anzustellen.
Manchmal wollen wir einfach in die Kindheit flüchten
Und für viele hat die Welt von „Harry Potter“ wohl den gleichen Effekt. Es ist eine Form von Eskapismus und Ablenkung in einem Alltag, der von Stress, Druck und Deadlines geprägt ist. Und ganz ehrlich: hin und wieder wollen wir doch alle mal zurück in unsere eigene Kindheit flüchten; die alten Disney-Klassiker einschalten und zumindest für einen Augenblick vergessen, wie viele Rechnungen wir bezahlen müssen. Die harte Realität holt uns doch ohnehin schnell genug wieder ein. „Potterheads“ tun mit ihrem Fansein schließlich auch niemandem weh – sie zelebrieren einfach ein Franchise, das ihnen viel bedeutet.
Sie sorgen dadurch ganz nebenbei auch dafür, dass Schauspieler:innen wie Miriam Margolyes weiterhin relevant und gefragt sind und eine anhaltende Fancommunity haben. Man denke nur an Auftritte bei Comic Cons oder bezahlte Videonachrichten über Plattformen wie Cameo (die Miriam übrigens nutzt). Ohne erwachsene Fans (mit dem richtigen Budget) würden so einige Stars keine großen (und vermutlich gut bezahlten) Auftritte bei Conventions haben.
Abschließend kann man eigentlich nur eines hervorheben: so lange es den Potterheads Spaß macht, sie eine positive Community haben und mit ihrem Fansein niemandem Schaden – warum sollte man sich dann Sorgen um sie machen? Oder – um es mit den Worten der „Girlhood“-Verfechterin Taylor Swift zu sagen: „Die schlimmste Art von Mensch ist jemand, der jemandem das Gefühl gibt, schlecht, dumm oder blöd zu sein, weil man sich für etwas begeistert.“ Zugegeben, das war vielleicht nicht Miriams Absicht; dennoch sollten wir uns vielleicht alle ein bisschen mehr bemühen, die (harmlosen) Faszinationen und Begeisterungen unserer Mitmenschen nicht gleich schlechtreden zu wollen. So; und falls ihr uns sucht: Wir basteln an unserem „Harry Potter“-Legoset weiter!