Kulturelle Aneignung: Schweizer Band muss Konzert abbrechen, weil weiße Bandmitglieder Locs tragen
Kulturelle Aneignung oder kulturelle Wertschätzung – wo liegt die Grenze? Diese Frage steht derzeit wieder im Fokus zahlreicher Online-Diskussionen. Der Grund: Eine Band in der Schweiz musste ihren Auftritt bei einem Konzertabend abbrechen, weil zwei der weißen Bandmitglieder Locs tragen.
Auch die Band hat sich jetzt zu dem Vorfall geäußert.
Band muss Konzert abbrechen! Der Grund: Kulturelle Aneignung
Cultural Appropriation (beziehungsweise kulturelle Aneignung) ist ein Begriff, der immer wieder in den Schlagzeilen ist. Meist, weil Stars wie Kim Kardashian sich Looks und Styles von Schwarzen Frauen oder der POC Community aneignen, ohne der Community dafür den gebührenden Credit zu geben.
Denn Cultural Appropriation bezeichnet genau jene Problematik, wenn sich die (weiße) Mehrheitsgesellschaft Trends, Looks und die Kultur von Minderheiten aneignet. „Wenn sich die weiße Mehrheitsgesellschaft etwas aneignet, ohne es zu hinterfragen, ohne den kulturellen Background zu kennen und ohne ihre privilegierte Perspektive zu bedenken, dann ist das schwierig“, erklärte auch die Influencerin Christl Clear im Interview mit miss.
Und eben so einen Fall der kulturellen Aneignung beklagten jetzt einige Menschen bei einem Konzertabend in der Schweiz. Denn in einem Lokal in Bern trat die Band „Lauwarm“ spontan als Vertretung für eine andere Band auf. Lauwarm ist eine Gruppe weißer Männer, die Reggae-Musik in Mundart machen. Zwei der Bandmitglieder tragen Locs – also eine Frisur, die ihre Ursprünge in der POC-Community hat. Und genau das schien einige Menschen bei dem Konzertabend zu stören.
Denn wie die Location nachträglich berichtet, folgten Beschwerden. „Während dem Konzert kamen mehrere Menschen unabhängig voneinander auf uns zu und äußerten Unwohlsein mit der Situation“, berichtet die Location auf Facebook. „Es ging dabei um die Thematik ‚Kulturelle Aneignung.'“
„Mit dem Thema kulturelle Aneignung wurden wir als Band bis jetzt noch nie direkt konfrontiert.“
Daraufhin beschließt der Veranstalter offenbar, direkt einzugreifen. Es folgt ein Gespräch mit der Band, bei der die Beschwerden thematisiert werden. „Nach einem Gespräch mit der Band haben wir uns zusammen dafür entschieden das Konzert abzubrechen“, berichtet der Veranstalter auf Facebook. Anschließend entschuldigen sich die Verantwortlichen auch bei allen, „bei denen das Konzert schlechte Gefühle ausgelöst hat“, heißt es in dem Statement.
„Wir haben es verpasst uns im Vorherein genug damit auseinanderzusetzen und euch zu schützen. Unsere Sensibilisierungslücken und die Reaktion von vielen Gästen auf das Abbrechen des Konzertes haben uns wieder einmal gezeigt, dass das Thema emotional geladen ist und wir zusammen reden und einander zuhören müssen.“
Auch die Band bezieht zu dem Vorfall bei dem Musikabend Stellung. In einem Instagram-Post erklären sie, dass sie ihren Standpunkt klar definieren möchten, um Missverständnisse zu verhindern. „Als Gruppe haben wir Familie, Freunde wie auch Geliebte aus verschiedenen Kulturen, was sich in unserer Musik widerspiegelt“, heißt es in dem Statement. „Mit dem Thema kulturelle Aneignung wurden wir als Band bis jetzt noch nie direkt konfrontiert. Wir begegnen allen Kulturen mit Respekt. Wir stehen aber auch zu der Musik welche wir spielen, zu unserem Erscheinungsbild und zu unserer Art wie wir sind.“
Shitstorm online wegen Vorwurf der kulturellen Aneignung
Um das Thema intensiv zu besprechen, bieten sowohl die Veranstalter als auch die Band selbst eine Möglichkeit für eine offene und konstruktive Diskussion zum Thema an.
Es ist eine Reaktion, die online für gespaltene Meinungen sorgt. Denn während es bei dem Konzert offenbar Beschwerden gab, kritisieren viele online die Entscheidung der Veranstalter und die Behandlung der Band. „Ich finde es wirklich erschreckend, dass wegen dieser radikalen Minderheit euer Konzert ‚gecancelt‘ wurde“, schreibt etwa ein User auf Instagram.
„Es ist ganz klar kulturelle Aneignung“
Viele andere unterstützen die Band und ihre Arbeit und schreiben etwa: „Dieses Vorgehen war vollkommen inakzeptabel und spaltet die Gesellschaft meiner Meinung nach nur noch mehr.“ Auch die Vorwürfe gegen die Location werden lauter. „Die Krönung ist allerdings deren Statement in dem es u.a. heißt: ‚Wir hätten euch besser schützen sollen‘ Schützen vor einer Band, welche Reggae Musik spielt und Dreadlocks trägt?“, fragt etwa ein User. Auf Facebook betont ein anderer: „Die Sache ist komplex. Ein simpler Konzertabbruch wird diesem Thema nicht gerecht“, während ein Mann die Aktion als „Kulturterrorismus!“ bezeichnet.
Doch es gibt auch User*innen, die die Entscheidung der Location befürworten beziehungsweise den Aspekt der kulturellen Aneignung durchaus erkennen. So schreibt ein User etwa, dass es ihn „als Jamaikaner und als ein ‚Black Man‘ immer gestört hat, wenn ich Reggae Musik von weißen höre oder sie mit Dreadlocks sehe. Es ist ganz klar kulturelle Aneignung, wovon die meisten wenig bis gar keine Ahnung von dieser Kultur haben und aus welcher Überzeugung das ganze stammt.“
Location bleibt bei Entscheidung
Es sind Reaktionen, auf die sich jetzt auch die Location erneut bezieht. In einem zweiten Statement betonen sie: „Wenn vor zwei Jahren die gleiche Band gespielt hätte, wären die Reaktionen vielleicht anders gewesen. Auch uns war zu wenig bewusst, welche Tragweite dieses Thema hat und was es mit Menschen machen kann.“
Die Location bleibt aber bei ihrer Entscheidung. „Wir behaupten nicht, dass wir mit dem Abbruch des Konzertes das Richtige getan haben. Es jedoch einfach weiterzulaufen hat sich auch falsch angefühlt.“
Es ist übrigens nicht das erste Mal, dass das Thema kulturelle Aneignung in der Musikszene zu Diskussionen führt. Denn der aktuelle Fall lässt Erinnerungen an den vergangenen März weder aufflammen. Damals sorgte der Fall der Musikerin Ronja Maltzahn für Aufsehen. Sie sollte eigentlich bei einer Veranstaltung von Fridays for Future auftreten. Ihre Beteiligung am Event wurde dann aber aufgrund ihrer Haare abgesagt. Denn auch Ronja trägt Locs. Die Organisation erklärte damals, dass man gerade bei so globalen Streiks und Demos auf ein „antikolonialistisches und antirassistisches Narrativ“ setzen wolle.
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