Im Jahr 2006 hast du Ferris MC in einem Video beerdigt. Ist das neue Album deine Auferstehung?

Ferris MC: Ja, man kann jetzt auch Jesus MC zu mir sagen (lacht), nur, dass ich mich selbst be- und wieder ausgegraben habe.

 

Warum hast du dir dann als Solo-Künstler eine so lange Auszeit genommen?

Vor elf Jahren hatte ich keinen Bock mehr. In dem Genre, in dem ich mich befunden habe, habe ich alles gesagt, was ich sagen wollte. Der Gedanke an ein Comeback kam erst in den vergangenen drei bis vier Jahren. Deswegen hat es noch einmal zwei Jahre gedauert, bis ich angefangen habe, mit dem richtigen Team an meinem Comeback-Album zu arbeiten. Das sollte sich natürlich total von dem, was ich vorher gemacht habe, abheben, aber auch vom jetztigen Stand, was Hip Hop und Rap betrifft.

Ich wollte mich da gar nicht einreihen. Ich bin kein Gangster-Rapper gewesen und möchte auch jetzt kein Gangster-Rapper sein. Das passt nicht zu meinem Alter und auch nicht zu meinem Intellekt. Ich wollte aber trotzdem andersartig sein, ohne aber wie früher den Leuten auf die Nase zu binden, dass ich anders als die anderen bin. Ich wollte durch die musikalische Umsetzung und die Texte beweisen, dass ich anders bin.

 

Fühlst du dich bei dem Gedanken, wie die Leute dein neues Album aufnehmen, unter Druck?

Druck überhaupt nicht, eher Spannung. Ich weiß, dass ich den ein oder anderen vor den Kopf stoßen werde, weil der eine Erwartung an mich stellt. Mein Spruch ist immer: Ich möchte nicht Erwartungen entsprechen, sondern Erwartungen brechen. Wer sich darauf einlässt, dem wird mein Album gefallen. Wer sich strikt dagegen wehrt, weil er unbedingt etwas anderes von mir haben wollte oder noch einmal den Assi mit 20 oder 25 Jahren, den Drogenjunkie, dem kann ich nicht weiterhelfen. Ich bin 41 Jahre und kann nicht so tun als ob ich noch 18 wäre. Das wäre total unauthentisch. Ich habe auch früher schon versucht, so authentisch wie möglich zu sein, was meinen Lebenstil und meine Denkweise angeht und das dann in der Musik zu verarbeiten.

 

Denkst du nicht, dass Menschen ein bisschen einen Anti-Helden suchen? In einem Facebook-Kommentar zu deinem neuen Album hat ein User kommentiert, er wolle den Ferris mit der Sprache der Straße zurück. Wie gehst du damit um, wenn Leute meinen, dass du jetzt nicht mehr real bist?

Es ist ja noch mehr real als früher und ich bin noch mehr ein Anti-Held als früher, weil ich nicht einfach hingehe und sage, dass ich mich nicht anpasse. Wenn Leute kommen und sagen, dass sie sich nicht anpassen, passen sie sich eigentlich an den Leuten an, die sagen, dass sie sich nicht anpassen. Ich bin da ein Gegenpart, ich passe mich musikalisch und textlich nirgendswo an, ohne, dass ich das sagen muss. Ich beweise das einfach mit meinem Album. Dadurch bin ich am Ende wieder der Rebell.

 

 

Dein neues Album klingt gar nicht mehr nach Rap, sondern eher nach Crossover …

Mich nervt, dass heute jeder seinen eigenen Style komplett ausschlachtet, bis man es nicht mehr hören kann. Das wäre so, als hätte ich zehn Mal auf einem Album Reimemonster gemacht und noch zwanzig Mal zur Erinnerung oder im Zeichen des Freaks. Das funktioiert in einer bestimmten Alterschicht, in der die Leute nur Punch-Lines suchen, oder heftige Sprüche, die sie auf dem Schulhof dann bringen können. Für mich ist Musik aber weitaus mehr als nur Punch-Lines. Ich habe versucht, ein Album zu schreiben, mit dem ein Jugendlicher was anfangen kann, bei dem ich aber weiß, wenn er da rauswächst, kann er damit auch mit 30 Jahren noch etwas anfangen.

 

War für dich von Anfang an klar, dass du Ferris MC bleiben wirst?

Das war schon ein Kampf mit mir selbst. Ferris wollte ich auf jeden Fall behalten. Es war die Frage, ob ich dieses MC noch vertreten kann, weil dieses alte Image auf mir lastete. Im Endeffekt hat aber auch das jetztige Album immer noch etwas mit meinem alten Ich zu tun und das ist ja sozusagen eine Weiterentwicklung oder eine Erleuchtung aus dem, was ich verarbeitet habe. Das geht ja immer noch Hand in Hand mit dem, was früher war. Es is ja nicht so, dass ich mit dem, was ich früher war, nichts mehr zu tun haben möchte, sondern das Album jetzt wäre ja gar nicht so entstanden, wenn ich nicht so gewesen wäre, wie ich früher war. Deswegen bleibe ich bei Ferris MC.

 

Jetzt bist du ja gerade mit Deichkind auf Tour, das letzte Album ist Ende Jänner erschienen. Worauf wirst du dich in nächster Zeit konzentrieren und wie geht es dir mit diesem Spagat zwischen Gruppe und Solo-Künstler, den du derzeit schaffen musst?

Jetzt ist der Zyklus gerade etwas eng gestrickt. Ende Jänner ist das Deichkind-Album erschienen, am 29. Mai kommt mein Album. Wir wollen aber darauf hinarbeiten, dass der Zyklus so verschoben ist, dass da eine längere Zeitspanne dazwischen ist, damit man diesen Spagat nicht so extrem machen muss. Jetzt muss ich den Spagat einmal machen, aber dann kann man das koordinieren. Dieses Mal ist es ein bisschen eng geworden, aber ich kann da noch gut damit leben.

 

Wie wird es für dich sein, wieder alleine auf der Bühne zu stehen, jetzt warst du ja die Gruppe gewöhnt?

Ich weiß noch nicht wie es sich anfühlt, aber ich hab dieses Mal eine Band, nicht nur einen DJ. Bei Deichkind ist der Druck auf ganz viele Leute verteilt und deswegen kann auch jeder mal einen Fehler machen. Wenn ich alleine einen Fehler mache, dann ist das für mich selbst schon schlimm. Ich bin gespannt, wie sich das anfühlen wird. Früher habe ich immer vor Shows alleine mit DJ gekotzt, mittlerweile ist das mit Deichkind nicht mehr so und ich hoffe, dass es mit meiner neuen Band auch nicht so sein wird.

 

Es ist auch so, dass ich mittlerweile nicht mehr kiffe und seit über zehn Jahren keine Drogen mehr nehme. Ich glaub das mit dem Kotzen war eine psychosomatische Geschichte, das hat sich alles gelegt. Ich müsste professionell genug sein, meine Gefühle unter Kontrolle zu behalten.