„I am Greta“ zeigt die Stärken eines jungen Mädchens und die Schwächen der Gesellschaft
Der Dokumentarfilm „I am Greta“ von Nathan Grossman begleitet den Kampf der jungen Klimaaktivistin Greta Thunberg von Beginn an. Er läuft ab 16. Oktober in den österreichischen Kinos.
Wer wissen will, was in unserer Gesellschaft falsch läuft, sollte diesen Kinobesuch besser nicht auslassen.
Greta Thunberg: Symbol einer Bewegung
Es gibt Worte, die das Potenzial haben, Präsidenten zum Schimpfen, Führungskräfte zum Schweigen und Familienessen zur Eskalation zu bringen. Der Klimawandel ist so ein Wort. Die Debatte über die Erderwärmung polarisiert und lässt erwachsene Männer zu rhetorischen Mitteln von kleinen Schuljungen greifen. Es ist eine unangenehme Diskussion. Aber das ist auch momentan alles, was es ist: Eine Diskussion. Denn tatsächliche politische Maßnahmen oder wirtschaftliche Veränderungen, die das Klima schützen, gibt es noch nicht. Die Anstrengungen, wie beispielsweise das Pariser Klimaabkommen, scheinen von vielen Staaten nicht ernst genommen zu werden.
Genau dieses Fehlen an Taten brachte eine 15-jährige Schwedin 2018 dazu, vor dem Parlament zu streiken. „Skolstreijk för klimatet“ stand auf ihrem Protestschild, „Schulstreik für das Klima“. Es war Greta Thunberg. „Wie lange willst du streiken?“, fragte eine Passantin damals. „Bis zu den Wahlen“, antwortete die Schülerin. Noch konnte keiner wissen, dass dieses junge Mädchen zum Symbol der größten Klimaprotestbewegung in der Geschichte werden sollte. Die Wahlen zum schwedischen Reichstag fanden am 9. September 2018 statt. Greta protestiert noch immer, aber schon lange nicht mehr alleine. An der Tatsache, dass niemand etwas tut, hat sich aber nichts geändert.
„I am Greta“: Die unangenehm echte Geschichte von Greta Thunberg
Greta Thunbergs Protest gegen die Klimapolitik war anfangs zwar ein einsamer, alleine war sie dennoch nie. Neben ihrem Vater war auch Nathan Grossmann von Beginn an mit dabei. Der damalige Film-Student wollte eigentlich nur mit seiner Handy-Kamera eine kurze Geschichte machen, über eine Teenagerin, die freitags alleine vor dem Parlament für das Klima protestierte. In kürzester Zeit entwickelte sich Gretas kleiner Protest zu einer weltweiten Bewegung, die mittlerweile allen unter „Fridays For Future“ bekannt ist. Greta wurde für viele zu einer Heldin, für andere wiederum zur Anti-Heldin, aber definitiv zur Symbolfigur der Klimabewegung. Und Nathan Grossmann? Der musste von der Handy-Kamera auf besseres Equipment umsteigen und aus seinem kurzen Filmchen über ein schwedisches Schulmädchen mit Protest-Plakat wurde die Dokumentation „I am Greta“.
Wer jetzt aber glaubt, dass der Film eine Erfolgsgeschichte, ein Heldenepos ist, täuscht gewaltig. Es ist ein Film über ein Mädchen. Ein Mädchen, das aufgrund ihres Asperger-Syndroms ein enormes Wissen über die Dinge hat, die es interessieren. Ein Mädchen mit einem fotografischen Gedächtnis, das einen Film über den schrumpfenden Lebensraum der Eisbären, über Hitze, Dürre und Stürme gesehen hat. Ein Mädchen, das sich daraufhin in das Thema Klimawandel eingelesen hat und zu dem Schluss gekommen ist: Niemand tut etwas.
„I am Greta“ verzichtet weitgehend auf Fakten und Infos über den Klimawandel und rückt stattdessen Greta selbst in den Fokus. Es ist ein unangenehmer Film, der zeigt, wie ein 15-jähriges Schulmädchen versucht, Menschen in Machtpositionen davon zu überzeugen, dass sie handeln müssen. Ja, es ist ein unangenehmer Film, der zeigt, wie Menschen in Machtpositionen mit einem 15-jährigen Mädchen Selfies machen und später bei ihren Reden am UNO-Klimagipfel oder vor dem EU-Parlament durch ihre Handys scrollen und wie kleine Schulkinder einfach nicht zuhören.
Das Mädchen ist stark, die Gesellschaft ist schwach
„Es fühlt sich nicht echt an“, sagt Greta Thunberg im Voice-Over während Szenen von ihr in der Hofburg mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen gezeigt werden. Eine Teenagerin spricht ein Problem an, das schon seit Langem in unserer Gesellschaft vorherrscht. Politiker, Menschen in Machtpositionen: Sie alle tun und handeln vor allem für die Kameras, für das Image. „Lächle für die Kameras“, wird dem Mädchen gesagt, das gekommen ist, um über Naturkatastrophen und Massensterben zu reden.
Und die Szenen im Film zeigen tatsächlich: Es ist ein Theater, das um sie gemacht wird. Entweder man möchte sich mit ihr zeigen oder – wie im Fall von Donald Trump, Wladimir Putin und zahlreichen anderen, erwachsenen Männern – man möchte sie zum Schweigen bringen. Von ihren Gegnern wird sie beschimpft, ihr Asperger-Syndrom als Schwäche bezeichnet, ihr wird Unglaubwürdigkeit vorgeworfen. Aber sieht man sich den Film an, schleicht sich der Verdacht ein, dass diese Männer ihre eigene Unglaubwürdigkeit, ihre eigene Schaumschlägerei auf das junge Mädchen projizieren, das gar nicht anders sein kann, als sie ist.
Greta Thunberg: Teenagerin
Greta Thunberg mag zwar als Heldin der Klimabewegung in die Geschichte eingehen. Aber sie ist nun einmal einfach eine Teenagerin. Eine Jugendliche, die den Job machen muss, den eigentlich Politiker und wirtschaftliche Akteure innehaben. Und Greta könnte ihn viel besser machen. Immerhin weiß sie mehr über die wissenschaftlichen Fakten des Klimawandels als so manches Staatsoberhaupt und zudem hat sie das, was so gut wie allen Politikern fehlt: Authentizität. Leider steht ihr etwas ganz Entscheidendes im Weg: Sie ist in keiner Machtposition, sie ist keine Entscheidungsträgerin. Alles, was ihr bleibt, ist ihre Willenskraft und ihre Stärke.