Was Lena Dunham so besonders macht, ist ihr Markenzeichen: Sie ist völlig normal und herrlich unaffektiert. Sie geht mit ungewaschenen Haaren zur Arbeit, im ausgeleierten Sweater und abgeschnittenen Shorts. Sie hat keine Lust abzunehmen und postet Fotos auf Instagram, auf denen sie Pizza isst. Und dann steht sie plötzlich vor einem: mit neuem Haarschnitt, dunkel geschminkten Augen und weißem Outfit – und bemüht sich, ihren Beeren-Smoothie und ihre Huevos (Anm. d. Red.: mexikanisches Gericht) nicht auf sich zu schütten. „Ich war echt aufgeregt wegen dem neuen Outfit, aber jetzt denke ich, dass es eine blöde Idee war, weil ich etwas Rotes und Pinkes esse“, sagt sie grinsend.

 

Wir haben ein Interview, weil sie ein Buch geschrieben hat, Not that kind of girl. Teils autobiografisch, teils ein Ratgeber, ist es lustig, versaut und so offen wie Girls. Dunham schreibt darüber, wie es ist, seine Jungfräulichkeit zu verlieren – „Weniger als eine Stichwunde, aber mehr als Kopfschmerzen!“ –, über Crash-Diäten, bei denen sie Himbeeren zählte und Abführtee trank, bis sie in der Notaufnahme landete, und über ihre Verknalltheit in eine blasse Engländerin, mit der sie sich einst betrank und die sie ein bisschen streichelte, im Gesicht, an den Händen – „keuchend, als wären wir in einem Schneesturm“. Mehr war nicht.

 

Später, als ihre Schwester Grace ihr gestand, dass sie lesbisch sei, gab Dunham zu, dass sie sich selbst verteufelte, weil sie es nicht gemerkt hatte.
Und sie gibt auch zu, dass sie einen Nervenzusammenbruch hatte, der auf eine furchtbare Beziehung zurückzuführen war, und schreibt über ihre Endometriose, die sie vielleicht unfruchtbar gemacht hat, obwohl sie gerne Kinder möchte.

Einer der erschütterndsten Momente in ihrem Buch – und sicher der schwierigste, um darüber zu schreiben – handelt davon, wie sie vergewaltigt wurde, obwohl sie vermeidet, es auszusprechen. „Es ist speziell, es ist schmerzhaft, es inkludiert eine reale Person. Und es bringt eine Menge Schmerz und Angst zurück“, sagt sie. Im Buch schreibt sie: „Ein blasser, schlaffer Penis taucht vor meinem Gesicht auf und ich war dem Gefühl von Luft und Lippen auf Stellen, von denen ich nicht wusste, dass sie existieren, ausgesetzt.“ Wie schafft man es bloß, so brutal ehrlich zu sein? „Ich musste diese Erfahrung teilen – oder ich wäre explodiert in meiner Einsamkeit.“

 

Vielleicht ist das überraschendste Geständnis in dem Buch der Kampf mit ihrem Gewicht; wie sie zugibt, dass die Beziehung zu ihrem Körper – der in Girls fast immer nackt zu sehen ist – nicht so einfach ist, wie sie scheint. „Joan Rivers sagte, dass ich so fett sei, dass ich Werbung für Diabetes machen könnte.“ Trotzdem gibt sie vor, eigentlich happy zu sein, weil sie keine klassischen Größen trägt und ihre Roter-Teppich-Klamotten behalten kann. Aber natürlich hat sie sich mit allerlei Diäten herumgeschlagen und gibt zu, wie hart das für sie war.

 

„Es ist etwas so Intimes, aber auch Groteskes, dass wir teilen, was wir den ganzen Tag gegessen haben, jeden Tag. Ich meine, ich habe mich selbst ins Krankenhaus gebracht mit der verrückten Kombination von Nahrung, abführendem Tee und dieser Scheiße, die ich konsumiert habe!“ Jetzt, sagt sie, hat sie Diäten aufgegeben. „Wenn ich auf Kohlenhydrate achtete und noch immer so aussähe, wäre das ziemlich deprimierend.“ Sie ist gegen Schönheitsoperationen und gegen Botox; sie sagt: „Wenn ich 65 bin, können wir darüber reden, aber es ist schwer für mich, mir eine Welt vorzustellen, in der ich mir Gift in meine Stirn pumpen lassen will!“

Noch immer macht sie keine Anstalten, sich zu entschuldigen, dass sie gephotoshoppt auf dem Cover der Vogue war. Sie sagt, dass das Angebot des feministischen Blogs Jezbel, 10.000 Dollar an denjenigen zu zahlen, der die Originalbilder rausrückt, nichts mit Feminismus zu tun hatte, sondern mit reiner Klickmacherei.

„Ich glaube auch nicht, dass die Vogue der Hauptstraftäter in Sachen Photoshop ist. Es gibt so viele Zeitschriften, wo Frauen aussehen, als hätte ein Anime-Illustrator sie gemalt. Ich erinnere mich an ein Foto, auf dem meine Nase bearbeitet worden war, und ich dachte: ‚Wirklich? Das ist nun echt nicht der Teil meines Körpers, wo ich ein Problem habe!‘“

 

 

Vielleicht ist es genau das, was einen an Dunham und ihrem Buch am meisten anspricht: nicht nur ihre Ehrlichkeit, auch ihre nicht wertende Haltung. „Es gibt keine pauschalen Regeln, die wir runterbrechen können auf weibliches Verhalten“, sagt sie und ist auch nicht gegen Modeln, Strippen oder Lapdance. „Das hängt doch immer von der Situation ab.“ Vor zwei Jahren machte sie ein Shooting für den Playboy, vollständig angezogen: „Weiter als das werde ich nie gehen!“ Doch sie gibt zu, dass „Pornografie einen großen Einfluss darauf hat, wie junge Leute heute Sex haben. Vor allem die Wahrnehmung junger Männer darüber, was ihr sexueller Standard ist.“ Sie betont aber, dass sie keinesfalls gegen Pornos ist. Aber kann man Pornos schauen und gleichzeitig Feministin sein? „Du kannst alles tun und eine Feministin sein“, sagt sie.

 

 

 

Sie ist entsetzt darüber, dass Nacktfotos von Jennifer Lawrence durchgesickert sind. Nicht wegen der Fotos, sondern wegen der Idee dahinter, dass Frauen sich dadurch überwacht und schuldig fühlen könnten. „Zu sagen ,Mach keine Nacktfotos‘ ist das ,Sie hätte nicht den Minirock tragen dürfen‘ in der Vergewaltigungsapologetik!“ Sie sagt, wer solche Fotos durchsickern lässt, begeht ein Sexverbrechen. „Einen Frauenkörper in die Welt rauszuschicken, gegen ihren Willen, das ist dasselbe, wie jemandem die Kleider am Union Square vom Leib zu reißen.“ Aber: Würden Nacktfotos von ihr auftauchen, wäre ihr das egal. „Ich würde denken: Großartig, das ist für diejenigen, die HBO nicht empfangen können!“

Wir reden eine Stunde, viel über Sex; zum Schluss meint sie, dass sie „eine tief monogame Kreatur“ sei. „Vor allem in den frühen 2000ern war es cool, als Frau Sex wie ein Mann zu haben. Aber Frauen sind nun mal facettenreich. Die einen können Casual Sex haben, die anderen eben nicht.“ Sie hat auch niemals Onlinedating ausprobiert: „Ich bin glücklich, dass ich meine Beziehungen immer mit Leuten eingegangen bin, die auf der Erde leben!“

 

Sie hofft, eines Tages Kinder zu bekommen, mit ihrem Freund Jack Antonoff, mit dem sie seit zwei Jahren zusammen ist – wenn ihre Endometriose es ihr erlaubt. „Es ist das klassische Problem: Wird mein Körper mit den Plänen, die ich habe, kooperieren? Das muss ich erst herausfinden.“ Sie hat sich übrigens geschworen, erst dann zu heiraten, wenn in den USA endlich Ehen zwischen Homosexuellen erlaubt sind. Weil sie ihrer Schwester Grace keine Hochzeit unter die Nase reiben will. So ist Lena Dunham eben.