Hat „Sex Education“ ein besseres Finale verdient?
Der Netflix-Hit „Sex Education“ feiert gerade sein großes Finale. Nach den letzten acht Folgen sind zwar alle Fragen geklärt; so richtig glücklich sind wir aber nicht.
Denn einige Plotlines waren ganz schön enttäuschend. Achtung, Spoiler!
Darum geht es in der finalen „Sex Education“-Staffel
Jetzt ist es also so weit, die beliebte Netflix-Serie „Sex Education“ ist vorbei. Denn mit den letzten acht Folgen der vierten Staffel müssen wir uns von Otis, Maeve und Eric verabschieden. Und sagen wir einmal so: der Abschied war doch ganz anders als erwartet. Denn nach der dritten Staffel standen wir vor einigen großen Fragezeichen, deren Antworten wir sehnlichst erwarteten: Was passiert mit Otis und Maeve, wie belastend ist der Familienzuwachs für Otis und seine Mutter und wie sieht ein Schulleben nach dem Ende der Moordale aus?
Rein auf dem Papier haben wir auf all diese Fragen auch Antworten bekommen, so richtig glücklich machen sie uns aber nicht. Aber zurück zum Anfang: in der vierten Staffel geht die „Sex Education“-Crew getrennte Wege. Denn während es Maeve auf ein College nach Amerika zieht, startet Adam auf einem Pferdehof ins Berufsleben. Den Großteil der Gruppe rund um Otis, Eric, Aimee und Ruby verschlägt es währenddessen auf eine neue Schule. Und diese könnte nicht unterschiedlicher zu Moordale sein. Hier herrschen Diversität und Akzeptanz; die Schüler:innen regulieren ihren Schulalltag selbst und jede:r hat die Möglichkeit, sich selbst zu entfalten. Klingt nach einem Paradies. Doch für Otis wird es schnell zur Hölle. Denn hier ist er mit seiner Sex-Therapie kein Pionier mehr, sondern nur ein Abklatsch der etablierten Hobby-Psychologin O. Es startet ein Konkurrenzkampf, der Überhand nimmt und Otis zwischen Fernbeziehungsstress, Familienproblemen und Alltagschaos zusätzlich aus der Bahn wirft.
Neue Charaktere, alte Probleme
Man sieht: ein ziemlich volles Finale. Denn nicht nur die neuen Herausforderungen gilt es zu bewältigen, sondern auch die alten zu einem Ende zu bringen. Schließlich warten Fans ja auf die Auflösung, ob Maeve und Otis endlich zusammenkommen. Und auch zwischen Eric und Adam kann doch noch nicht das letzte Wort gesprochen sein, oder?
So sehr wir uns hier auch große Emotionen und einen Fokus wünschen würden, in der vierten Staffel gehen eben diese Aspekte schnell unter. Denn in den letzten Folgen gibt es schlichtweg viel zu viel, worauf man sich konzentrieren muss. Da wäre etwa die Transition von Cal und die damit verbundenen emotionalen Schwierigkeiten. Oder Jackson, der auf seinem Hoden eine Beule entdeckt und fürchtet, Krebs zu haben. Hinzu kommen dann noch Aimee und ihre neu entdeckte Liebe zur Kunst, um ihr Trauma zu bewältigen. Auch Eric durchlebt seine ganz eigene persönliche Lebenskrise, als er sich unsicher ist, ob er als schwuler Mann in seiner Kirchengemeinde denn überhaupt willkommen ist. Obendrauf lernen wir auch noch den neuen Cast rund um Abbi, Roman und Aisha kennen, die mit ihren ganz eigenen Problemen eigene Handlungsstränge starten. Und das war noch nicht einmal alles, das ist nur eine Auswahl der Plotlines!
Die große Enttäuschung
Um ganz ehrlich zu sein: das ist einfach viel zu viel! Vor allem für nur acht Folgen. Die finale Staffel springt von einem Drama zum nächsten. Wir haben dadurch gar nicht die Chance, uns komplett auf einen Handlungsstrang einzulassen und switchen stattdessen von einem Charakter zum nächsten. Mit kuriosen Folgen wie Übergänge vom niederschmetternden Verlust der eigenen Mutter hin zu den Erektionsproblemen eines erwachsenen Mannes (nein, das ist kein Scherz; diese Szenen folgen tatsächlich direkt aufeinander!). Dadurch bekommen die so wichtigen Themen wie Suizidgedanken, Transitioning, Selbstfindung und eine queere Identität leider nicht den Raum, den sie eigentlich verdienen. Stattdessen werden sie in wenigen Minuten abgearbeitet.
Nur ein Thema bekommt sehr viel Aufmerksamkeit: die religiöse Epiphanie von Eric. Warum genau ausgerechnet seine Beziehung zur Kirche eine so große Rolle spielt und mit Träumen und Erscheinungen von Gott ausgeschmückt wird, ist uns nicht ganz klar. Denn so sehr wir die Rolle von Eric auch lieben: wir hätten uns eher gewünscht, dass er nach den Turbulenzen der vergangensen Staffeln endlich auch einmal unbeschwert seine Jugend genießen kann. Doch da macht ihm Jesus einen Strich durch die Rechnung. Sogar das kurze Aufkommen von Romantik in seinem Leben wird durch die Kirche unterbrochen und die Beziehung zu Adam wird in nur wenigen Sekunden bei einer Beerdigung angeschnitten und zu Ende gebracht.
Ein Schicksal, das auch die große Beziehung der Serie – jene von Otis und Maeve – erlebt. Denn auch, wenn sich die ersten Folgen vermehrt den Turbulenzen der Fernbeziehung widmen; je näher wir dem Finale kommen, desto kleiner wird der Fokus auf die großen Probleme und Fragen der beiden. Otis Schwierigkeiten mit Intimität kommen zwar vor, verschwinden aber nach einem kurzen Gespräch scheinbar. Und nach vier Staffeln voller großer Emotionen und Beinahe-Momenten schenkt uns das Finale die Trennung der beiden.
War das Finale von „Sex Education“ schlecht?
Und darauf haben Fans seit der ersten Folge hingefiebert? Das war’s. Kein Happy End? All die Cliffhanger und großen romantischen Gesten bringen am Ende (fast) nur Herzschmerz. Und das ist zumindest auf den ersten Blick ziemlich frustrierend. Ist es also ein schlechtes Finale für eine so einzigartige Show? Nicht wirklich. Denn auch, wenn es nicht gerade das romantischste Ende einer Show ist, es ist das realistischste. Denn sein wir uns mal ehrlich: wie viele Teenie-Beziehungen halten denn tatsächlich für immer? Wie viele Jugendliche schaffen Fernbeziehungen und bei wie vielen Pärchen lösen sich die grundlegenden Dinge in Luft auf? Richtig, die wenigsten.
Genau das zeigt „Sex Education“ in seinen letzten Folgen: manche Beziehungen sind eben nur für die Schulzeit vorgesehen; manche großen Lieben halten nur kurz – und sind dennoch richtig lehrreich! Das ist vielleicht nicht die Variante, die uns Hollywood seit Jahrzehnten mit Rom-Coms und Co beibringt, jedoch die Variante, die wohl vielen von uns in Teeniezeiten die ein oder anderen unrealistischen Erwartungen erspart hätte. Ein bisschen mehr Zeit mit den Charakteren hätten wir uns am Ende aber trotzdem gewünscht. Aber das passiert nun einmal bei einer Show, die ihre Fans über Jahre hinweg so sehr in den Bann gezogen hat.