Auch 2020 ist Gewalt gegen Frauen alles andere als ein Thema der Vergangenheit. Die Pandemie brachte einen Anstieg an Meldungen von häuslicher Gewalt. Ein neues Projekt legt nun 400.000 Broschüren mit Informationen zu Beratungsangeboten und allen wichtigen Adressen und Telefonnummern in Supermärkten, Arztpraxen sowie Apotheken in ganz Österreich auf. 

Das Projekt wurde von Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP) in Kooperation mit dem Handelsverband, der Apothekerkammer und der Ärztekammer umgesetzt. Aber reicht das aus? Wie sieht die Situation der Frauen in Österreich aus?

400.000 Broschüren über Gewalt gegen Frauen

In den 400.000 Gewaltschutz-Broschüren finden Betroffene einen Überblick über die wichtigsten Angebote in Österreich sowie regionale Hilfseinrichtungen. Die Folder stehen übrigens auch auf der Website des Bundeskanzleramts zum Download bereit. Um diese möglichst vielen Betroffenen zugänglich zu machen, werden die Broschüren zudem in 13 Sprachen online zur Verfügung gestellt.

Leichter Anstieg an häuslicher Gewalt

Jede fünfte Österreicherin ist ab ihrem 15. Lebensjahr körperlicher und/oder sexueller Gewalt ausgesetzt. Das ist der Status Quo in unserem Land. 2019 wurden laut Kriminalstatistik 39 Frauen ermordet, häufig von ihren Lebenspartnern, Ex-Partnern oder Familienmitgliedern. Im Jahr 2018 gab es sogar 41 Morde an Frauen. 2020 gab es laut Medienberichten bisher 20 Morde an Frauen.

Zu Beginn der Corona-Pandemie und der Verkündung des Lockdowns befürchtete man schließlich einen deutlichen Anstieg an häuslicher Gewalt. Sechs Monate später gab es dann die ersten Zahlen. Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts OGM hatten vier Prozent der Interviewten während des Lockdowns mehr private Gewalttaten in ihrem Umfeld wahrgenommen. 30 Prozent bemerkten „mehr Spannungen und Konflikte“ im häuslichen Bereich.

Als Frauenministerin Susanne Raab und Innenminister Karl Nehammer diese Zahlen Ende September präsentierten, klangen sie fast beschwichtigend. Der erwartete starke Anstieg blieb bisher aus. Trotz entgegengesetzter Prognosen sei nur ein „leichter Anstieg“ zu verzeichnen gewesen. „Jeder einzelne Gewaltakt ist einer zu viel, und auch die Dunkelziffer dürfte entsprechend hoch sein. Doch insgesamt ist Österreich hier relativ gut durch die Krise gekommen“, kommentierte das Frauenministerin Raab. So weit, so schön – könnte man meinen. Aber so einfach ist es leider nicht.

So hat sich etwa der Anti-Gewalt-Beratungsbedarf durch die Ausgangsbeschränkungen und familiären Mehrfachbelastungen durch Homeschooling und Homeoffice stark erhöht. Die Frauenhelpline unter der Nummer 0800 222 555 hat von Lockdown-Beginn bis September um 38 Prozent mehr Anrufe registriert. Auch die Zahl der Betretungs- und Annäherungsverbote, die von einschreitenden Polizisten ausgesprochen werden können, um Gewalttäter aus ihrem privaten Umfeld zu entfernen und so die Opfer zu schützen, stieg österreichweit von 886 im Februar auf 1.081 im Lockdown-Monat April.

Was sagen die Zahlen wirklich aus?

Die Zahlen zeigen lediglich jene Fälle, die auch wahrgenommen beziehungsweise gemeldet werden. Die Dunkelziffer ist eine ganz andere Geschichte. Häusliche Gewalt oder Gewalt in der Partnerschaft ist noch immer tabuisiert und mit Angst und Scham besetzt. Viele Betroffene schweigen daher. Wie viele Frauen abseits der offiziellen Zahlen in Österreich tatsächlich von Gewalt betroffen sind, ist daher unklar.


Wer von Gewalt betroffen ist, kann sich an folgende Stellen wenden:

  • Frauen-Helpline: 0800/222 555
  • Männer-Notruf: 0800/246 247
  • Online-Beratung: haltdergewalt.at