Geschlagen von einer Frau: „Ich hatte Angst vor meiner eigenen Freundin“
Wenn er so vor mir sitzt, dann kann ich kaum glauben, was er erzählt. Er ist groß, scheint stark zu sein und seine Ausstrahlung überdeckt jeden einzelnen Zentimeter des Raumes. Deswegen erscheinen mir alle Worte, die er von sich gibt wie ein Albtraum, den er letzte Nacht hatte. Aber nach Realität, nein – so klingt das nicht. Doch genau hier ist das Problem, das sich in unserer Gesellschaft schon festgesaugt hat. Denn wenn es um häusliche Gewalt geht, dann denken wir ausschließlich an Frauen, die unterdrückt werden. Klar, in der Regel ist das auch der Fall. Aber die Ausnahme, die gibt es auch und weniger wichtig ist sie nicht. Also müssen wir endlich darüber reden, dass es sehr wohl auch Männer gibt, die von ihren Freundinnen beherrscht, gedemütigt und geschlagen werden.
Genau wie Tom*.
Er hat es eine sehr lange Zeit nicht geschafft, diese toxische Beziehung zu beenden. Heute weiß er nicht mehr, warum. Er glaubt, es war vielleicht aus Scham oder der Angst vor Veränderung, der Glaube, dass sie sich dennoch ändert oder die Tatsache, dass er sie immer noch, irgendwo, liebte. Und genau das ist das Problem, die Liebe. Tom ist davon überzeugt, nur weil dir jemand Unrecht tut, heißt das nicht, dass in genau derselben Sekunde jegliche Emotion verschwindet. Eher beginnt man, daran zu glauben, die andere Person ändern zu können. Immerhin kennt man sie in und auswendig – eigentlich.
Sie veränderte sich, er verstand die Welt nicht mehr
Anfangs, als Tom und seine damalige Freundin zusammen gekommen sind, hätte nichts besser sein können. Sie waren verliebt, verbrachten jede Sekunde miteinander und vertrauten einander blind. Tom sagt heute, er hätte zu Beginn keinerlei Anzeichen für ein aggressives Verhalten gesehen, ganz im Gegenteil. Sie war zierlich, immer beherrscht und die Ruhe selbst. Bis ihre Fassade langsam zu bröckeln begann.
Nach ein paar Monaten, in denen sie bereits zusammen waren, änderte sie sich enorm. Sie war launisch, ließ alles an Tom aus, was sie störte, blockte komplett ab und schrie ihn immer dann an, wenn ihr danach war. „Ich hatte das Gefühl, ich kann nichts mehr richtig machen. Alles, was ich tat, war falsch. Immer wieder fand sie Punkte an mir, die sie störten. Ich begann langsam aber sicher an mir selbst zu zweifeln, an der Beziehung und an einem normalen Umgang, der nicht auf schreien basiert.“
Schon jetzt hatte Tom das Gefühl, sie würde ihn nicht richtig behandeln. Deshalb sprach er sie darauf an. Er fragte sie, was passiert ist, dass sie zu so einer Person geworden ist. Und, dass er mit jemandem, der sich so verhält, nicht zusammen sein möchte. Er wollte wissen, wer sie mittlerweile geworden ist. Darauf hin antwortete sie. Nicht mit Worten, sondern mit einem Bügeleisen, das sie nach ihm warf.
Sie schlug ihn, wenn ihr danach war
Das Bügeleisen traf seinen Kopf, er blutete an oberhalb seiner Stirn und hielt kurz inne. „Ist das gerade wirklich passiert?“ fragte er sich, aber sobald er sich die Frage selbst beantwortete, wusste er nicht weiter. Seine eigene Freundin, der eigentlich wichtigste Mensch in seinem Leben, hat ihn absichtlich bluten lassen. Dazu kam, dass sie wenig bis kaum Reue für ihre Tat zeigte. Sie entschuldigte sich nicht, immerhin war er selbst Schuld. Denn, die Fragen, die er ihr gestellt hatte, berechtigten das, was sie getan hat. „Jeder Mensch hätte genau das gemacht, was ich getan habe.“ meinte sie zu ihm, während er sich seine Wunde zuhielt.
Das war der Start einer langen Zeit, in der sie Tom demütigte, kontrollierte und verletzte, sowohl physisch, als auch psychisch. Sie erpresste ihn, warf ihm vor, ein schlechter Freund zu sein. Sie sagte ihm, er sei niemals gut genug für irgendjemanden und, dass ihn eigentlich niemand wirklich liebte.
Sie schlug ihn immer dann, wenn ihr danach war. Sie prügelte auf ihn ein, boxte ihm in den Bauch, schlug sein Gesicht. Zwar war sie nicht stark genug um Tom tatsächlich schwer zu verletzten, aber er litt dennoch sehr darunter. „Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Ich liebte diesen Menschen und sie mich irgendwie auch. Aber Respekt, den hatte sie nicht für mich. Und das äußerte sich im schlimmsten Weg, den es gab.“ Tom war froh, dass sie nicht sehr stark war und ihn nur psychisch verletzten konnte, nicht seinen Körper. Während er also versuchte, sie wieder zu der Person zu machen, die sie war, entdeckte sie neue Arten, wie sie ihn missbrauchen konnte.
Stühle, Bügeleisen, Gläser und mehr
Sie wusste, dass sie schwächer war als er. „Es passierte ja immer genau dann, wenn wir stritten. Und da das eigentlich fast jeden Tag vorkam, merkte ich, wie sie, wenn sie in Rage war, nachdachte, was sie noch tun könnte. Ich spürte, wie ihr Gehirn arbeitete. Und ich werde nie vergessen, wie sie begann nach Sachen zu greifen, die mich wirklich verletzen konnten. Ich hatte Angst vor meiner eigenen Freundin.“
Tom möchte nicht, dass ich darüber schreibe, wie genau seine damalige Freundin ihn missbrauchte. Auch will er nicht, dass ich jeden Gegenstand erwähne, den sie benutzt hatte. Ein paar Dinge, die darf ich erwähnen: ein Bügeleisen, Stühle, diverse Gläser, Töpfe. Eines der Objekte, die nicht aufgezählt wurden, versetzte Tom in einen so schlimmen gesundheitlichen Zustand, dass er im Krankenhaus landete. Nicht lange, aber dennoch. Er wurde genäht, die Narbe im Gesicht sieht man immer noch.
Er wehrte sich nicht, weil er weder konnte, noch wollte
Nachdem er im Krankenhaus war, war er quasi gezwungen, sein Umfeld einzuweihen. Denn für Lügen, die er sich hätte ausdenken müssen, hatte er keine Kraft. Durch die Hilfe der Menschen, die ihm wichtig waren, schaffte er es, von der toxischen Beziehung loszukommen. Er ging anschließend in Therapie um das, was er erlebt hat, zu verarbeiten. Heute schafft er es, reflektiert darüber zu sprechen. Und das, obwohl es gerade einmal zwei Jahre her ist.
Tom sagt, dass die meisten Menschen, mit denen er darüber redet, zuerst fragen, warum er sich nicht gewehrt hat. Oder warum er nicht einfach Schluss gemacht hat. „Jeder, der noch nicht in meiner Situation war, versteht sie nicht. Man kann es versuchen, aber sich nicht vorstellen. Immerhin ist es der wichtigste Mensch im Leben, der einen durch die Hölle gehen lässt. Versuch einmal, an die Person zu denken, die dir am wichtigsten ist. Und dann stell dir vor, sie demütigt dich, schlägt und missbraucht dich. Dann wirst du sehen, dass das etwas ist, das so unvorstellbar, wie grauenhaft ist. Und, so absurd das auch klingen mag, ich habe wirklich gedacht, ich kann sie ändern. Aber gewehrt habe ich mich nicht, weil ich einerseits nicht wollte. Ich habe Gewalt, vor allem in dieser Situation, einfach nicht als Lösung gesehen. Und andererseits, weil ich viel stärker war als sie.“
*Name von der Redaktion geändert.