Fashion Week für Anfänger
Mercedes-Benz Fashion Week Berlin SPRING/SUMMER 2016 in Berlin am 07.07.2015 / Bild: (c) Nass / Brauer Photos fuer Mercedes-Benz (Nass / Brauer Photos fuer Mercedes-Benz)
Fashion week bedeutet, gesehen zu werden
Vor dem Eingang der Show von Austro-Designerin Lena Hoschek sammelten sich zweierlei Arten von Menschen: jene, die sehen wollten – und jene, die gesehen werden wollten. Blogger, Möchtegernstars und C-Promis winken in die Menge und lassen sich aus jedem Blickwinkel fotografieren. Die Faustregel: Je schräger das Outfit, desto mehr Fotos werden geknipst. So posieren unter anderem Zwillinge in weißen, bodenlangen Roben mit Hüten, die größer sind als ein Border Collie mittlerer Größe. Ich lerne:
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Mode kann eine Karikatur sein
Ja, hie und da gibt es Personen, die es mit ihren Kleidern durchaus ernst meinen, doch die Mehrzahl der Besucher trägt Outfits, die auf einer Faschingsparty passender gewesen wären. Hier gilt wohl die Lehre, dass Mode auch eine Karikatur oder ein Statement sein kann. Aber nicht nur: Als die Show von Lena Hoschek beginnt, kehrt Ruhe ein. Models schweben elfengleich durch den Raum und verblüffen mit wunderschönen Roben, die einem den Duft des Frühlings in der Provence in die Nase zaubern. Das erinnert mich daran, wieso ich eigentlich hier bin: um mich vom Talent anderer inspirieren zu lassen. Nach der Show ist vor der Show, doch entgegen meinen Erwartungen habe ich nicht die Zeit, zurück ins Hotel zu huschen, um mich dort in ein anderes Outfit zu schmeißen. Meine dritte Lektion der Fashion Week lautet also:
Mehr als ein Outfit pro Tag einzuplanen ist eine Illusion
Die Temperaturen steigen um die Mittagszeit auf 38 Grad, mein Make-up schmilzt fröhlich dahin – aber es hilft einfach nix, zum Umziehen fehlt hier die Zeit. Meine
teuren High Heels, die ich mir extra für die Fashion Week gegönnt hatte, werden zur Qual. Doch eine Show jagt die andere – und offensichtlich sind After-Show-Partys genauso wichtig wie die Schauen selbst. Das bringt mich zu folgender Schlussfolgerung:
Hohe Schuhe bei der Fashion Week sind schlichtweg unrealistisch
Um Blessuren und Blasen zu vermeiden, empfiehlt es sich also, ein flaches Paar Schuhe mitzunehmen – gut, dass ich das vorher nicht wusste. Egal, ob man auf Taxi oder U-Bahn setzt, ich glaube keinem, der behauptet, dass High Heels auf der Fashion Week angenehm sind. Sie
sind pure Angeberei! Was auch der Grund dafür ist, wieso ich mich strikt dagegen entscheide – zugegebener-
maßen erst nach dem ersten Tag. Und nach drei Blasen. Mit gemütlicherem Schuhwerk und gut gelaunt mache ich mich am nächsten Morgen wieder auf den Weg zum Zelt am Brandenburger Tor. Bevor die Show der österreichischen Designerin Rebekka Ruétz beginnt, unterhalte ich mich mit einer Bloggerin aus Berlin. Wir sprechen übers Wetter, die Arbeit, über Wien und über den Sommer und … es ist nett. Ich lerne daraus:
Nicht alle Fashionistas sind hochnäsig
Es mag manchmal einschüchternd sein, wenn Menschen mit bodenlangen Roben, dunklen Sonnenbrillen und orange gefärbten Haaren mit dir reden wollen, aber Mode ist immerhin eine Art, sich selbst auszudrücken. Genau das macht eine Fashion Week so schön und spannend zugleich, ebenso wie die vielen unterschiedlichen Leute. Oft verbirgt sich gerade unter einem auffälligen Outfit nämlich der netteste Mensch! Den Abschluss des zweiten Tages bildet die Show des Münchner Labels Holy Ghost. Die Location ist atemberaubend, der Laufsteg im Pool. Dort unterhalte ich mich mit Thomas, dem Hairstylisten von KMS, um herauszufinden, welche Frisuren in der nächsten Saison auf uns zukommen. Als Flechtfrisuren-Liebhaberin interessiere ich mich besonders für seine Meinung über Zöpfe. Er lässt den Lockenstab sinken, mit dem er gerade ein Model stylt, und sieht mich verdattert an: „Zöpfe sind keine Frisur“, sagt er gedehnt, „Zöpfe sind lediglich … Zöpfe.“ Aha. Das ist der Moment, in dem ich mir mit meinem Half-up-Bun unglaublich unfrisiert vorkomme. Aber ich entschließe mich stattdessen, folgende Lehre daraus zu ziehen:
Geschmack ist subjektiv
Vielleicht gefällt nicht jedem, wie ich mich frisiere oder anziehe, aber das spielt keine Rolle: Schließlich muss ich mich wohlfühlen – nicht der andere. Wichtiger als jeder noch so coole Look ist jetzt jedenfalls eine ordentliche Dosis Schlaf, damit ich ausgeruht in den nächsten Tag starten und wieder stundenlang bildhübsche Models begutachten kann. Deshalb geht es jetzt auch rasch ins Bett, mit folgendem Wissen:
Das Hotel will weise gewählt werden
Der Schlafplatz in einer solch hektischen Woche ist idealerweise a) ruhig und b) zentral – sonst wird das nichts mit dem Schönheitsschlaf. Da ich im MotelOne wohne, bekomme ich beides und mache mich ausgeruht auf zum letzten Tag auf der Fashion Week. Mittlerweile habe ich mich an den Rummel gewöhnt und fühle mich fast heimisch: Ich erkenne ein paar Gesichter, quatsche mit einigen Leuten, als würde ich sie schon seit Jahren kennen („Ja, mir geht’s gut, danke, und deiner Katze?“) und beobachtete das Publikum. Dabei fällt mir etwas auf: Ein Mädchen in der dritten Reihe trägt einen auffälligen Pailetten-Jumpsuit und wirkt, als würde sie die Atmosphäre nicht genießen. Ständig zupft sie an sich herum und sieht unglücklich aus. Daraus schließe ich:
Mode bedeutet, sich selbst treu zu bleiben
Egal, ob auf der Fashion Week oder anderswo: Nur wenn man sich mit seinem Look wohlfühlt, kann man wie eine Fashionista aussehen. Denn: Mit dem richtigen Selbstbewusstsein wirken selbst Omas Schuhe wie Louboutins. Auf dem Weg zum Flughafen geht mir die wichtigste Lektion durch den Kopf: Egal, welcher Trend in ist und wo man gerade unterwegs ist: Ein Outfit ist wie eine zweite Haut. Darin sollte man sich in jedem Fall wohlfühlen. Ein Stil sollte einen nicht überdecken, sondern lediglich die Person betonen, die du bist. Nicht mehr und nicht weniger bedeutet Mode!