Es klingt ein bisschen nach einem viktorianischem Märchen: Frauen zwängen ihre Brüste in gepolsterte Metallkäfige und schnüren sie sich bis unters Kinn, sie ertragen Rückenschmerzen und Drähte, die sich in ihr Fleisch bohren. Das Problem ist nur, dass wir hier nicht vom 19. Jahrhundert reden: Sondern von der alltäglichen Schönheitsroutine moderner Frauen. Gemeint ist damit: Das Tragen eines BHs. Aber warum tut frau sich sowas eigentlich immer noch an, wenn die Zeit des Korsetts doch schon längst vorüber ist? Eine Frage, die sich wohl auch Kaitlyn Juvik stellte, als sie sich eines Tages entschloss, ohne BH in die Schule zu gehen. 

Kaitlyn besucht die Helena High School in Montana und wurde ins Büro des Rektors Steve Thennis zitiert. Der Grund: Kaitlyn war ohne BH in die Schule gekommen. Der Rektor meinte zwar, dass es nicht darum ginge, ob Kaitlyn einen BH tragen würde oder nicht – sondern darum, dass ihre Entscheidung, keinen zu tragen, „irgendjemandem in diesem Schulgebäude“ Unwohlsein beschert hat. Kaitlyn hatte also die Wahl: Entweder sie ziehe sich einen BH an oder ein weiteres Shirt über. 

 

Dabei wäre Juvik nicht einmal aufreizend gekleidet gewesen: „Womit ich konfrontiert wurde, war einfach falsch. Solange man nichts entblößt und man sich bedeckt, sollte es für Schülerinnen nicht als Pflicht gelten, in der Schule einen BH tragen zu müssen!“, so die Schülerin.

Im Dresscode der Schule wird übrigens nicht ausdrücklich erwähnt, dass weibliche Studentinnen einen BH tragen müssen. Das hat Juvik und andere Schülerinnen dazu veranlasst, einen weiteren Tag ohne BH in die Schule zu kommen. Mittlerweile hat ihre Facebook-Page „No Bra No Problem“ bereits nach kurzer Zeit über 8.000 Fans.

Fast 60 % aller Frauen klagen darüber, von BHs Nacken- Schulter-, oder Rückenschmerzen zu bekommen, mal ganz abgesehen von Einschneidungen und Abdrücken in der Haut, die durch Bügel und Träger entstehen. Die „ideale Brustform“ ist laut aktuellem Schönheitsideal eine feste, leicht abstehende Brust in Tropfenform mit Brustwarzen, die einen 45-Grad-Winkel nach oben aufweisen – kaum ein Busen sieht in der Realität allerdings so aus. Deshalb zwängen sich Frauen tagtäglich in BHs, die meistens nicht einmal wirklich passen. Sportmediziner Jean-Denis Rouillon meinte in einem Interview sogar: „Sobald Sie zu Hause sind: Weg mit dem BH! Vor allem beim Sport!“. Der Mediziner betonte, dass beim Weglassen des BHs das Brustgewebe nicht, wie allgemein vermutet, erschlafft, sondern im Gegenteil sogar gestärkt wird, er vergleicht den BH mit einem Korsett, dass den Körper in Form presst und beim Ablegen starke Schmerzen verursachen könnte, weil der Körper verlernt hätte, sich selbst zu stützen. Allerdings meinte der Mediziner, dass weitere Studien zum BH-Tragen notwendig seien und dass die in seiner Untersuchung vermessenen Probandinnen zwischen 15 und 30 Jahre alt waren. Für Mütter und adipöse Frauen würden seine Thesen nur bedingt zutreffen. Allerdings wären Frauen mit großen Körbchengrößen nicht unbedingt benachteiligt, wenn sie auf den BH verzichten, da er eine Frau mit Körbchengröße E in seinen Studien hatte, die auch ohne BH eine Straffung des Brustgewebes erzielen konnte.