Geschichte einer Geflüchteten: „Lieber sterben, als vergewaltigt zu werden“
Seit Jahrzehnten kämpfen in der afrikanischen Republik Kongo verschiedene Volksgruppen gegeneinander. Hunderttausende Menschen flüchten teilweise in die offene Steppe oder die umliegenden Länder. Mafi* ist eine von insgesamt über 285.000 Flüchtenden aus dem Kongo, die in Uganda Zuflucht vor der Krise gefunden haben. Kurz bevor sie von ihrem Heimatland nach Uganda geflohen ist, wurde sie von vier Männern vergewaltigt. Einer von ihnen ist der Vater ihres neugeborenen Kindes. Jennifer Bose von der Hilfsorganisation CARE Österreich hat sie im Flüchtlingscamp Kyangwali getroffen und ihre Geschichte aufgezeichnet.
Mafi erzählt: „Ich war gerade Holz holen, als die vier bewaffneten Männer plötzlich auf mich zukamen. Ich schrie so laut ich konnte um Hilfe, aber niemand kam, um mich zu retten. Die Männer schlugen mich auf den Boden, ich wusste, was sie vorhatten. ‚Tötet mich‘, habe ich ihnen zugerufen. Denn ich wollte lieber sterben, als von ihnen vergewaltigt zu werden. Doch sie hörten nicht auf mich.“
Irgendwann bin ich vor lauter Schmerzen in Ohnmacht gefallen.
Ich bin im Krankenhaus wieder aufgewacht. Die Krankenschwester erzählte mir, dass Dorfbewohner mich im Wald aufgefunden und mich zur Straße gebracht hätten. Dem Schicksal sei Dank, dass in dem Moment ein Polizeiwagen vorbeigefahren ist und mich ins Krankenhaus gebracht hat. Die Ärzte waren sehr nett und behielten mich einige Wochen dort. Sie waren es auch, die mir erzählt haben, dass ich schwanger bin. Mein Herz ist fast stehen geblieben vor Schreck, aber ich wusste, dass ich das Kind auf die Welt bringen würde. Denn meine eigenen drei Kinder habe ich verloren.
Nachdem ich aus dem Krankenhaus entlassen wurde, war mir klar, dass ich fliehen musste, um mein Leben und das meines Kindes zu retten. In meinem Dorf sah ich wie mehrere Familien in Richtung des Albertsees aufbrachen und entschied, mich ihnen anzuschließen. Von zu Hause konnte ich nur mein Radio einpacken. Ich wusste, dass ich es zum Verkauf benötigen würde, um mir die Bootsfahrt nach Uganda leisten zu können. Meine Flucht hat fast zwei Wochen gedauert. Auf dem Weg hatte ich einen alten Freund meines Mannes getroffen. Er gab mir etwas Wasser und Geld für den Weg mit. Vor ungefähr drei Monaten bin ich in Uganda angekommen, seitdem lebe ich hier.
Ich war hilflos.
Ich musste alles stehen und liegen lassen und wusste nicht, wie ich mein Kind großziehen sollte mit der wenigen Hilfe, die ich bekam. Doch dann traf ich Esther, sie arbeitet für CARE. Esther hat mir zugehört, mich Sachen gefragt und mir etwas Hoffnung zurückgegeben. Nachdem mein Baby geboren wurde, hat sie mir sogar Kleidung für mein Neugeborenes gebracht. Ich hätte niemals gedacht, dass jemand so nett zu mir sein könnte. Ich kann ihr meine unendliche Dankbarkeit nicht genug zeigen. Aber ich habe meine Tochter nach ihr benannt. Sie heißt Esther.
Meine Tochter ist unschuldig. Sie kann nichts für die Gräueltaten ihres Vaters. Ich will ihr eine Zukunft bieten und sie so gut es geht unterstützen. Obwohl das Leben in Uganda besser ist, weiß ich noch immer nicht wie unsere Zukunft aussehen wird. Aber immerhin habe ich nun Hoffnung, dass wir es schaffen werden.“
*Der Name wurde aus Sicherheitsgründen geändert
CARE in Uganda/Kongo
Die Krise in der Demokratischen Republik Kongo zwingt die Menschen dazu, ihr Zuhause zu verlassen. CARE unterstützt die Geflüchteten im Flüchtlingslager Imvepi in Uganda und versorgt sie mit Nahrung, Unterkunft und sauberem Wasser. Nach Angaben der Vereinten Nationen hungern mehr als 7,5 Millionen Menschen im Kongo – das sind 30 Prozent mehr als noch vor einem Jahr. Mehr als zwei Millionen Kinder sind von akuter Mangelernährung betroffen. Frauen und Mädchen haben unvorstellbare sexuelle Gewalt erlebt. CARE arbeitet seit 1994 in der Demokratischen Republik Kongo. Der Fokus der Organisation liegt vor allem auf der Stärkung von Frauen und Jugendlichen.