Ein Jahr #MeToo: Was hat sich seither getan?
Ein Jahr ist es nun her, dass in der New York Times ein Artikel über den Hollywood-Produzenten Harvey Weinstein veröffentlicht wurde, der die #MeToo Bewegung ins Rollen gebracht hat. Er wurde beschuldigt mehrere Frauen in Hollywood vergewaltigt oder sexuell belästigt zu haben. Die Schauspielerin Alyssa Milano rief Frauen via Twitter dazu auf, unter dem Hashtag #MeToo ebenfalls ihre Erfahrungen und Erlebnisse mit der Öffentlichkeit zu teilen. Seither ist viel passiert.
#MeToo Bewegung: Welle der Anschuldigungen
Zumindest wenn es darum geht, dass sich immer mehr Frauen trauen, in der Öffentlichkeit über ihre Erfahrungen mit sexueller Belästigung und sexueller Gewalt zu sprechen, hat die #MeToo Debatte mittlerweile einiges bewirkt. Nach dem Artikel über Harvey Weinstein in der New York Times, gab es auch in Europa eine Welle der Anschuldigungen in den Bereichen Politik, Sport und Kultur. In Schweden wurde das Sexualstrafrecht verschärft, in Frankreich ist sexuelle Belästigung ab sofort strafbar und viele namhafte Personen mussten ihre Posten räumen.
Sexuelle Belästigung in Österreich: Was hat #MeToo bewirkt?
Dass die #MeToo Debatte etwas in der Gesellschaft ausgelöst hat, merkt man auch in Österreich. Laut der Gleichbehandlungsanwaltschaft sind seit Beginn von #MeToo im Oktober 2017 im ersten Halbjahr 2018 mehr Beschwerden wegen sexueller Belästigung am Arbeitsplatz eingegangen, als im Vorjahr. Zudem stieg die Nachfrage nach Schulungen und Workshops zu diesem Thema in vielen Unternehmen an. Und auch Vorwürfe gegen konkrete Personen wurden laut. So erhob etwa die ehemalige Skirennläuferin Nicola Werdenigg Vorwürfe gegen den österreichischen Skisport der Siebzigerjahre. Dem Parlamentarier Peter Pilz wurde ebenfalls sexuelle Belästigung vorgeworfen und es wurden weitere Anschuldigungen gegen verschiedenste Personen aus Kunst und Kultur laut. Verurteilungen gab es bislang keine. Manche der Beschuldigten legten lediglich ihre Ämter ab oder wurden teilweise vom Dienst suspendiert. Viele sind mittlerweile aber auch wieder in ihrem vorigen Job tätig. Weitreichendere Konsequenzen blieben aus.
Was kann in Österreich gegen sexuelle Belästigung gemacht werden?
Aus rechtlicher Sicht scheinen die Mühlen in Österreich allerdings immer noch sehr langsam zu mahlen. Das zeigt der aktuelle Fall der Ex-Grünen-Abgeordneten Sigi Maurer. Die 33-Jährige wurde wegen übler Nachrede verurteilt. Sie hatte die obszönen Nachrichten eines Bierladenbesitzers öffentlich gemacht und würde dafür verklagt – und das obwohl der Richter eigentlich davon überzeugt ist, dass der Kläger lügt. Sie hat nun Berufung eingelegt. Doch so etwas sollte eigentlich erst gar nicht passieren. Könnte dieser Fall doch nun genau das Gegenteil von dem bewirken, wofür die #MeToo Debatte eigentlich steht und viele Frauen dadurch wieder zum Schweigen gebracht werden, wenn sie sehen, dass ihr Laut werden sogar gegen sie verwendet werden kann.
Wie die Rechtslage in Österreich aussieht, hat uns Rechtsanwältin Mag. Katrin Heinisch erklärt:
„Die strafbaren Sexualdelikte umfassen die äußerliche intensive Berührung einer der Geschlechtssphäre zuzuordnenden Körperstelle (= häufig zitierter „Po-Grapsch“-Paragraph) bis hin zur Vergewaltigung. Ebenso wer öffentlich und unter Umständen, unter denen sein Verhalten geeignet ist, durch unmittelbare Wahrnehmung berechtigtes Ärgernis zu erregen, eine geschlechtliche Handlung vornimmt (zB. Masturbation im öffentlichen Raum) und pornographische Darstellungen Minderjähriger (= Personen unter 18 Jahren). Auch die reine Anbahnung von Sexualkontakten zu Unmündigen Minderjährigen (= Personen unter 14 Jahren; zB. in einem Chat) ist strafbar. Ansonsten fallen aber rein verbale/bildliche sexuelle Äußerungen/Abbildungen ohne Körperkontakt grundsätzlich nicht unter die gerichtlich strafbaren Sexualdelikte. In manchen Lebensbereichen verschafft hierfür jedoch das Gleichbehandlungsgesetz Abhilfe. Im Arbeits- und Ausbildungsbereich wird der Begriff der sexuellen Belästigung weiter ausgelegt als im Strafgesetzbuch.“
Nicht nur körperliche sexuelle Belästigung, sondern auch verbal Äußerungen können angezeigt werden. Diese werden bislang eben durch das Gleichbehandlungsgesetz geregelt. Allerdings bezieht sich dieses bislang nur auf den Arbeits- und Ausbildungsbereich. In den anderen Lebensbereichen besteht hier bedauerlicherweise eine Lücke, so Rechtsanwältin Katrin Heinisch.
„Bei sexueller Belästigung im Arbeits- und Ausbildungsbereich – Arbeitgeber/Kollegen/ Kunden etc. – regelt das Gleichbehandlungsgesetz, dass die betroffene Person gegenüber dem/der Belästiger/in Anspruch auf Ersatz des erlittenen Schadens hat. Soweit der Nachteil nicht nur in einer Vermögenseinbuße besteht, hat die betroffene Person zum Ausgleich der erlittenen persönlichen Beeinträchtigung Anspruch auf angemessenen, mindestens jedoch auf 1 000 Euro Schadenersatz. Als sexuelle Belästigung gelten hier etwa eindeutige verbale sexuelle Äußerungen, anzügliche Witze und Bemerkungen, sexuelle Anspielungen in jeglicher Kommunikationsform, sichtbare pornografische Bilder oder Pin-up-Poster im Arbeitsbereich. Betroffene Personen können sich an die Gleichbehandlungskommission und/oder das Arbeits-und Sozialgericht wenden. „
Der Fall Maurer sollte betroffene Personen nicht davon abhalten Anzeige zu erstatten, betont Katrin Heinisch. „Frau Maurer wurde auch nicht verurteilt, weil sie eine Anzeige erstattet hat, sondern, weil sie den von ihr verdächtigen Täter selbst öffentlich bekanntgegeben hat.“
Ab wann kann ich zur Polizei gehen und Anzeige erstatten?
Sexuelle Belästigung ist für viele Frauen leider bereits alltäglich geworden, trotzdem und gerade deswegen ist es wichtig, Anzeige zu erstatten. Mag. Heinisch bestätigt: „Grundsätzlich kann man immer zur Polizei gehen. Jedes Verhalten, dass für das Opfer subjektiv eine sexuelle Belästigung darstellt kann zur Anzeige gebracht werden. Ob der Vorfall das strafrechtliche Tatbild erfüllt und Anklage erhoben wird, entscheidet dann die Staatsanwaltschaft. “
Was hat die #MeToo Debatte nun wirklich bewirkt?
Die Debatte hat jedenfalls ein Umdenken und Aufhorchen in der Gesellschaft bewirkt. Viele Menschen gehen sensibler mit dem Thema um und es scheint ein wesentlicher Bestandteil in unserem Alltag geworden zu sein – zumindest in dem vieler Frauen. Was den Umgang mit Anschuldigen und Vorwürfen angeht, scheinen wir aktuell noch meilenweit von großen Veränderungen entfernt zu sein. Gerade erst wurde in den USA der Trump-Kandidat Brett Kavanaugh zum Richter am US-Supereme Court ernannt, obwohl gerade noch Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs gegen ihn laut wurden. Und auch Harvey Weinstein wurde übrigens noch immer nicht verurteilt. Er wurde zwar wegen Vergewaltigung angeklagt, seine Anwälte plädieren nun aber auf „nicht schuldig“. Das Verfahren läuft noch immer. Und während er mit elektronischen Fußfesseln gemütlich zuhause sitzen kann, kämpfen auf der ganzen Welt immer noch tausende Frauen dafür, gehört und ernst genommen zu werden.