Neun von zehn Eltern entscheiden sich gegen ein Kind mit Trisomie 21. Wir haben mit einer frischgebackenen Mama über ihr kleines Wunder mit dem Extrachromosom gesprochen.

Wenn man Nina und Oskar das erste Mal sieht, ist man erst mal hin und weg. Mit Leichtigkeit und unglaublich viel Gelassenheit hält die Vollblut-Mama ihren aufgeweckten Kleinen im Arm. Sein Blick wirkt, als wüsste er schon längst, dass er sich die wohl beste Familie von allen ausgesucht hat.

Downsyndrom
Paulin Klärner

Eine Entscheidung

In der 24. Schwangerschaftswoche wurde Nina mitgeteilt, dass Oskar Trisomie 21 hat. 9 von 10 Paaren entscheiden sich, ihr Baby mit Down-Syndrom abzutreiben. Laut Paragraph 97 im österreichischen Strafgesetzbuch darf bis kurz vor der Geburt abgetrieben werden, wenn „eine ernste Gefahr besteht, dass das Kind geistig oder körperlich schwer geschädigt“ sein wird.

„Zwei Stunden hat es gedauert“, um die Nachricht zu verdauen, erzählt Nina. „Zwei Stunden. Und danach war klar: Das ist Oskar, und nicht nur ‚ein Baby mit Down-Syndrom‘. Das ist Oskar, auf den sich schon alle so sehr freuen“.

Ein holpriger Start…

„Das Kind hot an Mongolismus“, waren die Worte des verantwortlichen Arztes, der von der Krankenschwester erst dazu überredet werden musste, es der werdenden Mama bitte persönlich, und nicht per Telefon mitzuteilen. Das war nur der Anfang des empathielosen und unaufgeklärten Umgangs mit dem kleinen Neuankömmling.

Zu oft wurde Nina von Ärzten und Schwestern erklärt, was sie mit einem Baby mit Down-Syndrom alles NICHT machen kann. „Sie brauchen gar nicht glauben, dass Sie ihn stillen können“, wurde ihr gleich nach der Geburt mitgeteilt. Nach zwei Monaten saugte der kleine Oskar frisch und munter an Mamas Brust.

Downsyndrom
Paulin Klärner

Anstatt auf die vielen Möglichkeiten, die es heute gibt, um sich auf ein Leben mit einem Kind mit Beeinträchtigung einzustellen, aufmerksam zu machen und sich offen mit dem zusätzlichen Chromosom auseinanderzusetzen, wurde der kleinen Familie der Start ins neue Leben also erstmal ordentlich erschwert.

Und was ist jetzt eigentlich „anders“?

Auf die Frage, was denn bei Oskar nun tatsächlich anders sei, als bei einem ’normalen‘ Baby antwortet Nina: „Es dauert alles ein bisschen länger. Er wird die Dinge eben in seinem eigenen Tempo meistern. Und jede neue, noch so kleine Sache die er kann, ist nicht selbstverständlich. Nichts ist mehr selbstverständlich, „die Prioritäten verschieben sich einfach. Er ist gesund, er lacht, er hört – das sind die wichtigsten Dinge“.

Was würdest du Eltern raten, die ein Baby mit Down-Syndrom bekommen?

„Das was ich eigentlich allen Eltern raten kann: Nämlich besonders auf das Bauchgefühl zu hören, sich bloß nichts einreden zu lassen und genau das zu tun, was sich richtig anfühlt“. Die Entscheidung, ob man ein Baby mit Down-Syndrom bekommt oder nicht, ist eine persönliche, meint Nina, „Das muss jeder für sich selbst entscheiden“. Ihr Rat für Unschlüssige lautet aber: „Einfach trauen. Die Kinder suchen sich uns aus. Und man darf nicht vergessen, dass so ein besonderes Geschenk das Leben so viel bunter und abenteuerlicher machen kann“.

Wenn es um die Zukunft geht, wirkt Nina genauso gelassen und liebevoll wie im Umgang mit ihrem Kleinen. „Man weiß nie, was auf einen zukommt. Vielleicht wird er erst mit 14 Jahren flüssig sprechen, aber es gibt für die gesamte Bandbreite (von Ausprägungen) so viele Möglichkeiten, um Kinder zu fördern“.

Downsyndrom
Paulin Klärner

Aus genetischer Sicht unterscheidet man vier Formen der Trisomie 21: Die Mosaik-Trisomie, die Translokations-Trisomie, die Partielle Trisomie und die freie Trisomie – wobei letztere mit etwa 95% am häufigsten vorkommt. Die Ausprägungen können von Person zu Person ganz unterschiedlich ausfallen. So gibt es Menschen mit Down-Syndrom, die bis zu ihrem Lebensende kein Wort sprechen und gepflegt werden müssen, aber auch jene, die studieren und ein vollkommen eigenständiges Leben führen.

So wie der spanische Lehrer und Schauspieler Pablo Pineda, der mit seinen berührenden Worten die Problematik des Umgangs mit dem Down-Syndrom auf den Punkt trifft: „Das größte Manko der Gesellschaft ist, das Anderssein nicht verstehen zu können (…) Für mich gibt es zwei Konzepte: Das Konzept der Angst und das Konzept der Liebe. Und wenn wir bis jetzt mit dem Konzept der Angst gelebt haben, wird es Zeit, dieses zu verlassen.“.

Kein Syndrom, sondern ein Mensch

Wörter wie „Defekt“, „Syndrom“ und „krank“ kann Nina nicht mehr hören. „Es ist ärgerlich, wenn Menschen Kinder mit 46 Chromosomen als ‚gesund‘ bezeichnen. Mein Kind ist schließlich nicht krank“. Hier muss dringend ein Umdenken stattfinden. Was sich Nina also für die Zukunft wünscht, ist mehr positive Aufklärung. Menschen sollen wissen, dass die Diagnose Down-Syndrom kein „Todesurteil für die Familie“ und die eigene Zukunft sein muss, sondern, ganz im Gegenteil, unglaublich bereichernd sein kann.

Natürlich gibt auch Nina zu – wie wohl jede Mama – schon „ein bisschen Angst“ zu haben, wenn es um die vielen Herausforderungen geht, die ihr bevorstehen. Wie erklärt man seinem Kinder später einmal, dass es anders ist? Wie wird seine erste Liebe? Wie wird er mit Dingen umgehen, die ’normale 16-Jährige‘ tun dürfen und er nicht?

Hier fügt sie aber lächelnd hinzu: „Hast du gewusst, dass das vier-blättrige Kleeblatt den gleichen Gendefekt hat, wie ein Kind mit Down-Syndrom?“. Damit ist die Extraportion Glück also schon mal garantiert.

 

Downsyndrom
Paulin Klärner
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