Diskussion nach Oscar-Sieg: Sind Fatsuits diskriminierend?
Mit „The Whale“ gelang Schauspieler Brendan Fraser sein großes Hollywood-Comeback. Doch nicht alle sind mit dem Erfolg des Films glücklich; vor allem wegen der Verwendung von Fatsuits.
Online diskutieren jetzt viele über das Thema.
Sind Fatsuits diskriminierend?
Was haben „Hairspray“, „Schwer verliebt“ und der Oscar-Film „The Whale“ gemeinsam? Sie alle verwenden Fatsuits, um mehrgewichtige Menschen darzustellen. Ein Trick, der in Hollywood seit Jahrzehnten genutzt wird. In dem Fatsuit stecken dann meist schlanke Männer und Frauen, die mithilfe von Gesichtsprothesen, Make-up und gepolsterten Bodys dutzende Kilos auf die Leinwand mogeln. Dass das für Menschen, die tatsächlich mehrgewichtig sind, ganz schön verletzend sein kann, ist wohl nur für wenige überraschend.
Denn während Stars wie Gwyneth Paltrow, Courtney Cox und John Travolta ihren Fatsuit und damit das Gewicht am Ende des Drehs einfach abstreifen konnten, ist die Realität für Menschen, die tatsächlich übergewichtig sind, anders. Immer wieder wird deshalb die Frage gestellt, wie authentisch denn eine Darstellung in einem Fatsuit überhaupt sein kann und warum nicht einfach Menschen gecastet werden, die dem gesuchten Körperbild entsprechen. Warum sollte nicht eine tatsächlich mehrgewichtige Person eine mehrgewichtige Figur verkörpern?
Oscar für einige Twitter-User:innen nicht gerechtfertigt
Genau das fragten sich auch Kritiker:innen rund um die Veröffentlichung von „The Whale“. In dem Film spielt Brendan Fraser einen Professor, der nach dem Verlust seines Partners viel Gewicht zunimmt. Um diese Figur verkörpern zu können brauchte es für Fraser einen Fatsuit. Dieser sei „angemessen schwer“ gewesen, verrät Fraser bei einem Auftritt in der „Graham Norton Show“. Das habe es ihm ermöglicht, „näher an das Leben in einem Körper dieser Größe“ zu kommen, betont er. Doch auch, wenn Fraser für das Filmprojekt mit der Obesity Action Coalition zusammenarbeitete und auch mit Menschen sprach, die sich einer Magenverkleinerung unterzogen haben, sahen viele den Einsatz von Fatsuits zur Veröffentlichung des Films kritisch.
Und genau diese Kritik entflammt jetzt erneut. Denn „The Whale“ gewann nicht nur einen Oscar in der Kategorie „Bester Hauptdarsteller“, sondern auch für das beste Make-up. Damit wurde also aktiv der Einsatz des Fatsuits ausgezeichnet. Ein großer Fehler, betonen viele auf Twitter. „Es ist schon schlimm genug, dass wir immer noch Schauspieler in Fatsuits stecken, aber jetzt verleihen wir auch noch den Oscar für das beste Make-up an denjenigen, der den Fatsuit macht???“, kritisiert etwa die Chefredakteurin des „Self“-Magazins Rachel Wilkerson Miller auf Twitter.
Fans verteidigen Brendan Fraser
Und viele sehen es ähnlich. Sogar die Körperpflegemarke „Dove“ äußert sich zu dem Diskurs und betont: „Hört auf, Fatsuits Preise zu geben! Wir wollen eine bessere Repräsentation in Hollywood!“ Viele andere User:innen betonen aber auch, dass ein Fatsuit mit kreativem Make-up und Frisuren wenig zu tun hat. Insbesondere, weil es in den Augen einiger User:innen viele kreative Make-up-Einsätze gab, die den Preis deutlich mehr verdient hätten. Auf Twitter nennen viele in diesem Zusammenhang etwa „Everything Everywhere All at Once“ und das Make-up von Nebendarstellerin Stephanie Hsu. Und auch Elvis und „The Batman“ haben in den Augen einiger User:innen deutlich mehr Einsatz in diesem Bereich gezeigt.
Der Großteil der Kritik richtet sich allerdings nicht gegen Hauptdarsteller Brendan Fraser. Denn zahlreiche User:innen online betonen: seine Performance war oscarwürdig und er hat den Preis als „Bester Hauptdarsteller“ wirklich verdient. „Wir Normalos haben nicht den Fatsuit gesehen, sondern einen großartigen Schauspieler, der in dem Film echte Gefühle zeigt. Die Tatsache, dass er als übergewichtig dargestellt wurde, ist nicht wichtig. Er spielte eine verletzliche Figur und spielte sie gut“, schreibt etwa ein User.
„The Whale“-Regisseur spricht über Casting-Prozess
Und auch „The Whale“ Regisseur Darren Aronofsky hat sich in der Vergangenheit bereits zu dem Thema geäußert. Denn im vergangenen Jahr erklärte er gegenüber „Variety“ die Entscheidung, Brendan zu casten. „Während der Entstehung dieses Films gab es ein Kapitel, in dem wir versuchten, übergewichtige Schauspieler zu finden“, sagt Aronofsky. Doch das Vorhaben scheiterte. Denn: „aus gesundheitlicher Sicht ist das nicht tragbar“, erklärt er. „Es ist unmöglich, diese Rolle mit einer echten Person zu besetzen, die mit diesen Problemen zu kämpfen hat.“
Als er Fraser schließlich für die Rolle vorsprechen ließ, war klar: das ist seine Hauptrolle. „Sobald er nach unserem ersten Treffen mein Büro verließ, spürte ich es“, so Aronofsky. „Ich wusste, dass er jemanden spielen könnte, den die meisten Leute zunächst ablehnen würden, aber innerhalb von fünf Minuten würden sie anfangen, etwas für ihn zu empfinden. Dann, nach 20 Minuten, verlieben sie sich in die Figur, weil Brendan einfach etwas an sich hat. Ziemlich bald beginnt er, einem das Herz zu brechen.“ Und dieser Plan ist – zumindest mit Blick auf die Oscars – definitiv aufgegangen.