Die Pandemie hat unsere Persönlichkeit verändert
Eigentlich sind unsere Persönlichkeit und grundlegende Charaktereigenschaften sehr stabil und verändern sich vor allem im Alter kaum oder nur langsam. Wie eine aktuelle Studie aus den USA jetzt aber zeigt, war das während der Pandemie aber anders.
Demnach haben sich durch die Ausnahmesituation während Corona sonst eigentlich stabile Eigenschaften zumindest kurzfristig verändert. Die Daten dazu wurden nun im Fachmagazin „PLOS One“ veröffentlicht.
Pandemie verändert unsere Persönlichkeit
Was sich viele nach beinahe drei Jahren der Pandemie wohl schon gedacht haben, bestätigt jetzt eine US-Studie: Die Corona-Pandemie veränderte die Persönlichkeit der Menschen. Forscher haben im Rahmen einer Untersuchung insgesamt 7.000 US-Amerikaner:innen befragt und dabei festgestellt, dass es insbesondere bei jüngeren Menschen durch die Pandemie zu Persönlichkeitsveränderungen gekommen ist.
Generell unterteilen Wissenschaftler die Persönlichkeit in fünf verschiedene Merkmale: neurotisch, extrovertiert, offen, gewissenhaft und verträglich. Unzählige vergangene Studien haben bislang ergeben, dass diese Merkmale nicht durch gravierende externe Faktoren und belastende Umweltereignisse, wie etwa Naturkatastrophen, beeinflusst werden. Unsere Persönlichkeit verändert laut einer älteren Studie wenn überhaupt nur alle zehn Jahre, und auch dann nur ganz wenig. Anders verhält sich das aber offenbar mit der Corona-Pandemie, wie die aktuelle US-Studie jetzt zeigt.
Langzeitstudie zeigt Auswirkungen der Pandemie auf Charakterzüge
Wie das Team rund um Studienleiterin Angelina R. Sutin vom Florida State University College of Medicine in kürzlich veröffentlichen Studienergebnissen erklärt, sie es durch die Corona-Pandemie zu messbaren Veränderungen in den oben beschriebenen fünf Persönlichkeitsmerkmalen gekommen. Im Rahmen der Untersuchung wurden Daten von insgesamt 7.000 US-Amerikaner:innen zwischen 18 und 109 Jahren ausgewertet, die über einen Zeitraum von acht Jahren, also von 2014 bis 2022, erhoben wurden.
Während die Wissenschaftler:innen dabei zu Beginn der Pandemie nur eine leichte Veränderung bei der Persönlichkeitsdimension Neurotizismus feststellten, zeigten sich Menschen im späteren Verlauf der Pandemie zunehmend introvertierter, weniger offen, verträglich und gewissenhaft. Das Ausmaß der Veränderungen war laut Studienergebnissen etwa so groß, wie die normale Persönlichkeitsveränderung innerhalb von zehn Jahren.
Social Distancing und fehlende Struktur
Besonders bemerkbar machten sich diese Veränderungen eher bei jungen Erwachsenen. Hingegen bei den älteren Studienteilnehmer:innen keine signifikanten Veränderungen der jeweiligen Persönlichkeitsmerkmale gemessen wurden. Lediglich die Persönlichkeitsdimension Neurotizismus (Menschen mit dieser Ausprägung sind meist ängstlich und labil) veränderte sich bei älteren Befragten auffälliger. Diese waren – zumindest zu Beginn der Pandemie – demnach weniger neurotisch als zuvor. Diesen Widerspruch erklärt sich das Studien-Team so, dass ängstliche Menschen aufgrund der Pandemie plötzlich eine bessere Erklärung für ihre Gefühle hatten und verstärkte Hygiene- und Sicherheitsmaßnahmen aufgrund des Virus, sowie der anfängliche soziale Zusammenhalt positive Auswirkungen auf ihre Persönlichkeit hatten.
Mit der Zeit gingen diese positiven Effekte auf den Neurotizismus jedoch wieder zurück; zwischen 2021 und 2022 bemerkten die Wissenschaftler dann aber starke Veränderungen in den anderen vier Persönlichkeitsdimensionen. So fühlten sich Menschen etwa introvertierter oder weniger gewissenhaft. Die Forscher:innen führen das etwa auf Social Distancing und die fehlenden Strukturen, sowie fehlende Stabilität zurückführen.
Stärkere Veränderung bei jungen Erwachsenen
Die Abweichungen seien laut Forscher:innen zwar nicht drastisch, aber dennoch sichtbar. Besonders interessant: nicht alle Altersgruppen waren gleichermaßen von den Persönlichkeitsveränderungen betroffen. Vor allem bei der jungen Generation habe man die Auswirkungen am stärksten sehen können. Es gab eine deutliche Zunahme von Neurotizismus und einen Rückgang der Gewissenhaftigkeit und Verträglichkeit; junge Menschen waren demnach weitaus launischer, stressanfälliger, weniger kooperativ, misstrauischer und weniger verantwortungsvoll als andere. Und das, obwohl sich die Persönlichkeit in diesem Alter normalerweise festigt und stabiler wird.
Die US-Forscher:innen kommen aufgrund der Forschungsergebnisse zu dem Schluss, dass bevölkerungsweite Stressereignisse, wie etwa eine Pandemie, vor allem auf junge Menschen einen starken, sogar persönlichkeitsverändernden Einfluss haben. Unklar ist derzeit noch, ob die gemessenen Veränderungen nur vorübergehend oder doch langanhaltend sind. Sollte letzteres der Fall sein, könnte das durchaus Folgen haben. Denn vor allem Gewissenhaftigkeit spielt eine zentrale Rolle, wenn es darum geht, ein erfolgreiches und gesundes Leben zu führen.