Der neue „Pinocchio“-Film ist da – und wir fragen uns nur: Warum eigentlich?
Es ist wieder einmal Zeit für ein Remake – zumindest, wenn es nach Disney geht. Dieses Mal soll aber keine Prinzessin eine Realverfilmung bekommen, sondern eine Holzpuppe. Denn Pinocchio bekommt jetzt das 2022er-Makeover.
Und irgendwie ist das ziemlich verwirrend.
Pinocchio bekommt ein 2022er-Makeover
Man mag von Remakes halten, was man will, aber eines schaffen sie immer: Nostalgie-Gefühle erwecken. So auch der neueste Streich aus dem Hause Disney: „Pinocchio“. Denn schon alleine, als der erste Trailer veröffentlicht wurde, sehnten wir uns zurück zu den „guten alten Zeiten“, in denen das größte Problem unseres Lebens war, dass das Fruchtzwerge-Selbstmacheis einfach zu lange gebraucht hat, bis es fertig war.
Für alle, die sich nicht mehr erinnern können: In „Pinocchio“ geht es um eine gleichnamige Holzpuppe, die von Meister Gepetto geschaffen wird. Gepettos größter Wunsch: aus der Puppe soll ein richtiger Junge werden. Ein Wunsch, den ihm die Blaue Fee kurze Zeit später erfüllt – zumindest teilweise. Denn Pinocchio sieht zwar weiterhin aus wie eine Puppe, kann aber sprechen, gehen und tanzen. Um die vollständige Verwandlung zum richtigen Jungen zu erleben, muss er beweisen, dass er tapfer, ehrlich und selbstlos ist. Ein Ziel, dass er auf mehreren Missionen mithilfe seines Begleiters Jiminy Grille zu erreichen versucht. Dabei gerät er allerdings in die Fänge eines Puppenspielers, eines Herumtreibers und eines Wals und muss seine Familie retten.
Und genau darum geht es auch in dem Remake 82 Jahre später. Und wir meinen GENAU darum. Denn das Remake mit Tom Hanks ist teilweise eine Szene für Szene nachgestellte Kopie des Originals inklusive Outfits, Songs und Story-Aufbau. Sogar die zweideutigen Witze von Jiminy sind die gleichen.
Adaptierungen und Extras, die kaum beachtet werden
Zugegeben, ein paar Adaptierungen gibt es schon. Meister Gepetto ist in der 2022er-Version ein Witwer, der auf irgendeine (im Film nicht erwähnte) Weise seinen einzigen Sohn verloren hat. Dementsprechend groß ist sein Wunsch nach einer Familie. Auch eine kleine Erklärung für den Namen bekommen wir (Pine – die Holzart, aus der er geschnitzt ist und das italienische Wort für Augen „occhio“). Wir lernen die neuen Charaktere Sofia (eine Möwe) und Fabiana (eine Puppenspielerin) kennen und hören den neuen Song „I Will Always Dance“, den Fabiana singt. Aber eben diese Zusätze, die das Remake legitimieren würden, werden leider absolut nicht ausreichend thematisiert, sondern nur hinzugeworfen. Wir erfahren also weder, warum Gepettos Sohn tot ist, noch bekommen wir mehr von Fabianas Geschichte zu sehen, was wirklich schade ist!
Das Ende hat dann aber immerhin noch eine deutlich inklusivere Moral für Pinocchio als die ursprüngliche Geschichte. Denn er muss nicht zwangsläufig ein echter Junge werden, um seinen Vater stolz zu machen. Eine komplette Transformation sehen wir deshalb nicht. Und natürlich sind die Szenen 82 Jahre später deutlich beeindruckender gestaltet als noch 1940. Die Vergnügungsinsel wird etwa zu einer gigantischen und atemberaubenden Achterbahnfahrt voller Überraschungen und Twists. Auch Pinocchios erster Auftritt im Puppentheater bekommt mit modernen CGI-Effekten und den Lichtern eine ganz neue Schwere, die zeigt, wie schwierig Pinocchios Leben auf der Bühne ist.
War „Pinocchio“ immer schon so creepy?
Doch trotz dieser Adaptierungen und Extras kommen während des Schauens immer wieder extreme Déjà-Vu-Gefühle hoch. Denn ja, all das haben wir schon dutzende Male in unserer Kindheit gesehen – nur eben in gezeichneter Version. Und vielleicht liegt es ja an dem fortgeschrittenen Alter, vielleicht aber auch daran, dass nicht mehr alles gezeichnet und dadurch niedlich aussieht, aber irgendwie ist die Geschichte von Pinocchio ziemlich weird.
Denn mit etwas anderer Musik im Hintergrund wäre das doch der Plot eines Horrorfilms: Ein einsamer, alter Mann mit schrägem Schnauzer, der mit seiner Katze und seinem Goldfisch spricht, schnitzt sich eine Puppe, damit er nicht mehr alleine leben muss und erweckt sie dann zum Leben, um endlich jemanden seine Familie nennen zu können. Könnte doch auch ein Profil aus „Criminal Minds“ sein, oder?
Wo wir schon bei schrägen Situationen sind: ist die Vergnügungsinsel tatsächlich eine Metapher für Kinderhandel oder interpretieren wir hier ein bisschen zu viel hinein? Was passiert mit den anderen Kindern? Und ganz ehrlich: hat sich bei der wachsenden Holznase von Pinocchio niemand gedacht: Hmmm… das sieht dann doch ein bisschen anzüglich aus; oder war das etwa mit voller Absicht? Fragen über Fragen, die man sich als Mit-Zwanzigerin also stellt, wenn man in die Welt von Pinocchio eintauchen will. Zugegeben, dafür kann weder Tom Hanks etwas, noch die leicht befremdliche Synchronstimme von Pinocchio, die immer etwas zeitverzögert auf Gepettos Fragen reagiert.
Braucht es wirklich ein Remake?
Diese Fragen zeigen aber vor allem eines: In die neue Welt von Pinocchio kann man einfach nicht so leicht eintauchen. Und da wären wir auch schon bei dem größten Problem: So richtig magisch ist hier leider nichts. Nicht nur, weil wir die Handlung schon kennen, sondern auch, weil eine Real-Verfilmung irgendwie keinen Sinn macht. Schließlich sind viele Handlungsträger:innen animiert. Manche gut, wie Pinocchio, andere, wie die Katze Figaro, richtig seltsam (warum hat man eigentlich keine echte Katze genommen?). Hier ist so viel animiert – warum braucht es dann überhaupt eine neue Version. Reicht dann nicht die wunderschön designte Zeichentrick-Variante?
Schon klar, die 2022-Version wird Disney vermutlich nicht nur jede Menge Geld bringen, sondern einer neuen Generation die Geschichte von Pinocchio erzählen. Und das ist wirklich schön. Natürlich ist es auch verständlich, dass die jüngste Generation das Design und die Optik eines gezeichneten Films aus 1940 eventuell befremdlich finden könnte. Und irgendwie war dieser Nostalgie-Boost für uns „alte Hasen“ ja auch ganz schön.
Aber trotzdem. Die neue Version kann einfach nicht mit dem Original mithalten. Vielleicht wäre es ja besser (und günstiger), in Zukunft nicht mehr auf Remakes zu setzen, sondern den alten Klassikern einfach ein optisches Upgrade zu geben. Wie Disney es etwa bei „König der Löwen“ gemacht hat, als der Film 2011 erneut in den Kinos gezeigt wurde – dann aber als 3D-Version und digital überarbeitet.
Oder, wenn man schon unbedingt ein Remake plant, dann BITTE beim nächsten Mal mit ein paar neuen Aspekten und tiefergehenden Storys, die das Remake zumindest auf irgendeine inhaltliche Weise begründen!