Das steckt hinter dem mittlerweile verbotenen Hashtag
Der zurzeit stark diskutierte Hashtag #ana wurde mittlerweile von Instagram gelöscht – doch das Problem bleibt. Denn Menschen, vor allem Frauen, mit Ess-Störungen finden in der Welt der sozialen Medien leicht andere Wege, sich einen internen Wettbewerb zu liefern.
Wer ist dünner, wer nimmt schneller ab, wessen Knochen stehen mehr hervor. Das sind die Fragen, um die sich der besorgniserregende Trend, der mit Hashtags wie #thinstagram, #thinspiration und Co durch die Social Media-Kanäle geistert, dreht.
Gefährlicher Wettbewerb im Netz
Laut der Expertin für Ess-Anfälle und -Störungen, Mag. Olivia Wollinger, spielt der Wettbewerb in der Magersucht generell eine große Rolle. So tendieren junge Menschen, die an dieser Krankheit leiden, oft dazu, sich mit anderen zu vergleichen und ungesunden Körperbildern nachzueifern. Für dieses krankheitsfördernde Verhalten bieten Instagram und Co die idealen Plattformen, da Betroffene hier mit einfachen Hashtags Gleichgesinnte finden können – und so mit wenigen Klicks dem direkten Vergleich ausgeliefert sind.
Bemühungen seitens Instagram, mit Richtlinien gegen den gefährlichen Trend vorzugehen, scheitern allerdings am Erfindergeist der Community. Die sogenannte „Pro Ana“-Bewegung erscheint immer wieder unter den verschiedensten Synonymen – auf gut Deutsch: Wer sie finden will, findet sie auch – Richtlinien hin oder her.
Immer happy, immer schön!
Eines der größten Probleme im Zusammenhang mit dieser besorgniserregenden Entwicklung ist laut Wollinger die Tatsache, dass die sozialen Medien ein unrealistisches Menschenbild forcieren – nämlich Menschen, die immer glücklich und schön, kurz gesagt „perfekt“ sind. So werden auf Instagram & Co jegliche negative Aspekte des Lebens vollkommen ausgeblendet. Emotionen wie Trauer, Wut oder Verzweiflung sind in dieser heilen Welt schlichtweg nicht vorhanden.
Diese verschobene Darstellung wirkt sich enorm auf die Selbstwahrnehmung junger Menschen aus – und logischerweise noch viel extremer auf jene, die ohnehin schon mit Selbstwert-Problemen zu kämpfen haben.
#anarecovery
Dann gibt es aber auch gegenteilige Bewegungen, die sich der Erholung von Essstörungen widmen. Hier werden fleißig Bilder von Mahlzeiten gepostet und in Szene gesetzt, um sich so gegenseitig zum Essen zu motivieren.
Aber auch dieser Trend sollte laut Wollinger mit Vorsicht genossen werden. So erklärt die Expertin, dass Menschen mit Essstörungen auf dem Weg zur Besserung unbedingt genau das essen sollten, auf das sie gerade Lust haben, und nicht das, was durch einen Hashtag-Hype vorgegeben wird. Damit beginnt laut Wollinger ein neuer Wettbewerb, der in keinem Fall förderlich ist – ganz im Gegenteil.
Betroffenen empfielt die Expertin eher kleinere und persönlichere Foren, in denen sich Frauen auf gesunde Art und Weise gegenseitig bestärken und sich beim Kampf gegen ihre Essstörungen unterstützen – ohne die Anonymität der für jeden zugänglichen sozialen Netzwerke und ohne den Druck, genug Likes und die damit verbundene Anerkennung sammeln zu müssen.
Logische Entwicklung
Dass sich mit der Einführung von Instagram & Co und dem damit erleichterten Weg, Körper-Ideale zu forcieren, auch Bewegungen dieser Art entwickeln, war wohl abzusehen. Gerade deshalb wird es in der Zeit der Herrschaft von Social Media immer wichtiger, daran zu erinnern, dass es sich hierbei um eine Scheinwelt handelt – dass echte Menschen nicht immer glücklich, top-gestylt und gertenschlank sind, und jeden Tag nur wunderbare Dinge erleben, essen und fühlen.
#bodypositive
Neben all den negativen Entwicklungen, die die Einführung der sozialen Medien mit sich gebracht hat, muss aber ebenfalls erwähnt werden, dass viele positive Bewegungen der letzten Jahren, wie das #bodypositive-movement, ohne Social Media wohl keine Chance gehabt hätten. Hier wurde ebenfalls hauptsächlich über Hashtags dazu aufgerufen, seinen Körper zu lieben so wie er ist und aufzuhören unrealistischen Idealen nachzueifern. So hat wohl alles seine guten, sowie schlechten Seiten…
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Mehr zu dem Thema kann in Olivia Wollingers autobiografischem Ratgeber „Essanfälle Adé“ nachgelesen werden.
Hilfe für Betroffene: Essstörungs-Hotline, Sowhat, aivilo