Das große Schmelzen am Nordpol und seine Folgen
Das Meereis am Nordpol ist über die Sommermonate auf die zweitniedrigste Ausdehnung seit Beginn der Messungen vor 40 Jahren geschrumpft. Der Klimawandel macht sich in der Arktis bereits stark bemerkbar.
„Wir steuern auf einen saisonal eisfreien Arktischen Ozean zu, und dieses Jahr ist ein weiterer Nagel im Sarg“, erklärte Mark Serreze, Chef des Nationalen Schnee- und Eisdatenzentrums (NSIDC) der USA.
Immer weniger Eis
Der Nordpol: Die Heimat des Weihnachtsmanns und seinen Elfen. Die Heimat von zahlreichen Tier- und Pflanzenarten. Die Heimat von Schnee und Eis. Aber wie lang noch? Denn mit 3,74 Millionen Quadratkilometern sei in der vergangenen Woche wahrscheinlich das Minimum für dieses Jahr erreicht worden, teilte das Nationale Schnee- und Eisdatenzentrum (NSIDC) der USA in Boulder im Bundesstaat Colorado mit. „Es war ein verrücktes Jahr im Norden, mit Meereis in der Nähe eines Rekordtiefs, Hitzewellen mit knapp 40 Grad in Sibirien und massiven Waldbränden“, sagte NSIDC-Chef Mark Serreze. „Das Jahr 2020 wird als Ausrufungszeichen in einem Abwärtstrend bei der Ausbreitung des arktischen Meereises stehen. Wir steuern auf einen saisonal eisfreien Arktischen Ozean zu, und dieses Jahr ist ein weiterer Nagel im Sarg.“
Das große Schmelzen zeige, „wie massiv die Zerstörung unseres Planeten durch die Klimaerhitzung voranschreitet“, erklärte auch Meeresbiologe Christian Bussau von der Naturschutzorganisation Greenpeace. Die Organisation warnt, dass in weiterer Folge auch das Artensterben rasant zunehme. „Wenn die Arktis schmilzt, werden sich die Meere noch stärker erhitzen, das Artensterben wird rasanter zunehmen“, so Bussau. Greenpeace fordert daher, dass bis 2030 mindestens 30 Prozent der Meere zu Schutzgebieten erklärt werden.
„Existenzielle Bedrohung für die Zivilisation“
Bereits letzten November hatte Forscher gewarnt, dass das Erdsystem schneller als bisher angenommen kippen könnte. „Kritische Klimapunkte könnte bereits überschritten sein“, schrieben die Wissenschaftler im Wissenschaftsmagazin Nature. Damit sei auch das Risiko einer „existenziellen Bedrohung für die Zivilisation“ verbunden. Die Kipppunkte bezeichnen Veränderungen in einem System mit Folgen für das globale Gleichgewicht, zum Beispiel ein nicht mehr zu stoppendes Abschmelzen der Polkappen oder die Zerstörung von Korallenriffen.
Laut Forschern zeigen sich bereits erste Dominoeffekte. So verstärke der Eisverlust in der Arktis die Erwärmung der Region. Das könnte wiederum die Meeresströmungen im Nordatlantik beeinflussen. Und das wirkt sich auf andere Erdteile aus und führt etwa zu Trockenheit und Baumsterben im Amazonas-Gebiet.