Darum sollten wir damit aufhören, immer perfekt zu sein wollen
Es ist wohl an der Zeit, sich eine Sache einzugestehen: Wer immer perfekt sein möchte, setzt sich nur selbst unter Druck – anstatt eines erfüllten Lebens warten meistens Stress, Zweifel und Unzufriedenheit. Werden wir je den Punkt erreichen, an dem alles perfekt ist? Wohl kaum. Selbstoptimierung war gestern! Wir steuern eher den „Imperfektionismus“ an.
Warum ihr das auch tun solltet? Überzeugt euch selbst.
Was bedeutet „perfekt“ überhaupt?
Wenn ihr die Wahl zwischen einer Laufrunde und dem Verschlingen einer weiteren Folge von „Love Is Blind“ auf Netflix hättet, worauf würdet ihr setzen? Lasst uns raten: Euer von Social Media gesteuertes Hirn sagt, wenn auch sehr widerwillig: Sport! Doch euer Innerstes wünscht sich eigentlich nur, auf der Couch zu lümmeln und fremden Liebespaaren ungefragt Ratschläge zu erteilen. Während die eine Hälfte in uns also danach strebt, ebenso ein scheinbar perfektes Leben zu führen, wie es der Großteil auf Social Media vormacht, möchte die andere Hälfte einfach nur glücklich sein und all die Perfektionsgedanken hinter sich lassen. Doch was bedeutet „perfekt“ eigentlich?
Öffnen wir Instagram und Co, sehen wir mit ziemlich hoher Wahrscheinlichkeit mindestens fünf Personen, die um 6.30 Uhr mit den ersten Sonnenstrahlen aufstehen, eine schweißtreibende Runde Sport machen, bereits in Designeroutfits vor ihren Laptops sitzen und von einem „perfekten Morgen“ schwärmen, während wir gerade mal die Augen geöffnet haben. No judging: Für die einen mag das vielleicht wirklich die schönste Art und Weise sein, in den Tag zu starten – andere brauchen aber eben länger, um in die Gänge zu kommen, und sie schlürfen statt eines dickflüssigen Green-Smoothies (der sehr gesund ist, das steht außer Frage!) eben zwei Tassen Kaffee mit Milch, Zucker und allem, was dazugehört. Deshalb wird der Tag garantiert nicht weniger gut oder schlecht verlaufen.
Und auch auf die Gefahr, ein bisschen neunmalklug zu klingen, aber die Sonne scheint auch um 9 Uhr noch! Wir sagen: Es ist an der Zeit für eine absolute Gegenbewegung zu all den heutigen Optimierungsvorschlägen und Methoden, wie ein perfektes Leben aussehen soll. Denn eines ist sicher: Wer nach einem perfekten Leben strebt, ist nicht automatisch happy und zufrieden. Keine Sorge, das wird hier jetzt kein abgedroschener Lebensratgeber mit noch abgedroscheneren Floskeln – wobei wir an dieser Stelle nicht ausschließen möchten, dass nicht doch ein paar (sehr weise) Sprüche dabei sein werden.
80 Prozent sind die neuen 100
Habt ihr euch vielleicht schon mal Gedanken darüber gemacht, woher dieser Trend zum Perfektionismus kommt? Machen wir das für uns selbst, oder um andere zu beeindrucken? Was würde passieren, wenn wir statt 100 Prozent einfach mal solide 80 hinlegen? Wenn wir einen Gang zurückschalten und ein bisschen weniger akribisch an etwas dran sind? Spoiler: Gar nichts! Außer – und das ist wohl auch der wichtigste Punkt an der Sache – dass man sich hoffentlich weniger unter Druck gesetzt fühlt.
Das ultimativ Perfekte existiert nicht, auch wenn uns die Gesellschaft, getrieben von Social Media, oft etwas anderes einreden möchte. Es ist ebenso eine Kunst, sich mit dem zufriedenzugeben, was man gerade leisten kann und vor allem will, und nichts darauf zu geben, was Kollegen, Freunde und Verwandte zu sagen haben, wenn man einfach mal sein eigenes Tempo reduziert. Wie sagt der Dalai Lama so schön? „Wer schlecht über dich redet, hat nichts Gutes über sich selbst zu erzählen.“ Und der muss es ja schließlich wissen.
Perfekt ist langweilig
Stellt euch mal vor, ihr lebt mit einem (in euren Augen) perfekten Menschen zusammen. Es gibt keinen Streit, keine kleine Zankerei und noch nicht mal eine Meinungsverschiedenheit. Klingt das nicht unglaublich langweilig? Schließlich sind es unsere Ecken, Kanten und mitunter auch negativen Erfahrungen, die uns zu dem gemacht haben, was wir heute sind. Davon kann die japanische Kultur ein Lied singen! Denn dort gilt eine imperfekte Sache als einzigartiger und wertvoller denn je. Nicht umsonst ist Kintsugi, eine in Japan traditionelle Methode, um kaputte Keramik liebevoll zu reparieren, auch weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt.
Die Philosophie dahinter nennt sich „Wabi Sabi“, wobei „Wabi“ für die Schönheit im Einfachen steht, die Imperfektes genauso zur Geltung bringen möchte wie scheinbar Perfektes; „Sabi“ hingegen bedeutet, dass etwas durch das Alter an Schönheit gewonnen hat. Mit anderen Worten: Was uns ausmacht, sind oft unsere Macken – und auf die können wir auch verdammt stolz sein!
Wir sind auch nur Menschen
Menschsein bedeutet mitunter auch, sich ab und zu mal Fehler zu leisten und dadurch nicht gleich den Weltuntergang zu erwarten. Wir müssen uns nicht ständig selbst optimieren, nur weil wir denken, dass es alle so machen. Sind wir faule Säcke, nur weil wir lieber in einer ungesunden Position vor dem Fernseher hocken und den Bildschirm anschreien, wenn „Der Bachelor“ mal wieder die Falsche geküsst hat, anstatt unsere Zeit im angesagten neuen City-Sportklub zu verbringen? Vielleicht. Doch das tut der Seele mindestens genauso gut und ist bestimmt weniger anstrengend.