Corona-Krise in Ungarn: Macht sich Victor Orbán zum Diktator?
Mitten in der Coronavirus-Krise hat die Regierung in Ungarn einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der es Viktor Orbán ermöglicht, im Rahmen eines Notstands von möglicherweise unbegrenzter Dauer per Dekret zu regieren.
Der Entwurf wurde am 20. März auf der Website des Parlaments veröffentlicht. Er sieht vor, dass die Regierung den am 11. März wegen der Pandemie verhängten Notstand ohne die Zustimmung des Parlaments unbegrenzt verlängern kann.
Coronavirus in Ungarn
In Ungarn sind momentan 167 Fälle von Coronavirus-Infizierten registriert, sieben Menschen sind gestorben und 16 geheilt (Stand: 23. März). Die ersten Fälle von infizierten Menschen wurden am 4. März bekannt. Seit 11. März gilt in dem osteuropäischen Land der Notstand. Am 13. März erklärte Premier Viktor Orbán, dass alle Schulen geschlossen werden müssten und auf e-Learning umstellen sollten. Drei Tage später schloss Ungarn seine Grenzen für all jene, die nicht Staatsbürger sind.
Ähnliche Maßnahmen wurden auch in anderen europäische Ländern wie etwa Italien oder Österreich gesetzt. Sie sind sinnvoll, um die Ausbreitung des Coronavirus zu verlangsamen.
Nutzt Viktor Orbán die Krise zu seinem Vorteil?
Allerdings weiß der ungarische Premier Orbán, wie man mit Angst Politik macht. Das hat er schon mehrmals bewiesen. Nun scheint es so, als würde er die Krise durch das Coronavirus für einen drastischen Ausbau seiner Macht nutzen. So soll es durch den am Freitagabend veröffentlichten Gesetzesentwurf möglich sein, den Notstand auf unbestimmte Zeit zu verlängern, Parlament und Gewaltenteilung auszuhebeln und per Dekret zu regieren. Demokratisch wäre das allerdings nicht mehr.
Per Dekret regieren bedeutet übrigens, dass die Regierung einfach Verordnungen beziehungsweise Erlasse herausgeben kann, die dann sofort Gesetzeskraft haben. In einem demokratischen Staat werden Gesetze eigentlich durch ein ordnungsgemäßes Gesetzgebungsverfahren vom Parlament beschlossen.
Durch den Gesetzesentwurf soll die ungarische Regierung das Recht erhalten, „die Anwendung bestimmter Gesetze per Dekret auszusetzen“, feste Vorgaben nicht einzuhalten und „andere außergewöhnliche Maßnahmen einzuführen, um die Stabilität des Lebens, der Gesundheit, der persönlichen und materiellen Sicherheit der Bürger wie der Wirtschaft zu garantieren“.
Kritiker befürchten Ausschaltung des Parlaments durch Gesetz von Viktor Orbán
Orbáns Kritiker befürchten, dass das neue Gesetz das Machtgefüge in Ungarn verändern würde. So könne es dem Parlament langfristig schaden. Für Beunruhigung sorgt zusätzlich die Klausel, die die Möglichkeit einer „erzwungenen parlamentarischen Pause“ vorsieht. Die Regierung veröffentlichte zu dem Gesetzesentwurf übrigens keine Erklärung.
Noch ist das Gesetz aber nicht verabschiedet. Orbán hat jedoch bereits jetzt schon übermäßig viel Einfluss auf die Medien, Justiz und Wirtschaft in Ungarn. Sogar im Parlament besitzt seine Partei eine Zweidrittelmehrheit. Der ungarische Premierminister setzt zudem schon seit Längerem Rechtsstaatsprinzipen außer Kraft.
Immer mehr Regierungen sichern sich mehr Macht
Immer mehr Regierungen nutzen den Notstand, der durch die Ausbreitung des Coronavirus entstanden ist, zu ihrem Vorteil. Sie versuchen dadurch längerfristig an Macht zu gewinnen. Als das Coronavirus etwa Polen erreichte und die Regierung den Zustand der Epidemiebedrohung ausrief, stellten alle Kandidaten ihren Wahlkampf für die eigentlich am 10. Mai geplante Präsidentschaftswahl ein. Der amtierende Präsident Andrezj Duda hat seit 2015 alle rechts- und verfassungswidrigen Gesetze der von seiner Partei PiS geführten Regierung abgesegnet. Er führt Berichten zufolge seinen Wahlkampf auch während der Epidemiebedrohung verdeckt fort.
Nach der Krise wieder zurück zum Status Quo?
In vielen Ländern wird gerade aufgrund der Pandemie die Freiheit der Menschen massiv eingeschränkt. So etwa auch in Österreich. Aufgrund der Ausnahmesituation wurden innerhalb kurzer Zeit Grundrechte der Bevölkerung ausgesetzt. Doch die Maßnahmen sind legitim. Denn sogar die Menschenrechtskonvention sieht vor, dass im Falle eines Notstands auch Bürgerrechte vorübergehend außer Kraft gesetzt und beispielsweise die Meinungs- oder Versammlungsfreiheit eingeschränkt werden können. Laut Experten seien die Maßnahmen aber „verhältnismäßig“, denn von dem Coronavirus gehe eine entsprechend große Bedrohung aus.
In funktionierenden Demokratien darf man zudem noch darauf vertrauen, dass all dies der Virusbekämpfung dient und nach dem aktuellen Ausnahmezustand zurückgenommen wird. In Ungarn scheint es aber so, als hätte Orbán die Corona-Krise von Beginn an für seine Vorteile genutzt.