„Cigfluencer“: Wird Rauchen jetzt wieder cool?
Ja, wir wissen es: Rauchen zu promoten ist nicht gerade die feine englische Art. Und trotzdem tun wir es auf eine Art und Weise. Wieso? Weil wir uns den Trend der sogenannten „Cigfluencer“ genauer angesehen haben.
Außerdem stellen wir uns die Frage aller Fragen: Wird Rauchen jetzt wieder cool?
Wieso rauchen jetzt plötzlich alle?
First things first: Wir wollen hier natürlich keine Zigaretten promoten und auch niemanden zum Rauchen verführen. Aber: Wir können nicht leugnen, dass wir die Glimmstängel jetzt wieder öfter in unserem Umfeld und Insta-Feed zu sehen bekommen. Warum die Faszination rund um das Tabakprodukt offensichtlich wieder gestiegen ist und was das mit der Offenheit der Gesellschaft zu tun hat, haben wir uns genauer angesehen.
Miley Cyrus tut es, genauso wie Austin Butler und Kaia Gerber, Kim Petras oder auch Dua Lipa: Sie alle greifen zur Zigarette. Gut, bei Ben Affleck ist es längst keine Überraschung mehr, wenn er sich seine umgangssprachliche „Tschick“ gönnt. Dafür würde wohl kaum eine:r damit rechnen, dass ausgerechnet Health-Guru Gwyneth Paltrow mal geraucht hat (als sie noch mit Brad Pitt zusammen war). Oder Malia und Sasha Obama, die beiden Töchter des Ex-US-Präsidenten Barack Obama.
Genauso tun es unser liebster (Ex-)Royal, Prinz Harry, oder Rihanna (zumindest vor den Geburten ihrer Kinder), und jaaa, auch Wednesday-Star Jenna Ortega gönnt sich ab und zu mal eine Zigarette. Ihr glaubt uns nicht? Könnt ihr alles auf Instagram nachforschen! Dort gibt es nämlich einen eigenen Account (@cigfluencers), der ausschließlich rauchende Celebritys und Filmikonen zeigt. Apropos: Carrie Bradshaw hat in „Sex and the City“ regelmäßig geraucht, genauso wie die ikonische Audrey Hepburn in „Frühstück bei Tiffany“ – und nicht zu vergessen: Romcom-Legende Bridget Jones alias Renée Zellweger!
Was sind denn bitte „Cigfluencer“?
Was Promis in ihrer Freizeit machen, sei ihnen allerdings selbst überlassen, immerhin zeigen sie sich weder am Red Carpet noch auf Instagram mit Zigarette in der Hand. Weshalb erfährt das Rauchen also gerade ein gefeiertes Comeback? Grund dafür könnte eine Zigarettenmarke ausgerechnet aus den USA sein – einem Land, das nicht gerade für seine Offenheit bekannt ist. Die Brand mit dem Namen Hestia Cigarettes, von der gerade alle sprechen, existiert seit etwa zehn Jahren und setzt auf provokantes
Marketing, das Kontroversen verbreitet und mit Tabus bricht. Nachdem Influencer:innen (oder wie es mittlerweile heißt: Content Creators) immer gefragter werden, hat das junge Unternehmen seine Chance gewittert und zugeschlagen – „Cigfluencer“ heißt das Zauberwort, durch das die Zigarettenmarke allem Anschein nach hohe Umsätze erzielt.
Die Masche dahinter: Nachdem Werbung für Tabakwaren in vielen Ländern, auch in den USA, verboten ist, schickt Hestia Cigarettes seine Zigaretten ganz einfach an Influencer:innen, die sich gerne mal mit einem Glimmstängel ablichten lassen. Den Namen der Brand markiert, vielleicht noch einen Rabatt-Code dazu, und schon sind sie geboren, die „Cigfluencer“! Im besten Fall erhält der Kunde unzählige Seitenaufrufe und Bestellungen. Im schlechtesten Fall gibt es für die Content Creators einen Shitstorm. Was jedoch in allen Fällen gleich bleibt, ist, dass darüber gesprochen wird. Und das ist es doch, was man damit erreichen wollte!
Ein schlechtes Gewissen, mit seinen Produkten zu einem weltweiten Laster beizutragen, hat Hestia-Cigarettes-Gründer David Sley laut Observer dabei nicht. „Ich bekomme ständig wütende E-Mails von Leuten, und jeder hat ein Recht auf seine Meinung, aber ich werde ihnen immer widersprechen“, so Sley. Er habe Vertrauen in seine Kund:innen, dass diese klug genug sind, über die Risiken Bescheid zu wissen. So kam es auch, dass die gefeierten Hestia Cigarettes auf einem Dinner anlässlich der Fashion Week in New York verteilt wurden. Ebenso waren die angesagten Zigaretten auf einer Party der Luxusmarke Celine quasi im Goodie Bag mit dabei. Und auch Promi-Betrügerin Anna Delvey bot sie ihren Gästen während ihrer Geburtstagsfeier an.
Von glamouröser Verführung zu Ekel-Alarm
Unsere Eltern erzählen immer wieder von einer Zeit, in der es noch erlaubt war, dass man in Flugzeugen rauchte – heute unvorstellbar, damals allerdings absolut gewöhnlich! Nicht umsonst rauchte auch so ziemlich jeder Filmstar, egal ob weiblich oder männlich. Kein Wunder also, dass es damals zu den inoffiziellen gesellschaftlichen Regeln zählte, zur Zigarette zu greifen, wo es nur ging. Rauchende Film- und Serienfiguren wurden als erotisch, sinnlich und leidenschaftlich dargestellt. Das typische French Girl mit Schmollmund, Baskenmütze und Marlene-Dietrich-Hosen war außerdem erst dann perfekt, wenn es eine rauchende Zigarette in der Hand hatte.
Doch dann kam der Wandel: Aus glamouröser Verführung wurde plötzlich tödlicher Ekel! Wurden rauchende Personen im Fernsehen gezeigt, dann hatten diese meist einen sozial schwierigen Hintergrund, waren versifft, drogenabhängig oder gar kriminell. Die HBO-Serie „Euphoria“ zeigt etwa Sinnbilder dessen, was passiert, wenn man einmal zu oft den Rauch einer Zigarette inhaliert.
Rauchen als Statement
Wir spulen vor: Mittlerweile scheint die „Zigaretten-Gesellschaft“ wieder voll Fahrt aufzunehmen. Ist Rauchen jetzt also wieder cool? Zumindest wirkt es so, wenn man stylishe Menschen dabei beobachtet, wie sie lässig eine qualmen. Es verleiht ihnen einen edgy Vibe, macht sie zu mysteriösen und interessanten Individuen, mit denen man sich gerne umgibt. Wenn man die Rauchwolken unbeachtet lässt, die für Nonsmoker zu einer regelrechten Qual werden können.
Während man seine Schwäche für diese Art von Genussmittel bis vor Kurzem also noch verheimlicht hat, so gut es ging (vor allem als Person, die in der Öffentlichkeit steht), zählt man aktuell beinahe schon zu den „Cool Kids“, wenn man genüsslich eine raucht. Denn eines müssen wir uns eingestehen: Rauchen ist längst nicht mehr nur eine ungezwungene Form von Networking, sondern auch ein Statement. Was es aussagt, muss jede:r Raucher:in für sich selbst entscheiden.
Müssen wir einfach offener werden?
Die interessanteste Frage in dieser Debatte lautet aber wohl: Ist es an der Zeit, dass wir alle wieder ein bisschen offener werden? Schließlich würde sich niemand etwas dabei denken, wenn wir das zehnte Bild in unserer Insta-Story hochladen, auf dem wir Shots kippen. Auch unsere Matcha- und Kaffeesucht wird anstandslos gefördert. Bei Zigaretten scheint der Spaß aber offenbar ein Ende zu haben. Jetzt könnte man sagen: Suchtmittel ist Suchtmittel; laut Studien sterben pro Jahr weltweit immerhin etwa drei Millionen Menschen aufgrund ihrer Alkoholsucht. Bei Zigaretten sind es allerdings schon „ein paar“ mehr. Laut Medienberichten sind die Glimmstängel für fast acht Millionen jährliche Todesfälle verantwortlich!
Bevor ihr also überlegt, zum Raucher oder zur Raucherin zu werden, nur weil es jetzt wieder superangesagt ist und die Gen Z damit einen weiteren Trend aus der Vergangenheit für sich entdeckt hat: Lasst euch das lieber einmal öfter durch den Kopf gehen! Einen ästhetischen Insta-Feed anzusehen, in dem auch die eine oder andere Zigarette auftaucht, ist das eine; selbst im Jahr rund 3.000 Euro (!) für Tschickpäckchen auszugeben das andere. Vom Suchtpotential ganz zu schweigen. Wir halten fest: „Cigfluencer“ haben zwar eine Aura, die man möglicherweise anziehend findet – für uns und unsere Gesundheit wäre es aber vielleicht doch besser, einfach bei den Kaugummi-Zigaretten zu bleiben, die in unserer Kindheit populär waren.