Chronische Erschöpfungskrankheit: Was es wirklich bedeutet
Erschöpfung, die über ein halbes Jahr anhält, aber nicht durch eine Erkrankung zu erklären ist, ist eine Krankheit. Eine, die sich chronische Erschöpfungskrankheit nennt. Wenn Schlaf keine Erholung bringt und Menschen, die einmal aktiv gewesen sind, zum Pflegefall werden.
Die chronische Erschöpfungskrankheit wird auch abgekürzt ME/CFS genannt, sie steht für Chronic Fatigue Syndrome. Seit der Corona-Pandemie hat sie ein neues, trauriges Spotlight bekommen.
Wenn der Körper nicht mehr will
Egal, was man tun möchte, man kann nicht. Auch hilft es nicht, die Zähne zusammen zu beißen und einfach machen. Das kann die Situation sogar verschlimmern, denn Betroffene, die sich geistig oder körperlich anstrengen, verschlechtern ihren Zustand für die folgenden Tage. Da kann es schon einmal sein, dass ein Gespräch der Grund ist, wieso man die nächsten Tage außer Gefecht ist.
Aber was löst ME/CFS überhaupt aus? Fachleute meinen, dass die genauen Ursachen noch nicht bekannt sind. Manchen sehen sie als eine Form der Autoimmunerkrankung, andere denken, sie ist psychisch veranlagt. Eine Studie, die an der Columbia University in New York unternommen wurde, zeigt, dass es sich bei ME/CFS um eine fehlgesteuerte Reaktion des Immunsystems auf eine Virusinfektion handelt. Das bedeutet, dass Betroffene krank geworden sind, aber das Immunsystem nicht dafür gesorgt hat, dass sie wieder gesund werden.
Wen kann es treffen?
Jeden. Der typische Patient ist ein junger, aktiver Mensch, der davor fit gewesen ist. Und gesund, viel unterwegs, aber nach einer Infektion nicht mehr in der Lage ist, das Bett zu verlassen. Es treten Symptome auf, die man von einer Grippe kennt: Schmerzen im Bereich des Kopfes, der Muskeln und Gelenke. Menschen mit ME/CFS schlafen kaum bis schlecht, sie können sich nicht konzentrieren und werden einfach nicht mehr gesund – im Gegenteil. Symptome werden immer länger, stärker und schlimmer. Menschen, die davon betroffen sind, müssen Studium und Beruf aufgeben. Sie werden zu einem Pflegefall.
In manchen Fällen ist es so schlimm, dass Betroffene ihr Bett überhaupt nicht mehr verlassen können. Sie leben vor sich hin, vollkommen abgeschirmt vom Leben.
ME/CFS und die Covid-Pandemie
Lange Zeit stand diese Krankheit nicht im Fokus der Medien oder des öffentlichen Diskurs. Viele wussten wohl gar nicht, dass es ME/CFS überhaupt gibt. Das änderte sich in den vergangenen Jahren jedoch schlagartig. Der Grund dafür war ausgerechnet die Corona-Pandemie.
Denn zahlreiche Menschen, die an Long Covid leiden oder litten, berichten daraufhin von Erschöpfung und der Unfähigkeit, ihren Alltag wieder so zu bestreiten, wie sie es gewohnt waren. „Der bisherige Stand der Forschung hat gezeigt, dass schätzungsweise ein bis zehn Prozent der Patient:innen nach einer COVID-19-Erkrankung ME/CFS entwickeln können“, heißt es dazu auf der Webseite der medizinischen Universität Österreich. „Obwohl der genaue Zusammenhang zwischen den Erkrankungen noch unklar ist, zeigt sich eine deutliche Überlappung der Symptome vom Post-COVID-19-Syndrom und ME/CFS.“
Eine traurige Prognose, die jedoch auch etwas bewirken kann. Denn durch die neue Aufmerksamkeit für die Krankheit kann auch mehr Forschung betrieben werden. „Früher wurde ME/CFS als unplausibel abgetan, keiner hat sich wirklich damit beschäftigt. Insofern wird hoffentlich die Forschung an ME/CFS von der Forschung zu Long Covid profitieren“, erklärt auch der Neurologe Michael Stingl gegenüber „ORF“.
Dennoch ist die Forschung derzeit noch nicht an einem Punkt angelangt, wo es eine eindeutige Diagnose, geschweige denn eine zielführende Therapie gibt. Es laufen jedoch derzeit zahlreiche Medikamententests und Untersuchungen, die in Zukunft vielleicht große Fortschritte mit Blick auf ME/CFS und Long Covid bringen könnten. „Momentan ist es ein Herumprobieren, manchmal funktioniert es, manchmal nicht. Es gibt Erfolgsgeschichten, und es gibt Menschen, bei denen sich sehr wenig tut. Aber es ist gut, dass jetzt zumindest was ins Rollen gekommen ist, was die Therapieforschung betrifft“, so Stingl.