#ChallengeAccepted: Können Frauen andere Frauen mit nur einem Selfie unterstützen?
Ein neuer Tag, eine neue Challenge auf Social Media. Seit wenigen Tagen etwa haben vielleicht einige von euch ein schwarz-weißes Selfie einer Frau mit dem Hashtag #ChallengeAccepted in eurem Feed entdeckt. Was genau dahinter steckt, ist vielen unklar. Jedenfalls soll es darum gehen, dass Frauen sich gegenseitig unterstützen.
Die Challenge zog mit ihrem unklaren Ziel bereits viel Kritik auf sich. Aber können sich Frauen wirklich gegenseitig mit einem Selfie unterstützen?
Woher kommt #ChallengeAccepted?
Wo genau #ChallengeAccepted seinen Ursprung hat, ist nicht klar. Einige sich widersprechende Theorien gibt es jedenfalls. In der New York Times macht Taylor Lorenz darauf aufmerksam, das es schon wesentlich ältere Ausführungen des Hashtags gibt, darunter auch eine Kampagne aus dem Jahr, die Awareness für Krebs schaffen sollte. Das erste Posting des aktuellen „Zyklus“ gab es aber laut einem Instagram-Sprecher letzte Woche, als ihn die brasilianische Journalistin Ana Paula Padrao verwendete, berichtet die New York Times. Ein „Influencer Marketing Manager“ von Instagram spekulierte hingegen, dass die Demokratin Alexandria Ocasio-Cortez mit ihrer Rede im Repräsentantenhaus die Challenge inspiriert hatte. In der Rede wehrte sie sich gegen Beleidigungen, wie „fucking Bitch“, die ihr der Republikaner Ted Yoho auf den Stufen des Kapitols an den Kopf warf.
Eine andere Theorie besagt, dass #ChallengeAccepted aus der Welle an Schwarz-Weiß-Bildern hervorgeht, die Frauen in der Türkei gerade auf Social Media posten, um gegen Femizid und häusliche Gewalt aufmerksam zu machen. Ausschlaggebend war der gewaltsame Tod von Pinar Gültekin, eine 27-jährige Studentin, die Berichten zufolge von ihrem Ex-Freund ermordet wurde. Videoaufnahmen zeigen, wie der Täter den Körper seines Opfers mit einer brennbaren Flüssigkeit verbrennen zu versuchte.
Der Fall hat in der Türkei einen Sturm an Empörung und Wut ausgelöst. Verschiedene Frauenrechtsorganisationen riefen zu Protesten auf. Denn der Fall von Pinar ist nur einer von vielen im Land. Erst Anfang Juni hatte bereits der Fall der 49-jährigen Nurtac Canan eine Debatte darüber ausgelöst, welche Rolle die Politik bei diesem Problem spielt. Auch sie hatte ihr Ehemann versucht zu töten, weil sie sich von ihm trennen wollte. Er verletzte sie jedoch nur schwer. Die türkische Organisation „Wir werden Femizide stoppen“ zufolge wurden alleine im Jahr 2019 474 Frauen getötet.
Schwarz-Weiß-Selfie für Empowerment
Ist die Flut an schwarz-weißen Selfies von vorwiegend westlichen Frauen tatsächlich nur durch die Bilder, die türkische Frauen in Solidarität mit Femizid-Opfern posten, entstanden, ist das ein Problem. Denn während Prominente wie Reese Whiterspoon, Cindy Crawford und Khloe Kardashian schwarz-weiße Selfies von sich posten, in denen sie unbeschwert in die Kameras blicken oder am Strand spazieren gehen und über „Schwesternschaft“, „Königinnen“ und einer „simplen Art sich gegenseitig aufzumuntern“ schreiben, geraten die Frauen in der Türkei in Vergessenheit beziehungsweise kommen gar nicht erst im Bewusstsein der Menschen an.
Ob die zwei Social Media-Aktionen nun etwas miteinander zu tun haben oder nicht: Stellt man sie einander gegenüber zeigen sie jedenfalls etwas Wichtiges auf: Auch der Feminismus hat zwei Klassen. Bei den einen geht es tatsächlich um grundlegende Menschenrechte und im Fall von Femizid, ums Überleben. Bei den anderen geht es ums „gegenseitige Aufmuntern“, um das gegenseitige Bestärken und das Zelebrieren seiner weiblichen Mitmenschen. Für sie steht das Schwarz-Weiß-Selfie für Empowerment.
Ist #ChallengeAccepted ein Fail?
Bedeutet das aber, dass #ChallengeAccepted ein Beispiel für gescheiterten Hashtag-Aktivismus ist? Nicht wirklich. Immerhin weiß man bisher noch immer nicht, was genau das Ziel dieser Challenge ist und wo ihr tatsächlicher Ursprung ist. Viele Influencer kritisieren aber auch die unklare Aufgabenstellung der Challenge. Das führte dazu, dass viele ihre eigene Interpretation des Hashtags posteten.
Die Challenge ist also ein großes Fragezeichen. Keiner weiß, woher sie kommt und wieso es sie gibt. Irgendwas mit „Frauen unterstützen Frauen“ eben. Ist sie aber deswegen ein Fail? Wahrscheinlich nicht, immerhin lässt die offene Interpretation auch zu, dass Userinnen inspirierende Geschichten von ihren Freundinnen, Kolleginnen oder anderen Frauen, die Stärke bewiesen haben, teilen. Außerdem führte die Challenge dazu, dass sich Medien auf die Suche nach ihrem Ursprung machten und viele zum ersten Mal über die aktuelle Situation der Frauen in der Türkei berichteten. Für einen Denkanstoß hat die unordentlich ausgeführte Challenge also vielleicht gereicht.