Blackout Tuesday: Wie die Polizeigewalt gegen Afroamerikaner zu einer weltweiten Bewegung führte
Am 25. Mai 2020 starb der 46-jährige Afroamerikaner George Floyd durch einen Polizeieinsatz im US-Bundesstaat Minnesota. Sein Tod führte zu Protesten und Unruhen. Der Blackout Tuesday am 2. Juni soll die weltweite Solidarität mit den Black Lives Matter-Demonstrationen in den USA zeigen.
Die Bewegung hat eigentlich in der Musikindustrie begonnen, die Unternehmen am Blackout Tuesday dazu auffordert, keine neue Musik zu veröffentlichen. Mittlerweile ist die Aktion auch auf die Social-Media-Plattformen übergeschwappt. So posten an diesem Tag zahlreiche Instagram-Feeds nur schwarze Quadrate.
„Der Rassismus ist nicht schlimmer geworden, er wird jetzt nur gefilmt“
„Der Rassismus ist nicht schlimmer geworden, er wird jetzt nur gefilmt“, erklärte Schauspieler Will Smith bereits vor einigen Jahren in einer US-Talkshow. Seine Worte werden nun wieder von zahlreichen Stars, Politikern und anderen Nutzern auf Social Media geteilt. Das jüngste Beispiel passierte Ende Mai in Minneapolis. Das Video eines Polizeieinsatzes ging viral. Es zeigt Beamte, die einen Afroamerikaner verhaften. Den Namen des Mannes kennt man mittlerweile weltweit: Es handelt sich dabei um George Floyd, der zuvor angeblich in einem Lebensmittelgeschäft mit einem gefälschten 20-Dollar-Schein bezahlen wollte. Einer der Polizisten kniet bei der Festnahme acht Minuten und 46 Sekunden auf dem Genick Floyds, der mit dem Kopf auf der Straße neben dem Polizeiauto liegt.
Während des Vorfalls rief der 46-jährige Afroamerikaner mehrmals „I can’t breathe“ („Ich kann nicht atmen“). Schlussendlich aber verstummte er und zeigte insgesamt zwei Minuten und 53 Sekunden lang keine Reaktion, während er von dem Beamten weiterhin fixiert wurde. In dem Video ist außerdem zu hören, wie Passanten die Beamten immer wieder aufforderten, von Floyd abzulassen, da dieser nicht mehr ansprechbar sei. Im Krankenhaus stellte man später den Tod von George Floyd fest. Der Vorfall führte in den USA zu zahlreichen Protesten und Unruhen.
George Floyd, Ahmud Arbery, Breonna Taylor: Keine Einzelfälle
Der Tod von George Floyd war aber nur der letzte in einer Reihe von tödlichen Ausschreitungen gegen Afroamerikaner in den USA. Am 23. Februar wurde der unbewaffnete Jogger Ahmaud Arbery von zwei bewaffneten Männern erschossen. Erst durch das Auftauchen eines Videos Anfang Mai, das landesweit für Entsetzen gesorgt hat, wurden die zwei Verdächtigen festgenommen und des Mordes angeklagt. Am 13. März sind Polizeibeamte in die Wohnung der 26-jährigen schwarzen Rettungssanitäterin Breonna Taylor in Kentucky ein. Sie töteten die unbewaffnete Frau mit acht Schüssen. Laut dem Anwalt ihres Freundes suchten die Polizisten an der falschen Adresse nach einem Verdächtigen, der sich bereits in Haft befand.
Diese tragischen Tode sind alles andere als Einzelfälle. Denn der Rassismus in den USA, aber auch weltweit, hat eine lange Tradition und ist alles andere als ein Ding der Vergangenheit. Von den Indianerkriegen hin zur Sklaverei und zur Rassentrennung könnte man meinen, dass die Geschichte des Rassismus in den Vereinigten Staaten mit der Bürgerrechtsbewegung in den 1960er Jahren endet. Doch dem ist nicht so. So ist die Liste der Opfer rassistischer Polizeigewalt, die man in den vergangenen Jahren veröffentlicht hat, sehr lang: Michael Brown, Tamir Race, Philando Castile, Freddy Grey und Trayvon Martin – dessen Todesfall die Black Lives Matter Bewegung zur Folge hatte – sind hier nur die bekanntesten Namen.
Bis zu 1000 Angehörige von Minderheiten sterben jährlich durch Polizeigewalt in den USA
Man geht davon aus, dass in den USA bis zu 1000 Angehörige von Minderjährigen pro Jahr durch Polizeigewalt sterben. Das Problem: Wie viele davon tatsächlich Opfer rassistisch motivierter Gewalt sind, lässt sich in jenen Fällen, in denen keine Kamera mitlief, allerdings nicht nachweisen. Fakt ist, dass männliche Afroamerikaner mit der Erwartung leben müssen, jederzeit Opfer solcher Gewalt zu werden. 2019 zeigte eine Studie auf, dass von der Polizei getötet zu werden, eine der häufigsten Todesursachen für junge schwarze Männer in den USA ist. Einer von 1000 kann demnach damit rechnen, auf diese Art und Weise zu sterben. Das ist ein 2,5-fach höheres Risiko als bei weißen US-Bürgern.
Die amerikanische Gesellschaft hat also ein Rassismusproblem. 2018 stellten Forscher zudem eine Zunahme an Hasskriminalität fest, die übrigens von der Rhetorik des US-Präsidenten Donald Trump angetrieben wird. Auch in den Reihen der Polizei sind rassistische Einstellungen anzutreffen, ebenso wie überall sonst in der Gesellschaft. Doch um das Problem der Polizeigewalt gegenüber Afroamerikanern erklären zu können, müssen wohl noch viel mehr Faktoren in Betracht gezogen zu werden. Etwa die Arbeitsbedingungen und die Ausbildung des Polizeibeamten.
Blackout Tuesday: Solidarität auf Social Media
Das Fass scheint mit dem Tod George Floyds nun endgültig übergelaufen zu sein. Die USA kommen nach dem Vorfall nicht mehr zur Ruhe. Landesweit gibt es Proteste und Ausschreitungen. Die richten sich gegen Polizeigewalt, Brutalität und Ungerechtigkeit. Auch im Ausland kam es zu Demonstrationen. In Neuseeland etwa gingen 2.000 Demonstranten in Auckland vor das US-Konsulat und riefen: „Keine Gerechtigkeit, kein Frieden“.
Auch auf Social Media zeigte sich eine Welle der Solidarität, die bisher wohl am Blackout Tuesday am deutlichsten zu spüren ist. Der Aktionstag ist ursprünglich eine Idee der Musikindustrie, die Unternehmen dazu auffordert am 2. Juni keine neue Musik oder andere Aktionen zu veröffentlichen. Auf Social Media zeigt sich die Aktion durch schwarze Profilbilder, schwarze Posts und die Aufforderung vor allem für weiße Menschen, eine Pause vom Posten einzulegen. Stattdessen soll man die Zeit nutzen, um sich mit strukturellem und internalisiertem Rassismus auseinander zu setzen. So fordern viele schwarze Influencer auf, Solidarität mit der schwarzen Community zu zeigen, indem man zuhört, nachdenkt und dazulernt.
Zeichen durch Stille
Durch die Social Media-Stille soll ein Zeichen gegen Rassismus gesetzt werden. Und zwar nicht nur von Schwarzen, Latinos oder Asiaten, sondern auch von weißen Menschen. Auf Instagram, Twitter und Co. zeigten sich etwa viele weiße Influencer solidarisch. Dabei kam auch immer wieder zu Recht die Debatte auf, wie sich weiße, privilegierte Menschen in dieser Situation verhalten sollten, da sie sich naturgemäß gar nicht in die Situation der von Rassismus betroffenen Menschen hineinversetzen können. Die Idee hinter Blackout Tuesday greift genau dieses Problem auf. Denn auch nichts zu sagen wäre falsch. Der Kampf gegen Rassismus muss von allen gekämpft werden.