Nach dem Rauswurf von Müller, Hummels und Boateng aus dem Nationalteam vertraut Bayern München noch mehr als bisher auf geballte Erfahrung. Das sollte auch im Champions League-Spiel Bayern gegen Liverpool am Mittwoch helfen.

Zusammen halten sie bei 246 Länderspielen, haben im deutschen Nationalteam große Siege ebenso gefeiert wie bittere Niederlagen: Thomas Müller (100 Länderspiele), Jérôme Boateng (76) und Mats Hummels (70) wurden im Jahr 2014 Weltmeister, im vorigen Sommer gab es den unrühmlichen vorzeitigen Abschied von der WM. Dennoch: Für sie selbst und für die meisten deutschen Fußballfans kam die Ankündigung von Teamtrainer Joachim Löw, die drei in Zukunft nicht mehr für die Nationalmannschaft zu berücksichtigen, doch recht überraschend. Müller selbst zeigt sich in einem kurzen Video auf Instagram erstaunt bis beleidigt über die Löw-Entscheidung.

Beim FC Bayern hingegen werden die drei auch in naher Zukunft eine gewichtige Rolle spielen. Darauf weist auch das offizielle Statement des Klubs hin. In einer Aussendung wurden Vorstandsvorsitzender Karl-Heinz Rummenigge und Sportdirektor Hasan Salihamdzic dementsprechend zitiert: Die Nominierung des Teamkaders liege zwar in der Verantwortung von Löw, doch „den Zeitpunkt und die Umstände der Bekanntgabe dieser Entscheidung an die Spieler und an die Öffentlichkeit“ halten die beiden für „fragwürdig“. Den beiden Bayern-Funktionären stößt vor allem sauer auf, dass die Spieler „unmittelbar vor richtungsweisenden Spielen“ informiert wurden. Allerdings hatte Joachim Löw die Spieler persönlich in München von seiner Entscheidung informiert; das ist im modernen Fußball nicht selbstverständlich.

Bayern – Liverpool am Mittwoch

Richtungsweisend ist tatsächlich das passende Wort: Diesen Mittwoch, den 13. März, empfängt der deutsche Meister den FC Liverpool im Rückspiel des Champions-League-Achtelfinales. Das erste Spiel in Liverpool hatte mit einem torlosen Unentschieden geendet – was für die Bayern angesichts der Offensivkraft der Mannschaft von Jürgen Klopp durchaus als Erfolg gewertet werden kann. Andererseits ist ein 0:0 ein gefährliches Ergebnis – ein Tor von Liverpool und Bayern benötigt schon zwei Tore für das Weiterkommen.

Von großer Bedeutung in Liverpool und generell für die wiedergewonnene Stabilität der Bayern war in den letzten Wochen Javi Martínez – der Spanier gibt dem Mittelfeld der Münchner wieder den nötigen Halt. Wenn er dabei ist, holen die Bayern im Schnitt 2,6 Punkte pro Spiel, ohne ihn waren es nur 1,6. Gemeinsam mit Landsmann Thiago und dem kolumbianischen Edeltechniker James Rodriguez bildet er einen (spanischsprechenden) Block, der sowohl offensiv als auch defensiv starke Akzente setzt. Die drei sind ein Mittelfeld-Trio, das wohl auch dem FC Liverpool Sorgen bereiten könnte.

Die Stärke des FC Bayern München

Und mit dem Comeback von Martínez stellt sich auch die Frage, ob die Bayern nun wieder zu „alter“ Stärke zurückkehren – am Wochenende durfte ja auch Thomas Müller beim klaren 6:0-Heimsieg über Wolfsburg dabei sein. Ebenso wie Boateng und teils auch Hummels war er in der Vergangenheit schon mehrmals aufs vermeintliche Abstellgleis geschoben worden, aber immer wieder zurückgekehrt. Im Gegensatz zu Löw dürften die Bayern aber fix weiterhin mit Müller und seinen Kollegen rechnen. Aber was bedeutet das für das Spiel der Münchner? Es ist mit Müller, der einen ebenso unorthodoxen wie (für die Gegner) unangenehmen Spielstil pflegt, sicher weniger leicht ausrechenbar geworden. Trainer Niko Kovac hat mit ihm einfach mehr Varianten für die Offensive.

Und das gilt andererseits auch für die Defensive: Dort ist Boateng trotz seiner bekannten Schwächen ebenso unverzichtbar wie Müller offensiv, alleine schon wegen seiner internationalen Erfahrung. Zudem scheut sich Boateng nicht, auch auf ungewohnten Positionen zu spielen. Gegen Liverpool könnte der Innenverteidiger diesmal auf der Rechtsaußen-Position zum Einsatz kommen. Der Grund: Joshua Kimmich ist gesperrt und laut deutschen Medienberichten tendiert Kovac eher dazu, Boateng statt des eigentlichen Ersatzkandidaten Rafinha aufzustellen. Der ist zwar etwas quirliger, aber dafür in der Defensive nicht immer sattelfest.

Erfahrung zählt – auch in der Champions League

Erfahrung? Zählt das heute überhaupt noch etwas im Fußball? Ganz sicher, das musste ja beispielsweise der Bayern-Rivale Dortmund beim schlimmen 0:3 in London gegen Tottenham erkennen. Müller, Hummels und Boateng haben hingegen jene nötige Ruhe, die man eben erst nach unzähligen Spielen in der Meisterschaft, in der Champions League und eben auch im Nationalteam haben kann. Thomas Müller hat beim 6:0 über Wolfsburg am Wochenende nicht nur spielerisch überzeugt, sondern auch ein Tor geschossen. Genauso wie Boateng und Hummels wurde er von Kovac danach ausdrücklich gelobt – sicher auch deshalb, weil das Aus für die drei Akteure bei der Nationalmannschaft sicherlich psychologisch einen Knick bedeuten könnte. Die Trotzredaktion von Bayern München könnte nun aber ausgerechnet der FC Liverpool zu spüren bekommen. Die Klopp-Truppe hat sich zwar von den leichten Schwächen der Vorwochen erholen können (am Wochenende gab es einen 4:2-Sieg über Burnley), doch die Überzeugungskraft der vorigen Saison fehlt. Das Spiel gegen aufgelegte Münchner wird daher trotz der Konterstärke von Liverpool kein einfaches werden.

Umbau von Bayern München verzögert sich

Und noch etwas zum Punkt Erfahrung: Mit Franck Ribéry (35) haben die Bayern noch einen weiteren Spieler in ihren Reihen, der den Altersschnitt kräftig hebt. Er sorgt immer wieder für Gefahr, gerade in den letzten Minuten eines Spiels. In den vergangenen Monaten wurde dennoch schon mehrmals über die Überalterung der Mannschaft diskutiert. Der Kader des FC Bayern München zählt zu den ältesten der Bundesliga, auch im internationalen Vergleich ist die Mannschaft nicht gerade eine Frischlingstruppe. Allerdings sagt das in der Praxis weniger aus als wichtigere Kriterien wie Tagesform, Taktik oder Kondition. Der FC Bayern ist damit auch ein Gegenmodell zu Löws Nationalteam: Der Umbau wird schon länger hinausgezögert. Zwar wird der Kader immer wieder aufgefrischt, aber die große Revolution ist bisher ausgeblieben. Auf dem Platz wird sich weisen, ob sich das in der heurigen Saison erneut bewährt – schon am Mittwoch gegen Liverpool…

 

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