Strafe für Sexualkunde: Wieso in Polen demonstriert wurde
Ein Gesetzesentwurf in Polen brachte mehrere hundert Bürger in Warschau dazu, auf die Straßen zu gehen. Sie befürchten durch das Gesetzesvorhaben eine Einschränkung der Sexualkunde an Schulen. Der Entwurf sieht vor, das öffentliche Sprechen über sexuelle Handlungen von 17-Jährigen unter Strafe zu stellen.
Eine Gruppe radikaler Abtreibungsgegner brachte die Gesetzesänderung ein. Laut eigenen Angaben hatte sie dafür 265.000 Unterschriften gesammelt.
Polen will Sexualkunde-Unterricht einschränken
Letzte Woche haben mehrere hundert Menschen vor dem Parlament in Warschau demonstriert, weil die Regierung momentan einen Gesetzesentwurf behandelt, der es künftig nicht mehr zulassen könnte, öffentlich mit Jugendlichen über sexuelle Handlungen zu sprechen. Dies würde auch den Sexualkunde-Unterricht an Schulen treffen. Während die Demo anhielt, hat das Parlament am 16. Oktober den Entwurf mit vorwiegend Stimmen der konservativen Regierungspartei PiS in die zuständigen Ausschüsse zur weiteren Begutachtung geschickt.
„Pro – Recht auf Leben“ schickte Antrag ein
Initiiert wurde die Gesetzesänderung von einer Gruppe radikaler Abtreibungsgegner, die sich den „Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Verdorbenheit“ zur Mission gemacht hat. Zuvor hatte „Pro- Recht auf Leben“ laut eigenen Angaben 265.000 Unterschriften gesammelt. In Polen können Bürgerinitiativen im Parlament einen Gesetzesentwurf einbringen, wenn sie mindestens 100.000 Unterschriften vorweisen.
Unterstützt werden die Reformpläne außerdem von der Regierungspartei PiS. Die Abkürzung steht für „Prawo i Sprawiedliwość“ und bedeutet übersetzt „Recht und Gerechtigkeit“. Die Partei ist nationalkonservativ und wird auch als rechtspopulistisch charakterisiert. Bei den polnischen Parlamentswahlen am 13. Oktober bekam sie die absolute Mehrheit. Im Wahlkampf warben sie mit der Vision eines konservativen, katholisch geprägten Wohlfahrtstaates.
Regierungspartei unterstützt Gesetzesänderung
Das Oberste Gericht in Polen kam eigentlich vorläufig zu dem Schluss, dass der jetzige Gesetzesentwurf nicht mit dem Unterrichtsauftrag der Schulen vereinbar ist. Demnach könnte er gegen das in der Verfassung festgeschriebene Recht auf Bildung und Gesundheitsversorgung verstoßen. Die Abgeordneten der PiS ließen sich davon allerdings nicht beirren und stimmten dafür, die Arbeit an der Gesetzesänderung fortzuführen.
Ein Abgeordneter der Linken, Adrian Zandberg, sagte während der Proteste: „Die extreme Rechte will die Uhr zurückdrehen und den Menschen das Recht auf Wissen wegnehmen. Das Wissen über Sexualität sollte ein normaler Bestandteil des Bildungsprozesses sein.“ Er warnt davor, zuzulassen, dass „Lehrer oder Ärzte bestraft werden.“ Wer den Zugang zu diesem Wissen beschränke, erleichtere den Kindesmissbrauch.
Situation wie 2016
Die Demonstranten vergleichen die aktuelle Lage mit jener, die sich 2016 abspielte. Damals brachte eine Bürgerinitiative einen Entwurf ein, der das ohnehin schon strenge Abtreibungsgesetz noch verschärfen sollte. Damals hatten heftige Proteste vor allem von Frauen die PiS veranlasst, den Entwurf fallen zu lassen.