Was ist Transsexualität? „Sendung mit der Maus“-Folge erntet Shitstorm
Rund um den „Transgender Day of Visibility“ steht das Thema Transsexualität immer wieder im Fokus einiger Reportagen, Sendungen und Programmen. Dass jetzt ausgerechnet die „Sendung mit der Maus“ das Thema aufgreift, verärgert aber viele User online.
Denn für einige Kritiker ist das Thema zu sexualisiert für Kinder.
„Sendung mit der Maus“ erklärt Transsexualität
Vergangene Woche veröffentlichte die „Sendung mit der Maus“ eine ganz besondere Folge. Denn vor dem Hintergrund des „International Transgender Day of Visibility“, der am 31. März stattfindet, besuchten die Serienmacher eine Person, die bereits in der Vergangenheit Teil der Sendung war. Und zwar Katja. Als das Team sie das letzte Mal gesehen hat, war Katja jedoch noch Erik, ein Mann, der seit knapp 20 Jahren obdachlos war und mithilfe der Serie eine Wohnung und einen stabilen Tagesablauf fand.
Einen Alltag, der es Erik ermöglichte, sich mehr um sich selbst zu kümmern; und sich einen lang ersehnten Wunsch zu erfüllen: Die Transition von Erik zu Katja. In der aktuellen Folge spricht Katja über ihre Transsexualität, ihre Gefühle und ihren jahrzehntelangen Wunsch, eine Frau zu sein.
Katja zeigt also im Kinderfernsehen, wie sie lebt und welche Schritte sie in den vergangenen Jahren durchgemacht hat. Es geht um ihr Outing, ihre Namensänderung und die gerichtlichen Schritte, die sie durchmachen musste, um ihr Geschlecht auch in der Geburtsurkunde und in ihrem Personalausweis ändern zu dürfen. „Jetzt kann ich einfach leben wie ich bin“, erzählt Katja in der Sendung.
„Kinder sollten offen und tolerant erzogen werden“
Ein Schritt, der gerade vor dem „Transgender Day of Visibility“ am 31. März für viele enorm wichtig ist. Auf Twitter und in den Sozialen Medien sprechen viele Aktivistinnen und Aktivisten darüber, wie schön es ist, das Thema jetzt auch kinderfreundlich aufzugreifen. So schreibt ein Nutzer auf Twitter etwa: „Kinder sollten offen und tolerant erzogen werden“ und lobt die aktuelle Folge.
Viele betonen auch, wie wichtig die Folge für viele Kinder sein könnte. „Katja z.B. hat es ja schon recht früh bemerkt, ihr hätte die Sendung helfen können“, schreibt etwa ein User. Eine Meinung, die von einigen Transpersonen und Allys online geteilt wird. So schreibt eine Userin etwa: „Ich finde es gut das [sic!] ihr auch [euch]mal solch wichtigen Themen annimmt und hoffe, dass noch weitere ähnliche kommen zur queer oder ähnliches. [sic!]“
Auch der Twitter Account von Trans Pride Köln lobt die Folge und das Engagement der Sendung und schreibt: „Hallo liebe Maus! Wie schön, dass du dich nach wie vor für mehr Toleranz einsetzt und Kinder altersgerecht aufklärst. Wir freuen uns, dass du wichtiges Wissen bereitstellst, was einigen von uns vor 10 oder 20 Jahren wahrscheinlich viel Ratlosigkeit und Sorge erspart hätte.“
Zu sexualisiert für Kinder?
Doch nicht alle sind mit der aktuellen Folge so einverstanden. Besonders publik macht der ehemalige Bild-Chefredakteur Julian Reichelt seinen Ärger über die Thematisierung. Auf Twitter schreibt er: „Die Zwangsmaus und die Öffentlich-Rechtlichen wollen, dass wir uns nicht mehr trauen, Dinge zu sagen, von denen wir wissen, dass sie wahr sind. Sie wollen uns einschüchtern und erziehen, bis wir aus Furcht Fakten verleugnen: Jungs sind Jungs, Mädchen sind Mädchen.“
Reichelt betont mit dem Statement also, dass er der Meinung ist, dass Transsexualität nicht existiere. Später betont er auch: „Genau wegen sowas fordern Eltern Gesetzte wie in Florida, damit ihnen die Erziehung ihrer Kinder nicht von Ideologen entrissen wird.“
Viele schließen sich Reichelts Meinung an; es folgt ein Shitstorm gegen die „Sendung mit der Maus“. So kritisieren einige etwa, dass das Thema zu sexuell aufgeladen sei und man so Kindern Sexualität zu früh zu nahe bringe „Die interessieren sich von alleine früh genug! Lasst die Kinder Kinder sein“, schreibt etwa ein User.
Kritik folgt dann sogar von dem feministischen Magazin „EMMA“. Denn in einem Artikel betont dieses, dass die Folge nur weitere Geschlechterklischees weitergebe. Der Beitrag baue auf veralteten Rollenbildern auf, in denen Frauen durch Make-up und Kleidung definiert werden. „Wir lernen, liebe Kinder: Frauen sind nur Frauen, wenn sie Röcke und Kleider tragen und sooo hohe Schuhe, dass sie auf denen erst laufen lernen müssen“, heißt es in dem Artikel. „Wir lernen nicht, liebe Mädchen, dass ihr all das tun könnt, auch ohne Pubertätsblocker und Hormone zu schlucken und euch die Brüste abnehmen zu lassen. Ihr seid nämlich freie Menschen und könnt alles tun, was Jungen tun.“
WDR und „Sendung mit der Maus“ verteidigen sich
Der Account der „Sendung mit der Maus“ reagiert online übrigens auf Reichelts Aussagen und betont: „Die Maus ist dazu da den Horizont für Groß und Klein zu erweitern.“ Dass bei dem Beitrag jedoch in keiner Sekunde die Rede von Geschlechtsanpassungen, Hormontherapien oder ähnlichem die Rede war, scheinen viele Kritikerinnen und Kritiker auszublenden. Tatsächlich geht es in dem siebenminütigen Beitrag nämlich ganz und gar nicht um ein sexualisiertes Thema, sondern um die Lebensgeschichte von Katja.
Das betont auch Brigitta Mühlenbeck, die Programmgruppenleiterin des WDR-Kinderfernsehens, das auch die „Sendung mit der Maus“ produziert, gegenüber dem „Spiegel“. Denn auch sie erklärt, dass es in dem Beitrag weder um Geschlechtsverkehr noch Geschlechtsangleichungen gegangen ist. „Transgeschlechtlichkeit ist gesellschaftlich relevant. Es gibt Kinder und Jugendliche, die ein Problem mit ihrem Geschlecht haben. In Schulklassen ist Transgeschlechtlichkeit Thema, ob offen darüber gesprochen wird oder nicht“, sagt sie.
Und die Einschaltquoten geben ihr scheinbar Recht. Denn mit 1,8 Millionen Zuschauerinnen und Zuschauern lag diese sogar etwas über dem Durchschnitt. Und wenn der Social-Media-Diskurs eines auf jeden Fall geschafft hat, dann dass die Folge jetzt um einiges mehr Aufmerksamkeit bekommen hat, als ohne den Shitstorm. Vielleicht lernt dadurch ja die ein oder andere Person mehr, was Transsexualität wirklich bedeutet – und darum sollte es beim internationalen „Transgender Day of Visibility“ ja eigentlich gehen.