Wie wir jetzt zur Ruhe kommen: Psychologin erklärt den Umgang mit Doppelbelastung von Terror und Corona
Es ist eine Doppelbelastung für unsere Psyche: Die Corona-Krise und der Terror-Anschlag in der Wiener Innenstadt. Die aktuelle Situation ist besonders emotional und kann zu Verunsicherung führen. Wir haben deswegen mit einer Psychologin über die aktuelle Situation gesprochen.
Aufgrund der polizeilichen Ermittlungen sind die Österreicher zudem angehalten, in ihren Wohnungen zu bleiben. In den Medien gibt es kaum ein anderes Thema. Im Fernsehen laufen Sondersendungen. Was das für unsere mentale Gesundheit bedeutet und wie wir nun dennoch zur Ruhe kommen, erklärt uns Psychologin Univ-Prof. Dr. Brigitte Lueger-Schuster.
Doppelbelastung für unsere Psyche
Die Unsicherheit ist 2020 ohnehin schon groß. Die Corona-Krise belastet nahezu seit Beginn des Jahres. Nun kommt auch noch ein Terror-Anschlag hinzu. „Die Herausforderung wird um ein x-faches höher. Nicht nur, dass wir uns schon seit März ständig an die unterschiedlichen Corona-Situationen adaptieren müssen und unser Verhalten ständig anpassen müssen. Jetzt müssen wir uns noch einmal mehr anpassen an eine Situation, die wirklich ganz massiv traumatischen Charakter hat, insbesondere für die Menschen, die direkt betroffen sind, die in dieser Situationen gearbeitet haben und natürlich auch für die trauernden Personen“, erklärt Psychologin Lueger-Schuster. Die Menschen seien nun sehr gefordert, ihr Bewältigungsmechanismen rapide nachzujustieren.
Und das kann sich unmittelbar auf unser Wohlbefinden auswirken. „Man fühlt sich unruhig, man hat möglicherweise Probleme einzuschlafen, durchzuschlafen oder man schläft nur sehr kurz. Man hat möglicherweise beängstigende Träume“, beschreibt Lueger-Schuster die psychologischen Auswirkungen der momentanen Situation. Auch Gefühle von Stress, Bluthochdruck, Müdigkeit und Resignation können sich einstellen.
Posttraumtische Belastungsstörung
Je näher man dem Geschehen in der Wiener Innenstadt war, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit einer sogenannten posttraumatischen Belastungsstörung. „Diese fühlt sich vielleicht ein bisschen wie eine Panikstörung an“, so Lueger-Schuster. Hinzu kommen aber wiederkehrende Bilder bei auslösenden Erlebnissen, wie etwa Geräuschen oder Gerüchen. „Das kann das Gefühl auslösen, dass man wieder in dieser Situation ist, obwohl man weiß, man ist in Sicherheit“.
Doch nicht alle, die traumatisierende Situationen erleben, entwickeln in der Folge eine psychische Störung. „Viele sind einfach eine Zeit lang irritiert, belastet, grantig, gestresst, schlafen schlecht. Das legt sich aber wieder“, so die Psychologin.
Kurzfristige Entlastungen
Auch für Menschen, die nicht in der unmittelbaren Umgebung des Terror-Anschlags waren, ist die aktuelle Situation belastend. Wer sich momentan unwohl und gestresst fühlt, kann sich aber mit kleinen Übungen kurzfristig entlasten. „Eine kurzfristige Entlastung bietet langsames Ein- und Ausatmen. Auch Yoga oder, wenn es möglich ist, einen kleinen Spaziergang oder Sport zu machen, kann helfen, das Adrenalin rückzubauen“, erklärt Lueger-Schuster. Das Stresshormon habe uns in der momentanen Situation ganz stark unter Kontrolle.
Dosierte Information
Es ist eine Ausnahmesituation: In den Medien hat das Thema Terror Überhand genommen und im Fernsehen laufen vor allem Sondersendungen zum Anschlag. Sich informieren ist wichtig, findet auch die Psychologin. „Ich glaube, es ist wichtig, dass man sich dosiert informiert. Information ist wichtig, weil es einem Kontrolle gibt und weil man dadurch einfach weiß, was Sache ist“. Dennoch solle man vermeiden, sich zu viel mit der Situation zu beschäftigen. Denn das könne schnell zu einer Überforderung und noch mehr Stress führen.
„Das ist jetzt Realität“
Terror war für Österreicher bisher immer ein sehr abstraktes Thema. Etwas, das in anderen Ländern passiert, aber nicht hier. Doch nun ist das Unmögliche passiert und wir müssen damit umgehen. „Man muss sich sagen, ‚das ist jetzt Realität‘. Wir hatten jetzt einen Terroranschlag in Österreich und so ist es“, schlägt Lueger-Schuster vor.
Wir Österreicher haben lange in der Annahme gelebt, dass es so etwas wie Terror in unserem Land nicht geben kann. Kann man sich nun jemals wieder sicher fühlen, wenn unsere Realität doch so düster aussieht? Ja, findet Psychologin Brigitte Lueger-Schuster. „Das Vertrauen in die Sicherheit wächst, je mehr die Zeit vergeht.“ Während wir uns nun also in einem Schockzustand befinden, werden wir uns auch von diesem mit großer Wahrscheinlichkeit wieder erholen. Zudem gibt es in Österreich zahlreiche Stellen, an die wir uns in einer Krisensituation wenden können.
Menschen in psychischen Krisen können sich bei der psychiatrischen Soforthilfe rund um die Uhr unter (01) 31 330 melden.